Mülheim. Immer wieder wurde das Mülheimer Wohnprojekt „Raumteiler“ an der Scheffelstraße verschoben. Die Mitglieder sind verärgert, auch über die MWB.
Nicht erst seit gestern träumt Wolfgang Bäcker vom Wohnen in einem autofreien Viertel mit nahem Radschnellweg, Gemeinschaftsgarten und einem Hühnerstall mitten in der Innenstadt. Er ist damit nicht allein: Claudia, Lisa, Martina und andere des Vereins „Raumteiler“ schwärmen vom ökologisch-nachhaltigen Leben an der Scheffelstraße. Dort plant die Mülheimer Wohnungsbaugenossenschaft. Doch ihre Mehrgenerationswohn-Utopie wurde bisher nicht Realität – stattdessen verschiebt die MWB den Baubeginn immer wieder. Ist der Traum geplatzt?
Die Stimmung bei den Raumteilern jedenfalls klingt ernüchtert. Vor allem die jüngste Aussage von MWB-Vorstand Frank Esser gegenüber dieser Redaktion, den Vertriebsstart für etwa 34 geplante Einfamilienhäuser an der Scheffelstraße – und damit auch die Raumteiler – auf Ende des Jahres zu schieben, hatte dazu geführt: „Es geht uns nicht um die weltpolitische Lage, die ist verständlich. Es geht um die Informationspolitik der MWB“, sagt Bäcker.
Warum das alternative Mülheimer Wohnprojekt immer wieder verschoben wurde
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Die sei bislang leider „wenig vertrauensvoll gelaufen“, heißt es. Doch den Knatsch habe es schon vor dem russischen Ukraine-Feldzug und den explodierenden Baukosten gegeben. Bereits zwischen dem einstigen Bebauungsplan 2017 und dem eigentlichen Bauantrag der MWB am 18. September 2019 verstrichen zwei Jahre. Damals waren aber die Raumplaner als Projekt noch nicht mitbeantragt.
Anschließend ruhte zudem das Verfahren wegen einer fehlenden Entwässerungsgenehmigung, wie die Stadt mitteilt. Erst am 22. Februar 2022 lag diese Genehmigung vor. Nur das Projekt der Raumplaner war noch immer nicht Teil des Bauantrags, sondern diese Planungsänderung sei erst Mitte des Jahres an die Stadtplanung herangetragen worden. Und sollte durch einen „vorhabenbezogenen Bebauungsplan“ festgelegt werden.
Ein solcher Sonderfall hätte wohl den Vorteil eines schnelleren Verfahrens gehabt – wenn sich Investor und Kommune einig sind. Doch: „Die Planänderungen sind derart weitreichend, dass diese keinesfalls über eine Befreiung vom bisherigen Bebauungsplan erfolgen können, weil diese den Grundzug der Planung berühren“, teilt Axel Booß, Leiter der Bauaufsicht, mit. Bauantragsverfahren für die weiteren Vorhaben seien entsprechend seitens der Bauaufsicht erst mal nicht zu erwarten, weil erst mal das weitere Planungsrecht geschaffen werden müsse.
Planung hervorragend, Umsetzung mangelhaft
Nicht nur für die ansonsten gut vernetzte Genossenschaft ist das ein Dämpfer, auch die Raumteiler fühlen sich in der Schwebe gehalten. Denn eigentlich sei man davon ausgegangen, dass das Verfahren längst laufe. Seit 2016 sei man mit der MWB im Gespräch. Im März 2021 hatte man schließlich schon genaue Pläne über das Mietshaus mit 14 Wohnungen, verteilt auf zwei Gebäude, inklusive Gemeinschaftsgarten vorliegen. „Die Zusammenarbeit mit der MWB bei der Planung lief hervorragend“, lobt Bäcker enthusiastisch.
Und gerade deshalb, „ist es erst einmal befremdlich, dass die MWB so lange gewartet und sich dann auf ein verkürztes Verfahren verlassen hat“, fügt er hinzu. Im August donnerte es schließlich zwischen beiden Seiten. Auch MWB-Vorstand Frank Esser zeigt sich „geknickt“, es sei vielleicht ein Fehler gewesen, das Verfahren so optimistisch zu beurteilen, sagt er im Gespräch mit der Redaktion. Es sei nun „kompliziert, aber wir sind ausdauernd“.
Irritation über geplante Baumfällungen an der Scheffelstraße
Wenn nicht weitere Vorfälle die Zusammenarbeit für das ambitionierte Mehrgenerationenwohnen beschädigen. So soll die Genossenschaft unerwartet die Fällung von Bäumen beantragt haben – im nicht-öffentlichen Teil des Planungsausschusses. Für Bäcker eine weitere unliebsame Überraschung, „denn es kann ja nicht sein, dass für unser ökologisches Projekt nun Bäume fallen“, zumal sich auch bei der Genossenschaft der ökologische Gedanke in Form von Dachbegrünung und in der Bauweise durchgesetzt habe.
Andreas Winkler, Pressesprecher der MWB, klärt dagegen auf: „Es handelt sich um die Fällung von drei zusätzlichen Bäumen, und diese ist bei jedem der Bäume aus einem anderen Grund notwendig: Ein Baum ist durch einen Sturm umgestürzt und muss entfernt werden. Beim zweiten Baum hat das Umweltamt festgestellt, dass er nicht mehr standfest ist. Der dritte Baum muss im Rahmen einer neu geplanten Geländemodellierung gefällt werden.“
Gespräche im November sollen Klärung bringen
Dies stehe im Zusammenhang mit dem Abbruch einer Garage auf dem Nachbargrundstück, mit der Baugrubenplanung und Bergbausicherung. Dennoch sollen alle Ersatzpflanzungen auf dem Grünstreifen direkt vor Ort vorgenommen werden.
Anfang November wollen die Raumteiler erneut mit der MWB ins Gespräch gehen. Kann der Traum der Raumteiler doch noch wahr werden? Bäcker will noch kein Urteil fällen, man denke aber über eine Umsetzung in Bestandsimmobilien nach – nicht nur aufgrund der zu erwartenden Kostensteigerungen im Neubau.