Mülheim/R. Im Theater an der Ruhr brachte das Kollektiv Anagoor Anselm Nefts Roman „Vom Licht“ zur Uraufführung. starker Beifall für Regieteam und Ensemble.
Nichts sieht hier nach einer Katastrophe aus. Der harm- und letztlich sinnlose Heuhaufen nicht, der beinah putinesk lange Tisch und die Bänke aus unbehandeltem Holz noch weniger. Karg lebt die vierköpfige Familie in der Einsamkeit oberösterreichischer Berge, das Menetekel einer Sintflut steht am Anfang. Das einfache Leben fern von Ablenkung und Abhängigkeiten soll aus Adam (!) und Manda bessere Menschen machen, Valentin und Norea, die weniger aus Liebe denn für dieses Projekt zusammenkamen, haben sie aus dem Kinderheim geholt – zu viel Rauschen des Blutes und Zuneigung stören ja nur die pädagogische Rationalität.
Von den Kindern, die Adam und Manda einmal waren, sind nur noch Puppen übrig. Sie tragen sie fürsorglich mit sich herum, ihre kreatürliche Lebensfreude ist fast abgestorben. Die Sehnsucht danach ventiliert Manda, als sie ihren Überdruss am ewigen Kürbis herauslässt, der von Suppe und Gulasch bis zum Soufflé in unzähligen Varianten täglich auf den Tisch dieses rauen Hauses kommt. Und wenn die religiös-philosophische Aufklärung der Versuchspersonen in Sätze mündet wie „Die Freiheit könnte da beginnen wo die Wörter nicht mehr hinreichen“, dann bleibt auch das reine Theorie.
Simone Derai führt Regie, Mauro Martinuz besorgt Musik und Sound
Der Kältetod, mehr oder minder von eigener Hand, ist die beinah unausweichliche Konsequenz einer solch unaufgeklärten Aufklärung in einer Körper- und Gefühlsvergessenheit, die von Schönheit als Inkarnation des Anderen nicht einmal weiß, geschweige denn ihre Erfahrung macht. Fataler Fundamentalismus, das wird hier überdeutlich, ist kein Privileg von Religionen.
Das reicht bis in die freudlos abgehärmten Kostüme (Simone Derai/Katharina Lautsch) der Uraufführung des Romans „Vom Licht“ als Bühnenversion in der Regie von Simone Derai durch das Kollektiv Anagoor, das vor einem Monat erst das Tacitus-Stück „Germania“ im Theater an der Ruhr zur Premiere gebracht hat. Die oft philosophierenden Wechselreden und Deklamationen in „Vom Licht“ werden durch teils massive Sounds zwischen Drohgeräusch und Minimalmusik (Mauro Martinuz) und finalen Foto-Sequenzen (Giulio Favotto) abgerundet, bisweilen aber auch überpointiert.
Leonar Hugger und Berit Vander als Jugendliche, Steffen Reuber und Dagmar Geppert als Eltern
Leonard Hugger und Berit Vander statten die Jugendlichen mit einer gelungenen Balance aus Vorwärtsdrang und Frühreife aus. Steffen Reuber gibt einen nur scheinbar grundgelassenen Vater mit geschickt verdeckten Abgründen, Dagmar Geppert eine vom Wissen schockgefrostete Mutter. Petra von der Beeks Schlussmonolog als ihre Wiedergängerin ist zwar intensiv, aber nicht ohne Redundanzen; und da die Inszenierung vor allem in stummen Szenen ein oft unnötiges Zeitlupentempo anschlägt, brauchte sie bei der Premiere weit über drei Stunden, um zum starken Schlussbeifall für Ensemble und Regieteam zu kommen.
Termine: 26. März, 9. und 10. April, Karten: Tel. 0208 / 0208 599 01 88 und www.theater-an-der-ruhr.de