Mülheim. Reicht die Energie zum Heizen? Kann ich mir eine warme Wohnung leisten? Das plant Mülheims Krisenstab „Energiemangellage“ nun an Unterstützung.
Eine Krise jagt die nächste. In Mülheim hat längst ein dritter Krisenstab die Arbeit aufgenommen. Nach Corona und der Flüchtlingsbewegung aus der Ukraine ist im Fokus, wie die Bürgerinnen und Bürger trotz explodierender Energiekosten über den Winter kommen können. Sozialdezernentin Daniela Grobe zeichnet mit Blick auf die nächsten Monate ein düsteres Bild: „Es ist problematisch: Es wird Menschen geben, die heute noch keine Ahnung davon und es nicht in ihrer Lebensplanung drin haben, dass sie in eine Schieflage geraten werden.“ Die Stadt will auch ihnen – so gut es geht – helfen.
Krisenstabsleiter ist Wirtschaftsdezernent Felix Blasch. In drei Bereichen sei sein Krisenstab aktuell tätig, sagt er. So hält er die eigenen Energiesparmaßnahmen der Stadtverwaltung im Blick – ob das nun verkürzte Betriebszeiten für Brunnen im öffentlichen Raum sind, die Abschaltung der Außenbeleuchtung von Schloß Broich, Rathaus und Co., die Reduzierung von Heiztemperaturen in öffentlichen Gebäuden oder ein hydraulischer Abgleich für Heizanlagen in Schulen sind. In einem weiteren Arbeitsfeld bereitet sich der Krisenstab auf eine zwar unwahrscheinlicher werdende, aber mögliche Energiemangellage vor – sollten die Gasspeicher leerlaufen, müssten gemäß den Vorgaben des Bundes zunächst energieintensive Industrieunternehmen ihre Produktion zurückfahren.
Energiekrise: Stadt Mülheim bündelt Informationen zu Hilfen auf ihrer Homepage
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Als Drittes hat die Stadtverwaltung zuletzt ämterübergreifend angefangen, mit Wohlfahrtsverbänden, Kirchen oder etwa auch der Verbraucherzentrale, der Medl und örtlichen Wohnungsbauunternehmen zusammengetragen, welche Unterstützung und welche Hilfen in der Stadt vorhanden sind, um Menschen zu helfen, wenn sie in Not geraten. Noch in dieser Woche will die Stadtverwaltung in einem ersten Aufschlag auf ihrer Webseite alle möglichen Informationen veröffentlichen und Anlaufstellen benennen.
Da sollen zunächst Energiespartipps präsentiert werden, aber etwa auch Empfehlungen des Bundes zum Katastrophenschutz. Insbesondere aber wolle man auch Mülheimerinnen und Mülheimern, die womöglich schon kurzfristig mit ihren Kosten für Heizung und Strom überfordert sein werden, eine Plattform bieten, die Hilfen gebündelt präsentiert und Wege aus individuellen Notlagen weist, so Krisenstabsleiter Blasch. Das Ganze soll es auch für Unternehmen geben, auf einer Sonderseite der Wirtschaftsförderung.
Sozialamt und Jobcenter in Mülheim: Noch herrscht „Ruhe vor dem Sturm“
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Noch herrsche bei Sozialamt und Jobcenter eine Art „Ruhe vor dem Sturm“, heißt es. Doch schon etliche Bürger dürften schon jetzt mit erheblich gestiegenen Abschlagszahlungen für ihre Energie konfrontiert sein, auch wenn die örtliche Energieversorgerin Medl immer noch Gas an die Kunden weitergeben kann, das sie noch zu deutlich günstigeren Konditionen am Markt eingekauft hat.
Doch im Krisenstab weiß jeder, dass auch der örtliche Grundversorger absehbar genötigt sein wird, sich den aktuellen Marktbedingungen zu stellen. Spätestens im nächsten Jahr, so zuletzt die Auskunft der Medl, drohen weitere Preiserhöhungen.
„Wir wollen verhindern, dass Menschen schlimmstenfalls wohnungslos werden“
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Für Menschen, die bereits im Leistungsbezug sind, sieht Sozialdezernentin Daniela Grobe ein Hilfsnetzwerk schon gegeben. Es bestehe schon Kontakt zu den Ämtern. Nun werde die finanzielle Not aber viele Menschen treffen, die mit dem System der staatlichen Sozialtransfers nicht in Berührung stünden, die es sich womöglich niemals haben vorstellen können, mal auf staatliche Hilfe zurückgreifen zu müssen. Sozialdezernentin Grobe glaubt, dass manch einer da in den kommenden Monaten auch seine Scheu vor dem Ämtergang wird überwinden müssen.
Sie wirbt offensiv dafür, sich rechtzeitig bei städtischen Ämtern um Hilfen zu bemühen, wenn sich abzeichnet, dass am Monatsende zu viele Rechnungen bleiben, aber Konto und Portemonnaie leer sind. Dann könnten Ansprüche auf staatliche Leistungen geprüft werden. „Wir wollen uns drum kümmern“, so Grobe. Es werde darum gehen, „den sozialen Zusammenhalt zu sichern. Wir wollen verhindern, dass Menschen schlimmstenfalls wohnungslos werden oder in eine Schuldenfalle geraten.“ Eng verzahnt will sich ein Mülheimer Hilfenetz präsentieren.
Mülheimer Ämter rechnen vermehrt mit Anträgen auf staatliche Hilfen
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Eine Sozialrechtsberatung sei möglich. Ansprüche etwa auf Wohngeld oder Kinderzuschlag, auf Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Hilfen nach dem SGB XII und Co. können geprüft werden. Der Krisenstab will aber auch bei Alltagsdingen vermitteln: Wo bekomme ich ein günstiges Mittagessen, wo gut erhaltene Kleidung in der Stadt, wo eine Erstausstattung für mein neu geborenes Kind? Wenn es mich all die Nöte psychisch packen: Wo sind Anlaufstellen, die mir helfen?
Jung und Alt soll die Webseite eine Übersicht bieten. Wer kein Internet habe, könne sich auch an das geschulte Personal am Bürgertelefon wenden (0208 455-0). Über Partner, etwa die Wohlfahrtsverbände, Kirchen oder große Vermieter, sollen die Infos zum Hilfe-Angebot breit gestreut werden.
Mülheims Krisenstabsleiter appelliert: Alle sollten mitmachen beim Energiesparen
Die stellvertretende Leiterin des Mülheimer Jobcenters, Patricia Krause, appelliert an die Menschen, nicht zu lange abzuwarten, um mögliche Ansprüche auf Hilfen abklären zu lassen. Gehe es etwa darum, dass einmalige Forderungen für Heiz- oder Betriebskosten nicht beglichen werden könnten, sei es wichtig, im Monat der Fälligkeit vorzusprechen.
Es gleiche einem Blick in die Glaskugel, jetzt schon abzuschätzen, wie viele Menschen in naher Zukunft finanziell überfordert sein werden, ihren Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten, so Sozialdezernentin Grobe. Sie rechnet insbesondere für die Zeit, wenn die Energieversorger im nächsten Frühjahr ihre Jahresrechnungen verschicken, mit einer Welle an Hilfesuchenden. Krisenstabsleiter Blasch appelliert derweil an „alle, sich am Energiesparen zu beteiligen, damit es erst gar nicht zur Energiemangellage kommen muss“. Es gehe jetzt darum, zusammenzuhalten wie während der Corona-Pandemie, „damit wir auch diese Herausforderung bestehen“.