Mülheim. 30 Grad und mehr: Der Mülheimer Chef-Kardiologe Hamza Ademi warnt vor Risiken bis hin zum Herzinfarkt. Warum literweise Wasser nicht reicht.

Der Sommer ist noch nicht zu Ende – es ist wieder richtig heiß. Gerade für ältere Menschen, vor allem für Herzpatienten, ist das riskant. Hamza Ademi, einer der beiden Chef-Kardiologen am Evangelischen Krankenhaus Mülheim (EKM), hat an den Hitzetagen im Juli einige von ihnen notfallmäßig gesehen. Er möchte noch einmal warnen.

In den vergangenen Wochen, bei teilweise tropischen Temperaturen, seien deutlich mehr dehydrierte Patienten in die Notaufnahme gekommen, berichtet Ademi. Er schätzt, dass es 20 bis 30 Prozent mehr waren. Vor allem ältere Menschen über 65 Jahren seien betroffen. „Viele kommen dann über den Rettungsdienst. Oft rufen Frauen für ihre Männer den Notarzt.“

Mülheimer Kardiologe: Mehr Herzinfarkte in den vergangenen Wochen

Der menschliche Körper versuche, durch Ausgleich mit der Umgebung seine optimale Temperatur um die 37 Grad aufrechtzuerhalten, erläutert der Kardiologe. „Wenn es zu kalt ist, verkrampfen die Gefäße, es kann sein, dass der Blutdruck hoch geht.“ Das Herzinfarktrisiko steigt, und besonders viele Herzinfarkte gibt es daher normalerweise in den Herbst- und Wintermonaten. „Doch auch wenn sehr heiß ist, gerät der Körper aus dem Gleichgewicht und geht dagegen an“, sagt Ademi. „Wir hatten auf unserer Station in den letzten Wochen mehr Herzinfarkte.“

Wenn jemand dehydriert ist, dem Körper also Wasser fehlt, schnellt der Blutdruck nicht hoch, sondern sackt ab. Haut und Schleimhäute trocknen aus, der Chefarzt nennt weitere häufige Symptome: „Müdigkeit, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Verwirrtheit. Im schlimmsten Fall sind die Patienten schon völlig apathisch, kaum noch ansprechbar.“

Dehydration betrifft vor allem ältere Menschen – „brandgefährlich“

Aus mehreren Gründen sind ältere Menschen häufiger betroffen: Sie leiden häufiger an Vorerkrankungen, haben oft ein reduziertes Durstgefühl, und auch der Temperaturaustausch funktioniert in höherem Alter weniger gut. Eigentlich ist all das bekannt, und dennoch gab es auch jetzt wieder die geschilderten Notfälle. Hamza Ademi warnt daher: „Gerade bei älteren Menschen: Wenn man das Gefühl hat, sie wirken müde, apathisch, verwirrt, müssen sie in die Klinik. Sonst wird es brandgefährlich.“

Hamza Ademi, Chefarzt der Kardiologie im Ev. Krankenhaus Mülheim, gibt Tipps für kommende heiße Tage.
Hamza Ademi, Chefarzt der Kardiologie im Ev. Krankenhaus Mülheim, gibt Tipps für kommende heiße Tage. © Unbekannt | EKM

Im Krankenhaus reicht dann keine kalte Cola, sondern die Betroffenen bekommen in der Regel Infusionen, um den Flüssigkeits- und Mineralienhaushalt wieder in Ordnung zu bringen. Die beste Vorbeugung ist daher: möglichst in kühlen Räumen bleiben, luftige Kleidung, leichtes Essen und bei Hitze deutlich mehr trinken.

Viel natriumreiche Getränke

„Es hilft aber nicht, fünf Liter Leitungswasser zu trinken“, so der Mülheimer Chefarzt, „denn der Körper verliert auch Salze.“ Man sollte darauf achten, natriumreiche Getränke zu sich zu nehmen, das kann auch Mineralwasser sein. Aber kein kochsalzarmes Wasser an heißen Tagen, „denn Natriumverlust kann lebensgefährlich sein“.

Todesfälle aufgrund der Sommerhitze 2022 hat der Chefarzt im EKM noch nicht erlebt. Wohl aber kardiologische Notfälle mit schwerem Verlauf.

Im Gegensatz zum Evangelischen Krankenhaus hat das Mülheimer St. Marien-Hospital (SMH) an den heißen Julitagen keine gesteigerte Anzahl an Notfällen verzeichnet. Eingeliefert aufgrund der Hitze wurden ausschließlich ältere, meist vielfach vorerkrankte Personen. Sie seien mit einer Dehydration (Symptomen von Flüssigkeitsmangel) oder gar einer „Exsikkose“ gekommen, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit, litten also unter gefährlicher körperlicher Austrocknung.

„Hitzeschutzplan“ im Mülheimer St. Marien-Hospital

Wenn es in den kommenden Tagen wieder heiß wird, müssen die Krankenhäuser auch auf ihre stationär liegenden Patientinnen und Patienten achten. Im SMH gilt nach eigener Auskunft seit Jahren ein „Hitzeschutzplan“, wonach nur in den Nachtstunden gelüftet werden darf. Tagsüber bleiben die Fenster zu und verdunkelt. An der Außenfassade sollen Hitzeschutz-Rollos angebracht werden. Besonders werde auf die Getränkeversorgung auf den Stationen geachtet.

Gleiches gilt im EKM: Dort gibt es an heißen Tagen zusätzliche „Wasserrunden“, bei denen die Kranken zum verstärkten Trinken animiert und die Wasservorräte auf den Zimmern gecheckt werden, teilt Sprecherin Silke Sauerwein mit. Einige Zimmer könnten mit Rollos abgedunkelt werden, „teilweise sind die Räume klimatisiert“.

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