Mülheim. Eine Räuberbande aus Düsseldorf treibt ihr Unwesen in Mülheim, ein Pfarrer zeigt sich wehrhaft: Eine Räuberpistole, die das Leben um 1800 schrieb.

Von wegen: Gute alte Zeit. Stefan Pätzold, Leiter des Stadtarchivs, und sein Historiker-Kollege, Dietrich Thier, erzählten jüngst ihren Zuhörern im Haus der Stadtgeschichte eine Räuberpistole, die das Leben um 1800 schrieb.

Im zweiten Jahrgang der Mülheimer Zeitung machte im April 1797 eine Räuberbande Schlagzeilen, die, von Düsseldorf kommend, den reformierten Pfarrer Johann Otto Pithan ausrauben wollte, aber nicht mit der Gegenwehr des Pfarrers und der tatkräftigen Unterstützung seiner Hausgenossen gerechnet hatte.

Mülheimer Pfarrer hatte nicht nur eine Bibel auf dem Nachtisch

Der Pfarrer hatte nicht nur eine Bibel auf dem Nachtisch, sondern auch ein Gewehr im Schlafzimmer, mit dem er das Feuer auf die Eindringe eröffnete. Auch seine Hausgenossen blieben nicht untätig. Sie riefen Gemeindemitglieder herbei und ließen sie die Glocken der Petrikirche läuten. Die Räuber kamen dennoch in den Besitz der irdischen Güter des Gottesmannes. Doch einer von ihnen ließ im Angesicht der anrückenden Gemeindemitglieder die im Bettbezug des Pfarrers verstaute Diebesbeute fallen.

Die Gangster kehrten an ihren Tatort zurück, um ihrer verlorenen Beute doch noch habhaft zu werden. Doch am Ende mussten sie sich der bürgerlichen Übermacht und den herbeigerufenen Soldaten ergeben. Letztere eskortierten die glücklosen Diebe nach Bochum, wo sie dem Ermittlungsrichter vorgeführt wurden.

Rückschau auf die Räuberei in Mülheim offenbarte harte Haftbedingungen

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Der Zufall wollte es, dass sich der 1745 in Mülheim geborene und 1770 als Arzt nach Bochum gekommene Karl Arnold Kortum damals im öffentlichen Dienst mit einer Verbesserung der Haftbedingungen befasste. Im Zuge seiner Untersuchung verordnete Kortum den Häftlingen eine Suppe aus Graupen, Kartoffeln und Hering. Die war nicht lecker, aber nahrhaft.

Die Rückschau auf die Räuberei an der Ruhr offenbarte harte Haftbedingungen. Im Gefängnis waren die Häftlinge in Ketten gelegt. Sie lagen nur auf einem Strohboden und mussten ihre Notdurft an Ort und Stelle verrichten. Da waren Krankheit und Tod im Gefängnis oft nur eine Frage der Zeit. Das wusste auch Kortum und wollte das ändern.

Ehemals leibeigene Bauern machten aus ihrer Not eine Untugend

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Dietrich Thier erklärte, dass auch das Räuberwesen im damals zu Westfalen gehörenden Mülheim eine Folge der Französischen Revolution war. Weil viele vormals leibeigene Bauern jetzt ihre Freiheit gewonnen, aber ihren adeligen Leibherrn und damit auch die soziale Sicherheit der alten grundherrlichen Gütergemeinschaft verloren hatten, machten manche von ihnen aus der Not eine Untugend und versuchten ihren Lebensunterhalt als Räuber zu bestreiten. Denn eine industrielle Arbeitsplatz-Alternative zur Landwirtschaft gab es damals noch nicht.