Mülheim. Das Arbeiten von zu Hause ist in der Pandemie zum Alltag geworden. Doch wie wirkt sich der Trend zur Heimarbeit auf den Mülheimer Büromarkt aus?
Corona hat die Arbeitswelt auf den Kopf gestellt. Plötzlich war das mobile Arbeiten von zu Hause aus möglich – auch in Unternehmen, in denen es zuvor undenkbar gewesen wäre. In unserem Corona-Check haben wir Mülheimer zu ihrer beruflichen Situation in der Pandemie befragt. Dabei kam heraus, dass 41 Prozent der Befragten während der Pandemie im Homeoffice gearbeitet haben – fast doppelt so viele wie im bundesweiten Schnitt von 24 Prozent. Was bedeutet das für die Zeit danach? Und wie wirkt sich der Trend zu mehr Heimarbeit auf den hiesigen Büromarkt aus?
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„Letzteres ist momentan noch schwer zu beantworten“, weiß Felix Blasch, Leiter des Amtes für Stadtplanung und Wirtschaftsförderung. Der Trend gehe natürlich auch nach Corona zu mehr Heimarbeit, jedoch plane nicht längst jedes Unternehmen deswegen eine räumliche Veränderung oder Reduzierung der Büroflächen. „Zumal es auch viele Stimmen aus den Belegschaften gibt, die sagen, dass es den sozialen Austausch im Büro vor Ort geben muss.“ Daher entscheiden sich viele Arbeitgeber für Wechselmodelle aus Präsenz- und Heimarbeit.
Viele Unternehmen halten sich mit Planungen noch zurück
Solange nicht feststeht, wie es mit der Pandemie weitergeht, welche rechtlichen Rahmenbedingungen die neue Regierung in Sachen (verpflichtende) Heimarbeit vorgeben wird, halten sich die meisten Unternehmer zurück mit konkreten Planungen, so Blasch. Zumal viele Mietverhältnisse für Firmenobjekte über mehrere Jahre laufen, sagt auch Fabian Lüdtke, bei der Wirtschaftsförderung zuständig für die Gewerbeflächen und -immobilien.
Umso überraschender, dass die Nachfrage nach Büroflächen entgegen des Homeoffice-Trends in Mülheim sogar leicht gestiegen ist. Der Pandemie zum Trotz „stieg die Zahl der an die Wirtschaftsförderung gerichteten Anfragen nach Büroflächen von 34 im Jahr 2019 auf 41 in 2020“, berichtet Lüdtke. Jedoch unterlag die Nachfrage in den vergangenen Jahren starken Schwankungen.
Trend: Stärkere Fokussierung auf attraktive Standorte
Auch im Bereich Co-Working Spaces gab es nach Rücksprache mit verschiedenen Anbietern keine rückläufige Nachfrage, zumindest auf das Gesamtjahr 2020 gesehen. Viele nutzten die Angebote als Alternative zum Homeoffice, beschreibt der Gewerbeimmobilienbericht die Situation in 2020.
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Schon lange gehe der Trend zu einer stärkeren Fokussierung auf attraktive Standorte. Gute Ausstattung der Räume, optimale Verkehrsanbindung, ausreichend Parkplätze, Restaurants für die Mittagspause: All dies seien wichtige Faktoren. Dagegen könnte es für Standorte in den Randbereichen der Stadt nach Corona noch schwieriger werden, „etwa kleine Gewerbegebiete wie an der Solinger Straße in Saarn“, weiß Lüdtke. „Dort steht jetzt schon viel leer.“
Unternehmerverband: Viele Chefs haben den Schrecken vor der Heimarbeit verloren
„Der Effekt, dass sich durch die zunehmende Arbeit im Homeoffice auch die Büroflächen verringern, wird überall prophezeit, lässt sich aber noch nicht bestätigen“, sagt Kerstin Einert-Pieper, Geschäftsführerin des Unternehmerverbands Mülheimer Wirtschaft.
