Mülheim. Corona war „ein Tritt in den Hintern der Digitalisierung“, sagt Dörte Schabsky, die in Mülheim Co-Working betreibt. Das versteckt sich dahinter.

Corona hat die sich ohnehin verändernde Arbeitswelt noch einmal kräftig durcheinandergewirbelt. Digitaler und flexibler soll es werden. Anbieter von sogenannten Co-Working-Bereichen expandieren trotz Pandemie. Auch in Mülheim.

Auf dem Areal des früheren Kaufhofs gehört der Anbieter „Work Inn“ mittlerweile zu den Mietern. Der sogenannte „Space“ in Mülheim ist aktuell das Flaggschiff des Unternehmens, das noch im November einen weiteren Standort in Duisburg eröffnen wird. „Spaces“ am Dortmunder Rheinlanddamm und in Essen-Rüttenscheid werden folgen.

Mülheimer „Space“ ist das Flaggschiff des Co-Working-Anbieters

In der ersten Etage des Stadtquartiers Schloßstraße stehen Besucherinnen und Besucher gleich in einem offenen Arbeitsbereich mit angrenzender Küche. Zwei junge Frauen sitzen sich an Laptops gegenüber und lassen sich auch vom Fotografen dieser Redaktion nicht stören. In der hinteren Ecke ist ein junger Mann mit Kopfhörern und Kapuzenjacke ohnehin in seine Arbeit vertieft.

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Mit verschiedenen Seminar- und Meetingräumen sowie kleineren und größeren Teambüros erstreckt sich der Bereich an der Friedrich-Ebert-Straße auf rund 1000 Quadratmetern.

Umsatzsteigerung trotz der Corona-Pandemie

„Wir haben hier einen guten Kontakt zwischen kleineren und größeren Firmen“, sagt Dörte Schabsky, die das Unternehmen „Work Inn“ gemeinsam mit ihrem Mann Tim führt. Trotz Corona konnte der Umsatz in 2020 um hundert Prozent gesteigert werden.

„Das Home Office war am Anfang sehr spannend, dadurch haben wir vier neue Standorte eröffnet“, berichtet Dörty Schabsky. Sie erreichten irgendwann die kuriosesten Anfragen. Zum Beispiel von einer Ehefrau: „Mein Mann muss dringend wieder raus aus dem Haus.“

Work Inn legt Wert auf eine funktionierende Gemeinschaft

Insgesamt habe Corona das Miteinander aber eingeschränkt. Und darauf wird beim Mülheimer Co-Working Wert gelegt. Menschen, die sich nur in einem Büro abschotten wollen, gehören nicht zur Grundidee. „Wir haben schon eine Community, wo man sich kennt. Wir schauen vorher, ob es zu dem passt, was wir haben, und lehnen auch Kunden ab“, betont Dörte Schabsky.

So sieht der offene Bereich im Mülheimer Co-Working-Space an der Friedrich-Ebert-Straße aus.
So sieht der offene Bereich im Mülheimer Co-Working-Space an der Friedrich-Ebert-Straße aus. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Aus dem Grund vergibt „Work Inn“ auch keine Tagestickets – außer für Meeting- und Seminarräume. Wer den Space nutzen will, muss eine monatliche Mitgliedschaft abschließen, kann aber regelmäßig kündigen.

Wie am Mülheimer Standort Netzwerke auf kurzem Weg entstehen

Das berühmte Netzwerken habe sich in der Corona-Zeit schon bewährt. „Manche haben ja profitiert, weil sie eher Digitales gemacht haben, und die haben dann Leute aus dem Eventbereich unterstützt“, berichtet die Geschäftsführerin. Außerdem arbeiten in Mülheim auch Grafiker, Fotografen oder Texter, die auch von anderen Firmen durchaus gebraucht werden. Warum also erst lange googeln, wenn der Experte oder die Expertin am Schreibtisch gegenübersitzt?

Wer im Mülheimer Co-Working-Space sitzt

Zu den Nutzern des Co-Working-Spaces in Mülheim gehören zu einem Viertel Start-ups, die in den Räumlichkeiten aber zum Teil schon gewachsen sind. Zu den größten Mietern gehört das Digital Competence Center Ruhr (DCC), das beispielsweise auf Messen, Veranstaltungen oder Showrooms für die richtige digitale Darstellung sorgt.

An der Friedrich-Ebert-Straße sitzt zudem die Geschäftsführung von „immergrün“. Das Franchise-Unternehmen ist auch im Forum und im Rhein-Ruhr-Zentrum vertreten.

Zu den verschiedenen Beratungsfirmen gehört „Smartwerk“, das Stadtwerke in Sachen erneuerbare Energien berät. Die GB-Chemie GmbH hat ihre Zentrale eigentlich in Hessen, hat aber eine Abteilung wohnortnah nach Mülheim verlagert.

„Insgesamt“, sagt Dörte Schabsky, „waren die vergangenen zwei Jahre ein Tritt in den Hintern, was die Digitalisierung betrifft.“ Viele Firmen seien zunächst skeptisch gewesen. „Man wundert sich, wer jetzt alles Co-Working macht.“

Unternehmen lagern Bereiche in Co-Working-Spaces aus

Mittlerweile lagern Unternehmen Teile ihrer Teams in Co-Working-Bereiche aus, um das Risiko einer Corona-Ansteckung zu minimieren. „Es geht ein großer Trend zu mehr selbstbestimmtem Arbeiten. Die Arbeitszeit sollte noch mehr als Lifestyle-Zeit gesehen werden. Das ist ein wichtiger Punkt, um in Zukunft Mitarbeiter zu bekommen“, so Schabsky. Eine andere Umgebung und eine andere Atmosphäre könnten auch zu einem effektiveren Arbeiten führen.

Manche Firmen wollen ihre Flächen mittlerweile selbst umgestalten und greifen dabei auf das Know-how von „Work Inn“ zurück. „Das ist ein spannendes Nebenprodukt geworden“, sagt Dörte Schabsky.

Softwareentwicklerin arbeitet aus Mülheim für Firma in Singapur

Die neue Flexibilität sorgt zum Beispiel auch dafür, dass eine Firma aus München eine ITlerin einstellt, die in Mülheim sitzt. Softwareentwicklerin Marisol de la Vega ist sogar bei einer Firma in Singapur angestellt. „Es ist schön, dass eine neue Offenheit da ist“, fasst Dörte Schabsky zusammen. Langweilig werde es in der Arbeitswelt ohnehin nie.