Mülheim. Die „Weißen Nächte“ unter dem Titel „Retour Natur“ im Mülheimer Raffelbergpark fahren ab dem 13. August ein vielseitiges Open-Air-Programm auf.

Es fühlt sich in Corona-Zeiten schon fast paradox an: Mit den „Weißen Nächten“ im Mülheimer Raffelbergpark gibt es tatsächlich ein Festival, das nicht abgesagt oder abgespeckt, sondern im Vergleich zu früheren Ausgaben gar erweitert und inhaltlich vielfältiger als früher ausgerichtet wird. Aus einem langen Wochenende mit vier Tagen wie in den Vorjahren werden mehr als zwei Wochen. Vom 13. bis 28. August steht auf der großen Open-Air-Fläche im historischen Park am Theater an der Ruhr alles unter dem Motto „Retour Natur“.

Für die Wahl des den einzelnen Programmpunkten übergeordneten Themas gibt es gute Gründe, wie Sven Schlötcke, Mitglied der Künstlerischen Leitung des Theaters, darlegt: „Die Erfahrungen der vergangenen Monate zeigen uns, dass es so nicht weitergehen kann. Wir müssen was aus den aktuellen Krisen mitnehmen und nicht einfach weitermachen wie bisher, zum Beispiel noch kreativer das Verhältnis zwischen Menschen und Natur befragen.“

„Onkel Wanja“: Alter Theatertext, neues Stück

Als Ausgangspunkt für das Festivalkonzept diente der Theatertext „Onkel Wanja“ des russischen Schriftstellers Anton Tschechow, der schon 1896 eine Klimakrise prophezeite. „Die Wälder verschwinden, die Flüsse trocknen aus, die Tierwelt stirbt, das Klima verschlechtert sich und die Erde wird immer ärmer und hässlicher“, heißt es darin. Regisseur Philipp Preuss präsentiert im Rahmen der „Weißen Nächte“ die Premiere seiner Fassung „Onkel Wanja. Into The Trees“. Das Publikum erlebt die neun Aufführungen, bei denen die Theaterfassade zur Projektionsfläche wird, per Kopfhörer.

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Tastenvirtuose: Martin Kohlstedt stellte das musikalische Programm der „Weißen Nächte“ zusammen und spielt selbst zwei Konzerte.
Tastenvirtuose: Martin Kohlstedt stellte das musikalische Programm der „Weißen Nächte“ zusammen und spielt selbst zwei Konzerte. © THEATER AN DER RUHR | J. Konrad Schmidt (BFF Professional)

Für das musikalische Programm zeichnet derweil Martin Kohlstedt verantwortlich, der auch zwei Live-Konzerte spielen wird (13.+27.8.). Den international renommierten Pianisten haben die Verantwortlichen bewusst ausgesucht, wie Sven Schlötcke erklärt: „Er ist ein toller, virtuoser Performer. Seine Konzerte sind nie gleich, daher spielt er auch gleich zwei Shows. Zudem ist er ein sehr naturverbundener Mensch, hat ein Waldstück erworben, das er aufforstet. Diese Naturverbundenheit spricht auch aus seiner Musik.“

Zusammenspiel von Klassik und Elektronik

Kohlstedt versammelt im Programm verschiedene musikalische Wegbegleiter wie die Electropopper Hundreds (15.8.), die Singer/Songwriterin Lùisa (19.8.) und das schweizerisch-deutsche Duo Ätna (14.8.), das mit seiner ungewöhnlichen Schlagzeug-Keyboard-Gesang-Kombination bereits die Besucher des renommierten Montreux Jazz Festival verblüffte.

Für politisch Interessierte dürfte der Besuch von Can Dündar von Interesse sein (22.8.). Der im deutschen Exil lebende türkische Journalist spricht mit Dramaturg und Theater-an-der-Ruhr-Gründer Helmut Schäfer über die autoritären Bewegungen in der Türkei, „die Natur- und Umweltpolitik des Landes wird aber auch Teil des Gesprächs sein“, ergänzt Schlötcke. Schäfer wird im Rahmen der sogenannten „Gedankengänge“ weitere anregende Talkrunden mit Gästen aus Kultur und Politik (u.a. dem Schriftsteller Navid Kermani) führen, bis zu 20 Besucher spazieren dabei mit den Diskutierenden durch den Raffelbergpark – hierfür ist eine Anmeldung vor Ort zwingend vonnöten, frühes Erscheinen also ratsam.

Vorabanmeldung erbeten

Generell gilt: Wer das Festival besuchen will, sollte vorab ein Tagesticket kaufen. Der Besuch ist in diesem Jahr nicht kostenlos. Für Empfänger der Grundsicherung bleibt der Besuch wie in den Vorjahren umsonst, alle anderen zahlen, was sie wollen oder können (je nach Wahl einen Betrag zwischen 5 und 100 Euro) oder nehmen gleich ein Ticket für den Normalpreis von 25 Euro.

„Onkel Wanja. Into The Trees“ befasst sich mit der Klimakrise.
„Onkel Wanja. Into The Trees“ befasst sich mit der Klimakrise. © THEATER AN DER RUHR | K. Keller

Zusätzlich zu den Bühnenaufführungen wird jeden Tag ein Programm aus Ausstellungen, Rundgängen und Poetry-Slams (unter anderem mit den in der Slam-Szene bekannten Bas Böttcher und Jule Weber) geboten. „Wir bitten nur ausdrücklich darum, sich für geplante Besuche vorab anzumelden, um die zwingend erforderliche Datenerfassung für uns alle entspannter zu gestalten“, sagt Sven Schlötcke, eine Abendkasse für Kurzentschlossene gibt es allerdings. Der Sitzplan im Schachbrettmuster garantiert die Einhaltung aller Mindestabstände, eine Maskenpflicht am Platz oder auf den Gehwegen gilt zurzeit nicht – Änderungen vorbehalten.

Tickets und weitere Infos zum Programm gibt’s auf weisse-naechte.theater-an-der-ruhr.de oder telefonisch unter 0208/5990188.