Mülheim. Ein Mülheimer SPD-Ortsverein will nicht akzeptieren, dass Altkanzler Gerhard Schröder mit seinem Russland-Engagement ungeschoren davonkommt.
Nach der Entscheidung einer SPD-Schiedskommission für den Verbleib von Altkanzler Gerhard Schröder in der Partei wollen mindestens sechs der 17 SPD-Gliederungen, die das Parteiordnungsverfahren ins Rollen gebracht hatten, Berufung einlegen oder haben das bereit getan. Darunter ein SPD-Ortsverein aus Mülheim.
Über die weiteren parteiinternen Anstrengungen, Altkanzler Schröder womöglich aus der Partei auszuschließen, berichtete zuerst die „Rheinische Post“ (RP). Vier der 17 Parteigliederungen sehen demnach von einer Berufung ab. Bei den anderen stand ein Beschluss dem Bericht zufolge noch aus. Auf jeden Fall in Berufung gehen will unter anderem der Mülheimer Ortsverein Heißen-Heimaterde um seinen Vorsitzenden Daniel Mühlenfeld.
Drei SPD-Ortsvereine aus dem Ruhrgebiet, einer aus Mülheim, wollen Berufung einlegen
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Schröder steht vor allem wegen seiner Mitarbeit für russische Staatsunternehmen und seiner mangelnden Distanzierung vom russischen Angriff auf die Ukraine in der Kritik. Die zuständige Schiedskommission seines SPD-Unterbezirks Region Hannover sah allerdings keinen Verstoß gegen die Parteiordnung und verzichtete auf Maßnahmen wie eine Rüge oder gar einen Parteiausschluss. Gegen den Beschluss vom 8. August kann innerhalb von zwei Wochen Berufung eingelegt werden.
In Berufung gehen wollen dem Bericht der RP zufolge neben dem Ortsverein Heißen-Heimaterde die SPD-Verbände Bochum-Schmechtingtal, Mettmann, Essen-Frohnhausen/Altendorf, Leutenbach und Leipzig-Ost/Nordost. Eine einzige Initiative innerhalb der SPD reicht aus, um das Berufungsverfahren in Gang zu setzen. „Wir interpretieren die Äußerungen des ehemaligen Kanzlers Schröder ganz anders als die Schiedskommission. Deswegen halten wir es für richtig, in die nächsthöhere Instanz zu gehen“, hatte Daniel Mühlenfeld, Vorsitzender des Ortsvereins aus Mülheim, geäußert.
Mülheimer Ortsverein hatte schon Ende Februar gegen Schröder gefeuert
Jener SPD-Ortsverein Heißen-Heimaterde hatte sich bereits am 27. Februar, nur drei Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ost-Ukraine, für einen Parteiausschluss Schröders ausgesprochen, sollte dieser nicht kurzfristig seine Ämter in den Gremien der Rosneft Oil Company sowie der North Stream AG und der North Stream 2 AG niederlegen.
Überdies hatte der Ortsverein Anstoß genommen daran, dass Schröder sich nicht „klar und unmissverständlich“ gegen den russischen Überfall auf die Ukraine positioniert hatte. Zwar habe Schröder im Sozialen Netzwerk Linkedin „den Überfall verurteilt, sich dabei jedoch relativierend zur Verantwortung für den Ausbruch der militärischen Gewalt geäußert“, hieß es seinerzeit mit Verweis darauf, dass Schröder für die Eskalation des Konflikts Fehler auf beiden Seiten verantwortlich gemacht hatte. Ortsvereinsvorsitzender Mühlenfeld sieht jene „Relativierung“ durch den Schiedsspruch in erster Distanz nicht gewürdigt. Jene via Linkedin verbreitete Stellungnahme sei nach dem Muster „Ja, aber“ verfasst, sagte er am Montag im Gespräch mit dieser Redaktion.
SPD-Ortschef Mühlenfeld: Parteiausschluss nicht das vorrangige Ziel
Schröder stehe gerade als ehemaliger Bundeskanzler in besonderer Verantwortung, so Mühlenfeld mit Verweis auf den Amtseid, mit dem Schröder seinerzeit versichert habe, alles dafür zu tun, jeglichen Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Mittlerweile sei der Altkanzler „gewissermaßen zum Lobbyisten einer fremden Macht geworden“, die mit ihrer Außen- und Sicherheitspolitik spätestens seit der Annexion der Krim 2014 nicht mehr als Partner und Freund von Deutschland und der Nato agiere. Für verschiedene Hackangriffe auf staatliche Einrichtungen sei mutmaßlich Russland verantwortlich, ebenso für die „finanzielle Unterstützung verfassungsfeindlicher Kräfte wie der AfD“.
Mit einer Berufung vor einer weiteren Schiedskommission hofft Mühlenfeld mit diesen Argumenten zu einem anderen Urteil über Gerhard Schröders Wirken zu kommen. Der Ortsvereinsvorsitzende aus Mülheim wäre schon zufrieden, wenn die Kommission eine Rüge gegen Schröder ausspreche und seine Mitgliedsrechte für eine gewisse Zeit einschränke. Ein Parteiausschluss sei nicht das vorrangige Ziel, so Mühlenfeld. Es gehe in erster Linie darum, innerparteilich Schröders „Fehlverhalten“ festzustellen und zu sanktionieren. (mit dpa)