Was aber zu sehen ist: „Viele Unternehmer haben die Angst und den Schrecken vor der Arbeit im Homeoffice verloren.“ Durch die Zwangslage seien sie gezwungen gewesen, die digitalen Strukturen auszubauen. „Ich denke, dass auch nach der Pandemie der Homeoffice-Anteil höher bleiben wird.“ Aber: „Viele Arbeitnehmer lechzen auch danach, wieder einen normalen Büroalltag mit sozialen Kontakten zu haben.“
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Was bleibt? „Die meisten Konferenzen werden zukünftig über Video laufen, und auch Dienstreisetätigkeiten werden stärker zurückgefahren“, ist sich Einert-Pieper sicher. „Immerhin ist das ein hoher Kostenfaktor.“ Geld, dass besser in die digitale Infrastruktur investiert werden könnte. Die Stadt müsse dafür die Rahmenbedingungen schaffen. „Schnelles Internet ist ein ganz wichtiger Faktor für Unternehmen.“
Weniger klassische Schreibtisch-Arbeitsplätze, mehr Flächen für gemeinsames Arbeiten
Bei Siemens Energy, einem der größten Arbeitgeber in Mülheim, sind Arbeitgeber und -nehmer bereits dabei, gemeinsam hybride Arbeitsmodelle zu erarbeiten. Heißt: Mitarbeiter haben die Wahl, wie, wann und von wo aus sie am besten arbeiten - so sollen Privat- und Arbeitsleben besser in Einklang gebracht werden.
Flächen zum Netzwerken nutzen
Der Duisburger Unternehmerverband hatte nun zu einer Expertenrunde über Homeoffice, mobile Working und die Büroflächen der Zukunft eingeladen. Wie diese aussehen könnten, diskutierten die Teilnehmer aus Unternehmen der IT-Branche.
Fachleute vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Berlin gaben Einblicke in die Forschung zur Zukunft der Arbeit. „Etwa 50 Prozent der Unternehmen wollen das zeit- und ortsflexible Arbeiten weiterverfolgen“, so die Experten.
Mit Blick auf Bürokonzepte gebe es künftig keine einheitliche Lösung, sondern viele: Base Office, Project & Cooperation Space, Cowork und 3rd Place. Dass sich Arbeit und Arbeitsort zunehmend entkoppeln und weiter flexibilisieren, bestätigten auch die Teilnehmer. Homeoffice eigne sich gut für Konzentrationsarbeit, Projektabstimmungen hingegen seien besser in Präsenz umsetzbar. Generell sei überall der Wunsch groß, sich wieder auszutauschen, so die Erfahrungen der Teilnehmer.
Dieser Wunsch ist auch Kern einer Idee, wie man mit freien Büroflächen umgeht, wenn Beschäftigte nicht mehr täglich vor Ort sind. Organisationen könnten intelligente Lösungen entwickeln, damit sich ihre Flächen weiterhin zum Arbeiten, vor allem aber zum Netzwerken anbieten. So könnten Flächen etwa an Externe vermietet werden.
Die digitale Zusammenarbeit funktioniere grundsätzlich gut, für die kreative Arbeit könne es jedoch von Vorteil sein, sich persönlich auszutauschen, erklärt Konzernsprecher Felix Sparkuhle. Deshalb sollen Büros auch künftig ein wichtiger Ort bleiben. „Wir sind überzeugt, dass es bei uns, einem internationalen Unternehmen, in dem es viele unterschiedliche Tätigkeitsprofile gibt, flexible Lösungen braucht“, sagt Sparkuhle. Schließlich gebe es auch Arbeitsbereiche, in denen mobiles Arbeiten nicht möglich sei, etwa in der Fertigung.
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Gibt es denn Überlegungen, Büroflächen in Mülheim zu verkleinern? „Auswirkungen auf Veränderungen unserer Büroflächen sind aktuell nur bedingt vorhersehbar“, hält sich Sparkuhle bedeckt. Dafür müssten erst Erfahrungen über das Verhältnis von mobiler und Präsenzarbeit gesammelt werden. Klar sei aber, dass der Bedarf an klassischen Schreibtisch-Arbeitsplätzen sinken wird. Dafür werden mehr kollaborative Flächen gebraucht, auf denen Kollegen gemeinsam an einem Projekt arbeiten können.