Mülheim/Düsseldorf. Das Theatermuseum Düsseldorf widmet dem Theater an der Ruhr eine Ausstellung zum 40-Jährigen. Elisabeth Strauß setzt beim Konzept auf alle Sinne.

40 Jahre Theater an der Ruhr (TaR) – für Kuratorin Elisabeth Strauß war es keine leichte Aufgabe, die Geschichte der einzigartigen, international renommierten Bühne in einer Ausstellung lebendig zu machen. Sie sichtete rund 120 Stunden Film, die Fotografien sämtlicher Aufführungen und etliche Zeichnungen, suchte nach Kostümen oder Requisiten und kam schnell zu dem Schluss: „Mit einer herkömmlichen Präsentation wird man diesem Theater nicht gerecht.“

Die Ausstellung „Man muss sich an morgen erinnern - 40 Jahre Theater an der Ruhr“, die das Theatermuseum im Hofgärtnerhaus in Düsseldorf vom 23. April bis 24. Juli zeigt, ist daher kein chronologisch angelegter Rückblick, sondern ein sinnliches Erlebnis. Die künstlerische Vision von Elisabeth Strauß ist es, die Geschichte und die ästhetische Besonderheit des TaR auf unterschiedliche Weise spürbar zu machen – in einer „multimedialen Installation“. Die freischaffende Kostüm- und Bühnenbildnerin ist Insiderin. Sie hat von 1984 bis 1991 am Theater an der Ruhr gearbeitet und ist seit 2011 wieder an vielen Produktionen beteiligt gewesen.

40-Jähriges war eigentlich schon im letzten Jahr in Mülheim

Bilder aus Stücken, die das Theater an der Ruhr in Mülheim im Laufe von 40 Jahren gezeigt hat.
Bilder aus Stücken, die das Theater an der Ruhr in Mülheim im Laufe von 40 Jahren gezeigt hat. © Unbekannt | Achim Kukulies

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Eine Zwischennotiz: Von „40 Jahre Theater an der Ruhr“ kann man eigentlich gar nicht mehr sprechen. Die Ausstellung hätte schon im letzten Jahr stattfinden sollen, wurde wegen der Corona-Pandemie aber verschoben. Streng genommen ist es also schon 41 Jahre her, dass Roberto Ciulli, Helmut Schäfer und Gralf-Edzard Habben (der Bühnenbildner starb 2018) gegründet haben. „Wir wollten damals nicht mehr in die einengenden Strukturen eines großen städtischen Theaterbetriebes eingebunden sein, sondern ein kleines künstlerisches Ensemble entwickeln, das gemeinsam und lebendig Kunst machen sollte“, sagt Helmut Schäfer.

Hinzu kam, dass man den interkulturellen Austausch suchte. Wo das Theater überall hinreiste seit 1981 ist in der Ausstellung auf einer großen Weltkarte verzeichnet. Gastspiele führten nach Südamerika oder in die Länder entlang der Seidenstraße. Fotoreihen in der Ausstellung - zum Beispiel zur Reise nach Ecuador - machen deutlich, wie spannend und fruchtbar diese Begegnungen waren.

Mülheimer Schau bietet Fotografien, Bühnenbildmodelle, Kostüme, Film-Dokus

In fünf Räumen kann man im Theatermuseum dem Spirit des Theaters an der Ruhr nachspüren. Die Schau umfasst dabei die unterschiedlichsten Exponate - von Fotografien, über Filmdokumentationen, Bühnenbildmodelle bis zu Figurinen. Zum Rundgang bekommt man einen Flyer mit ausführlichen Informationen zu jedem Ausstellungsstück. In der Schau selbst wird auf Titel oder erklärende Tafeln verzichtet. Sie setzt auf einen „bildstarken Kosmos“, wie es Museumsleiter Sascha Förster nennt.

Die ausgewählten Fotografien zeigen Szenen aus den zumeist sehr bildgewaltigen Stücken, die von 1981 bis heute auf der Bühne des TaR Premiere feierten. Los geht es im raffiniert ausgeleuchteten Raum 1, den Elisabeth Strauß als das „Bildgedächtnis des Theaters“ bezeichnet. Der Besucher ist umgeben von drei Wänden mit 54 stark vergrößerten Fotografien aus 40 Aufführungen. Wer das TaR regelmäßig besucht, wird sich an Inszenierungen erinnern. In der Mitte des Raums: ein Bühnenbildmodell von Gralf-Edzard Habben für „Der kroatische Faust“ (1987).

