Mülheim. „Es wird immer gesagt, der Bedarf sei gedeckt. Aber das stimmt nicht. Unser Lager ist leer“, sagt ein Edeka-Mitarbeiter aus Mülheim. Warum?
Wer Speiseöl und Mehl in Mülheim ergattern möchte, hat zwei Optionen: Frühmorgens vor dem Supermarkt warten und hereinstürmen, sobald sich die Türen öffnen - oder eine Rundreise quer durch die Stadt machen und alle Läden abklappern. Wobei die zweite Möglichkeit mit sehr viel Glück verbunden ist, denn beide Produkte sind zurzeit Mangelware. In Zukunft könnten noch mehr Artikel betroffen sein - aus mehreren Gründen.
Allgemein lässt sich festhalten: „Die Ursache unterscheidet sich von Produkt zu Produkt.“ Das weiß Marc Heistermann als Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Ruhr. Während Sonnenblumenöl in direktem Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg stehe, gebe es bei anderen Produkten ganz andere Ursachen.
Die Bestände in den Supermärkten in Mülheim leeren sich
Fakt ist: Manche Regale sind komplett leer gefegt, andere sind nicht so gefüllt wie sonst üblich. „Eine Verbesserung ist nicht in Sicht, eher im Gegenteil“, sagt Lukas Schwebig. Er ist stellvertretender Marktleiter bei Edeka Schroers in Mülheim-Holthausen. Massig Produkte würden nicht mehr geliefert werden. „Nicht nur Öl und Mehl. Durch die Bank weg sind alle Abteilungen betroffen.“
Gründe dafür kennt er nicht. Im Bestellsystem gebe es bei vielen Produkten nur den Hinweis: „Längerfristig nicht lieferbar“. Vor ein paar Tagen hätte er endlich 50 Flaschen Sonnenblumenöl bekommen. Trotz Abgabe-Begrenzung seien sie nach wenigen Stunden vergriffen gewesen. „Es wird immer gesagt, der Bedarf sei gedeckt. Aber das stimmt nicht. Unsere Lager sind leer und es kommt nichts nach“, erzählt Schwebig und klingt ein wenig verzweifelt.
Gründe für die Produktknappheit sind nicht nur Ukraine-Krieg oder Corona
Welche Gründe gibt es dafür? So einfach die Frage klingt, die exakte Beantwortung ist schwer und die Liste lang: Sonnenblumenöl wird hauptsächlich aus der Ukraine importiert. Die Lieferungen sind durch den russischen Angriff gestoppt, die Häfen geschlossen worden. Mehl wird in Deutschland produziert, aber die letzte Ernte blieb hinter den Erwartungen zurück.
Bei anderen Artikeln im Sortiment gibt es folgende Ursachen: Die Produktion und Lieferketten werden durch die Corona-Pandemie auf die Probe gestellt: Viele Mitarbeitende fallen wegen Quarantäne aus. Bei Speditionen kommen die hohen Spritpreise erschwerend hinzu. Ob auch Hamsterkäufe eine Ursache sind?
„Nein, auch wenn es immer so dargestellt wird. Von Hamsterkäufen kann man nicht sprechen. Oder stellen Sie sich 50 Liter Öl in den Keller?“, sagt ein Rewe-Leiter aus Mülheim. Er möchte seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen. Außerdem seien auch Produkte betroffen, die weder etwas mit dem Ukraine-Krieg noch mit der Corona-Pandemie zu tun hätten. Zum Beispiel würde auch keine Pepsi mehr geliefert werden, sagt er.
Ein weiteres Problem: Lange Verhandlungen zwischen Herstellern und Supermärkten
Das bestätigt Falk Paschmann, Inhaber von einigen Edeka-Märkten in Mülheim. Wegen hoher Energiekosten bei der Herstellung und dem Rohstoffmangel würden PET-Flaschen auch in seinen Filialen knapp werden. Seine Lehre aus der Situation: Lieferketten sind nicht selbstverständlich. „Wer weiß, was morgen für Probleme auf uns zukommen und welche Produkte dann fehlen, die wir uns jetzt noch nicht vorstellen können.“
Die Supermarkt-Leiter nennen noch einen weiteren Grund: Verhandlungen mit Herstellern und Lieferanten. Wegen steigender Preise würde man sich zum Teil nicht einig werden, wodurch sich die Gespräche in die Länge ziehen. Jede Kette kämpft um Marktanteile, und die Einkaufspreise entscheiden über Konkurrenzfähigkeit. „Alle versuchen, an Produkte zu kommen und Alternativen zu suchen“, weiß Marc Heistermann vom Handelsverband Ruhr.
Der Geschäftsführer möchte Verbraucherinnen und Verbraucher aber beruhigen: „Wir steuern nicht in eine Hungersnot. Dieser Gedanke ist völlig absurd. Wir werden es nach wie vor hinkriegen, den Bedarf aufrechtzuerhalten.“ Ob das der anonyme Rewe-Leiter auch so sieht? „Das ist Interpretationssache. Wenn man 100 Flaschen Öl braucht, ist der Bedarf nicht gedeckt. Das einzig Gute: Wir lernen, dass Ressourcen nicht unendlich sind.“