Mülheim. Mülheims erste Solidarische Landwirtschaft ist noch jung, aber schon jetzt eine Erfolgsgeschichte. Wie das Solawi-Konzept genau funktioniert.

Die seit Anfang 2022 bestehende erste Mülheimer Solidarische Landwirtschaft nimmt zwar erst im kommenden Jahr ihren Betrieb auf dem ein Hektar großen Acker in Dümpten auf, doch bereits in diesem Jahr sammelte das Anbauteam, bestehend aus Alena Schüren und Oskar Liebisch, wertvolle Erfahrungen beim biologischen Gemüseanbau. Vor allem aber verzeichnen sie riesige Erfolge, wie die freitägliche Gemüseausgabe beweist. „Wir können uns aktuell vor Gemüse kaum retten“, beschreibt Gründungsmitglied Johannes Dabringhausen die erfreuliche Lage.

Ursprünglich hatten sie damit gerechnet, 25 Anteilnehmer wöchentlich mit Gemüse versorgen zu können, doch schon lange ist die Zahl auf 35 gewachsen, verzichtet das Anbauteam auf den für sie selbst zurückgelegten Anteil, weil einfach immer was übrig bleibt. Seit sieben Uhr in der Früh haben die beiden geerntet, aufwändige Sorten wie Bohnen und Zuckererbsen bereits schon am Vorabend, und die Zwiebeln, die holen sie sowieso aus der Erde, sobald sie reif sind. „Die müssen erst trocknen, um ihre braune Schale zu bekommen“, informiert Alena Schüren und streicht über die angetrockneten äußeren Zwiebelhäute.

Solidarische Landwirtschaft in Mülheim: Kundschaft wählt Waren selbst aus

Das Gleiche gilt übrigens für die Physalis, von denen es so viel gibt, dass gerne welche probiert werden können. „Das tut denen gut, ein bisschen zu liegen und zu trocknen“, erläutert Alena Schüren, weiß aber auch, dass sie schnell ernten muss, denn wie sich gezeigt hat, lieben die Feldmäuse diese Frucht. Noch während sie spricht, beugt sie sich auch schon nach unten und zupft mit leichten Fingern die trockenen Lampions ab, in deren papierener Hülle sich die leckere gelbe Frucht verbirgt und reift.

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In einem Pavillon verbreiten die geernteten Gemüsesorten ihre verführerischen Düfte und können von 13 bis 19 Uhr abgeholt werden. Eine große Tafel informiert über die heutigen Sorten, inklusive Stück- oder Grammzahl, die jeder Anteilnehmer selbst auf der bereitstehenden digitalen Waage abwiegen und in den mitgebrachten Behälter packen kann. Carolina mit den Kindern Mina (8) und Malachias (6) strahlen um die Wette, ihnen gefällt „die Atmo hier sehr gut“. Der hübsche Weidenkorb, den Vater Konstantin stolz trägt, ist bereits gut gefüllt und wiegt so einiges. „Die Möhren haben überzeugt in ihrer Einzigartigkeit“, sagt Carolina. „Wir haben uns eine ganz kleine ausgesucht, eine mit Beinchen“, erzählt sie lachend, während Malachias hüpfend dazwischen kräht: „Und mit Ärmchen!“

Carolina und Konstantin mit ihren Kindern Mina und Malachias mögen besonders die Atmosphäre bei der Solawi.
Carolina und Konstantin mit ihren Kindern Mina und Malachias mögen besonders die Atmosphäre bei der Solawi. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Mülheims erste Solidarische Landwirtschaft erntet große Auswahl

Neben Karotten, Zwiebeln, Bohnen und Zuckererbsen gibt’s heute Tomaten, Maiskolben, Radicchio, Kohlrabi und Rote Bete – jeweils ein Prachtexemplar seiner Art. Anteilnehmer Moritz wählt aus den Optionen Salat, Mangold und Kräuter einen Lollo bianco, und schon stiefelt Oskar Liebisch mit einem scharfen Messer los und kehrt wenig später mit einem riesigen, gerade eben geernteten Salatkopf zurück. „Noch frischer geht’s nicht!“, sagt Moritz lachend und gesteht, dass es schon sehr viel Gemüse für zwei Personen wäre, was wöchentlich im Korb landet. – Er ist wie viele mit dem Rad gekommen, verbindet die Gemüseabholung gern mit einer Radtour, es ist ja auch eine idyllische Strecke zwischen der Ruhr und den Äckern.

Cäcilia holt sich bei der Solawi regelmäßig Gemüse ab.
Cäcilia holt sich bei der Solawi regelmäßig Gemüse ab. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Die Solidarische Landwirtschaft, kurz Solawi, hat dieses Jahr genutzt, um viel zu experimentieren und Erfahrungen zu sammeln. Weil die Aussaat des Knoblauchs in der Tüte schimmelig geworden war, stieg das Anbauteam zum Beispiel auf Schnitt-Knoblauch um, der dem zwei Reihen weiter wachsenden Schnittlauch zum Verwechseln ähnlich sieht, sich aber deutlich von der unermüdlich sprießenden Petersilie dahinter unterscheidet. Reihen von Korn- und Ringelblumen sehen nicht nur hübsch aus, sie schützen auch vor Schädlingen, haben Alena und Oskar bei einer Wittener Solawi, wo sie einmal wöchentlich helfen, gelernt und gleich umgesetzt.

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„Man muss schon jeden Tag kochen, weil es echt viel ist“

Finanzierung durch Crowdfunding

In einer Solawi trägt eine Gruppe von Menschen für je ein Anbaujahr die Kosten eines Gemüsebetriebs mit einem festen monatlichen Betrag und erhält im Gegenzug einen wöchentlichen Ernteanteil frisches Bio-Gemüse. Durch ein erfolgreiches Crowdfunding sind dann hoffentlich nötige Neuanschaffungen wie etwa Folientunnel für Tomaten, Auberginen und Paprika möglich, aber auch für Lastenräder und Geräte zur nachhaltigen Bodenbearbeitung.

Damit die Finanzierung für das kommende Erntejahr gedeckt ist, findet am Sonntag, 4. September, um 11 Uhr im Restaurant Ronja die Auftaktveranstaltung der sechswöchigen Crowdfunding-Aktion von der Mülheimer Solawi statt. Ein Crowdfunding-Video leitet zu einer Publikumsdiskussion mit externen Gästen über, der sich Informationen über eine Solawi anschließen. Interessierte sind herzlich dazu eingeladen.

Kürbisse, Postelein, Pak Choi und zig Kohlsorten wachsen und gedeihen prächtig, Letztere in Mischreihen gepflanzt und durch Netze vor der Kohlfliege und dem Kohlweißling geschützt. Der häufig hier anzutreffende, so hübsche Schmetterling legt nämlich gern im Kohl seine Eier ab, und wenn die Raupen schlüpfen, machen sie sich hungrig über die Kohlsorten her. Dank der vielen Sonne dieses Jahr und der Bewässerungsmöglichkeit durch einen nahe liegenden Brunnen sowie durch eine schnelle Fruchtfolge fiel die Ernte mehr als reichlich aus, erläutert Alena Schüren. „Man muss schon jeden Tag kochen, weil es echt viel ist“, gibt Moritz wie auch andere Anteilnehmer zu, wirkt aber sehr zufrieden. „Bei der ganzen Vielfalt hat man jeden Tag was anderes.“ Und Cäcilia gesteht: „Es ist ein gutes Gefühl, von hier das Gemüse zu bekommen.“