Hommage an Mülheimer Kostümbildner Klaus Arzberger

Fünf Vorträge mit prominenten Gästen

Fünf Vorträge mit interessanten und prominenten Referenten kann man im Rahmenprogramm der Ausstellung besuchen.Der Berliner Wissenschaftler Dr. Jonas Tinius (Humboldt-Universität) hält am Mittwoch, 11. Mai, um 19 Uhr im Theatermuseum einen Vortrag zu seiner anthropologischen Forschung zum Theater an der Ruhr.An vier Sonntagen lädt Roberto Ciulli zu Gesprächen mit verschiedenen Gästen ins Kleine Haus des Düsseldorfer Schauspielhauses ein.Um „Theater und Religion“ geht es am 24. Mai um 19.30 Uhr mit dem vielfach ausgezeichneten deutsch-iranischen Autor Navid Kermani.„Haupt und Nebenwege“ heißt das Thema am 31. Mai um 19.30 Uhr. Zu Gast ist der designierte Leiter der Berliner Festspiele, der Dramaturg und Theaterkritiker Matthias Pees.Der türkische Journalist Can Dündar – in der Türkei in Abwesenheit wegen Spionage zu langer Haft verurteilt – wird am 8. Juni ab 19.30 Uhr mit Ciulli über „Hin und Zurück - Europa und die Türkei“ sprechen.Am 12. Juni um 11 Uhr geht es um „Kulturpolitik und Krise“. Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien, und Intendant Wilfried Schulz (Dü) werden erwartet.

In Raum 2 finden sich neben der Weltkarte historische Dokumentationen, Fernsehberichte und Kunstfilme, die man anschauen und über Kopfhörer mitverfolgen kann. Raum 3 ist dem schon 1993 verstorbenen Kostümbildner Klaus Arzberger. „Er hat die Ästhetik des Theaters an der Ruhr wesentlich mitgeprägt“, so Elisabeth Strauß. Wunderschöne Zeichnungen von Figuren in ihren Kostümen (Figurinen) hat die Kuratorin in der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Uni Köln finden können - etwa zu den „Drei Schwestern (1991).

In Raum 4 kann man dann Original-Kostüme anschauen – darunter ein feines weißes Kleid, das in der ersten „Lulu“-Inszenierung 1981 zum Einsatz kam. „Es ist das älteste Überbleibsel aus dem Fundus, sozusagen das Gründungskleid“, so Strauß. Zudem gibt es Hörvitrinen – mit den Originalstimmen von Schauspielern.

Das älteste Kostüm im Fundus: Das weiße Kleid (l.) wurde in der ersten „Lulu“-Inszenierung (1981) des Theaters an der Ruhr (Mülheim) verwendet. Es ist derzeit im Theatermuseum in Düsseldorf zu sehen.
Das älteste Kostüm im Fundus: Das weiße Kleid (l.) wurde in der ersten „Lulu“-Inszenierung (1981) des Theaters an der Ruhr (Mülheim) verwendet. Es ist derzeit im Theatermuseum in Düsseldorf zu sehen. © Unbekannt | Achim Kukulies

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Zum Abschluss, in Raum 5, kommt man zum „Herzstück“ der Ausstellung – einem großen, fast transparenten Kubus, auf den Filmsequenzen aus 27 Stücken projiziert werden. Das italienische Kollektiv Anagoor, das schon öfter für das Theater an der Ruhr Stücke entwickelt hat, hat die Splitter assoziativ verbunden zu einem rund einstündigen Bilderrausch.

In die Musik wurden auch Original-Geräusche und -Klänge aus Stücken integriert. Die Videoinstallation ist sogar begehbar, der Betrachter taucht im Innern des Kubus ganz in die Szenerie ein, fühlt sich, als wäre er selbst auf der Bühne und Teil des Theaters.

Einen Katalog zur Ausstellung mit vielen Fotografien, aber auch lyrischen Texten und Beiträgen zur Geschichte und Gegenwart des Theaters an der Ruhr kann man für 25 Euro im Museum oder im TaR in Mülheim erwerben.