Mülheim. Erneuter Streik für Mülheimer Kitas und OGS. Was Verdi fordert und warum sich so viele Erziehende am Streik beteiligt haben. Wir haben gefragt.

Schrilles Pfeifen, dröhnende Lautsprecher und ein Stimmenmeer begleiten die Kundgebung auf dem Parkplatz an der Stadthalle Mülheim. Vor dem Hintergrund der laufenden Tarifverhandlungen rief die Gewerkschaft Verdi auch in Mülheim erneut zu einem Streik- und Aktionstag für Erzieherinnen und Erzieher, Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger, Sozialassistentinnen und Sozialassistenten sowie weitere Berufsgruppen aus Kindertagesstätten und Ganztagsschulen auf.

Mehrere Hundert Menschen, weit überwiegend Frauen, haben sich schon vor elf erneut zum Streik zusammengefunden. Die Gewerkschaft fordert generell bessere Arbeitsbedingungen. Doch was bedeuten die Forderungen für den Alltag von Erzieherinnen und Erziehern?

Mülheimer Kindergartenleiterin: „Satt und sicher sollte nicht ausreichen“

Tanja Ertugrul leitet die Kita Mandala in Speldorf.
Tanja Ertugrul leitet die Kita Mandala in Speldorf. © Vera Denkhaus

Tanja Ertugrul leitet die Kita Mandala in Speldorf. 2020 hat sie dort das Zepter übernommen, in einer Zeit, unter der besonders Erzieherinnen unter der Corona-Pandemie gelitten haben. Ihr Hauptproblem: die Belastung der Mitarbeitenden. Ein hoher Krankheitsstand, anstrengende Arbeit und Überstunden, die schwer abzubauen seien. „Ich trage eine Fürsorgepflicht, nicht nur den Kindern gegenüber, sondern auch meinen Mitarbeiterinnen.“

Ihr Gefühl: Viele würden aufgrund des Personalmangels ihren eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden. „Und wenn man seinen eigenen Ansprüchen nicht mehr genügen kann, wird man unglücklich. Satt und sicher sollte bei der Bildung von Kindern nicht ausreichen.“ Um den Aufgaben wirklich gerecht werden zu können, fordert auch sie mehr Personal.

Hauptforderung: Mehr Personal für Mülheimer Kitas

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Auch eine anbei stehende Kinderpflegerin erzählt anekdotisch von ihrem Arbeitsalltag. Normalerweise solle sie den Erzieherinnen zuarbeiten, doch die Personalnot sei so groß, dass sie auch alleine für eine Gruppe zuständig sei. Sie habe zwar ausreichend Erfahrung, aber würde so eine volle Erzieherinnenstelle kompensieren. Auch sie schließt: „Das wichtigste wäre mehr Personal.“

Ayse Aslan hat ihre Ausbildung beendet und arbeitet seitdem als Erzieherin. Sie vermisst in ihrem Beruf vor allem die Anerkennung. „Wir geben uns trotz der erschwerten Bedingungen große Mühe. Basteln, spielen, aber bei den Eltern kommt oft nichts an.“ Dabei würden trotz ihrer eigenen Vollzeitstelle manche Kinder mehr Zeit in der Kita verbringen als sie. „Die haben eine 45-Stunden-Woche, teilweise verbringe ich mehr Zeit mit den Kindern als die Eltern selbst.“

Mülheimer Erzieherin wünscht sich mehr Anerkennung

Kitaleiterin Christina Kamburg und Erzieherin Ayse Aslan demonstrieren gemeinsam.
Kitaleiterin Christina Kamburg und Erzieherin Ayse Aslan demonstrieren gemeinsam. © Vera Denkhaus

Das Zusammenspiel von Kita und Eltern bei Förderbedarfen oder Arztempfehlungen sei unbefriedigend. „Und manchmal rufen die Grundschulen an und fragen, warum die Kinder dies und jenes noch nicht können.“ Für Aufwand und Verantwortung sei das Gehalt zu wenig, was wiederum die Fachkräftenot verstärke. Doch das Gehalt stehe nicht einmal im Vordergrund. „Ich wünsche mir vor allem eine Entlastung im Berufsalltag und mehr Anerkennung für unsere Arbeit.“ Und die 24-Jährige blickt bei dem Streik auch auf ihre eigene Kindheit zurück. „Ich fand es früher selbst viel schöner“, erzählt sie.

Auch ihre Chefin Christina Kamburg, Leiterin der Tageseinrichtung für Kinder „Regenbogenland“ in Styrum, kämpft an ihrer Seite. „Wir haben mit ständiger Personalnot zu kämpfen, aktuell fehlen uns eineinhalb Stellen.“ Als Leiterin sei sie vor allem für administrative Aufgaben zuständig, aber: „Ich stehe fast jeden Tag in einer Gruppe.“ Sie fordert bessere Arbeitsbedingungen, um den Beruf attraktiver zu machen. „Man braucht mittlerweile Abitur für die Ausbildung, verdient dann aber kein gutes Geld. Ansprechend ist das nicht!“

Mülheimer Kitas brauchen mehr Geld für Fachkräfte

Ihrem Arbeitgeber, der Stadt Mülheim, mache sie derweil keinen Vorwurf. „Die Stadt hat ihre Vorgaben“, so Kamburg. Daher sei der Streik umso wichtiger. „Wir brauchen mehr Geld für Fachkräfte, einen besseren Freizeitausgleich und mehr Anerkennung.“ Forderungen, für die die Streikenden anschließend durch Mülheim zogen.

Was die Gewerkschaft fordert

Die Gewerkschaft fordert angesichts der angespannten Situation in den Einrichtungen etwa bessere Arbeitsbedingungen, Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel und die finanzielle Anerkennung der Arbeit der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst.

Bislang, so Verdi, seien die Verhandlungen ergebnislos verlaufen.

„Es klemmt stark beim Personal, der Fachkräftemangel spitzt sich zu und wird sich beim kommenden OGS-Rechtsanspruch noch verschärfen“, verdeutlichte Daniela Heimann, Vorsitzende des Mülheimer Stadtelternrats, im Vorfeld.