Mülheim. In NRW ist die Maskenpflicht an Schulen aufgehoben worden. Was Lehrer, Schüler und Eltern in Mülheim davon halten. Eindrücke vor Ort.
In den vergangenen zwei Jahren saßen Schülerinnen und Schüler in Mülheim mit Maske im Unterricht. Am Montag ist die Pflicht in NRW weggefallen – fünf Tage vor den Osterferien. Ab sofort können landesweit rund 2,5 Millionen Kinder selbst entscheiden, ob sie den Mundschutz freiwillig aufziehen oder ob sie ihn im Tornister lassen. Das hat zur Folge, dass es nicht mehr nur die Angst vor der Ansteckung gibt.
Bis Freitag wird in den Schulen zwar weiterhin auf das Corona-Virus getestet. Nach den Ferien soll mit dieser Regel aber auch Schluss sein. „Ich verstehe die Logik nicht. Wir brauchen keine Maske mehr, aber sollen uns noch eine Woche testen? Das ist für mich ein großes Fragezeichen“, sagt Karin Tautges-Reinert. Sie ist Sekretärin an der Realschule Stadtmitte und kann zum Ende der Maskenpflicht nur mit dem Kopf schütteln. Seit Beginn der Pandemie rufen bei ihr tagtäglich Eltern an, die ihr Kind unter Quarantäne stellen müssen.
Schulleiterin in Mülheim hat zum freiwilligen Tragen der Maske aufgerufen
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Ähnlich sieht es Sabine Dilbat. Die Schulleiterin der Realschule Stadtmitte hat am vergangenen Freitag deshalb einen Brief an die Eltern verschickt – mit der dringenden Bitte, die Maske zumindest in dieser Woche noch zu tragen. Sie hätte sich gewünscht, dass die Pflicht noch länger greift. Laut NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer ist dazu aber die bundesrechtliche Grundlage entfallen und eine schulinterne Tragepflicht wurde untersagt.
„Ich blicke darauf mit gemischten Gefühlen. Wenn 30 Kinder eng nebeneinandersitzen in einem Klassenzimmer ohne Luftfilter, dann ist die Gefahr hoch, dass sich alle infizieren“, sagt die Schulleiterin. Dieser Ansicht sind auch die Lehrkräfte. Britt Katzer findet die Entscheidung der Bundesregierung nicht richtig. „Es ist zu früh. Die Zahlen sind viel zu hoch.“
Ein Großteil der Schülerinnen und Schüler in Mülheim trägt die Maske weiterhin
Lehrer Tim Kundt macht sich ebenfalls Sorgen. „Wir wollen alle in den Ferien in den Urlaub oder unsere Familie besuchen und die freie Zeit nicht in Quarantäne verbringen. Ich habe Angst, dass sich danach alle nach und nach infizieren und wir den Schulbetrieb nicht mehr aufrechterhalten können.“ In seiner siebten Klasse sind am ersten Tag nur zwei von 28 Kindern ohne Maske zum Unterricht erschienen.
Auch sonst fällt auf: Der Großteil der Schülerinnen und Schüler an der Realschule Stadtmitte trägt eine Maske. So auch Hannah Wildoer. Die 14-Jährige hat keine Lust, sich kurz vor den Ferien anzustecken und auch danach möchte sie den Mundschutz beibehalten. Ihr Vater, Andreas Wildoer, ist Schulpflegschaftsvorsitzender und fühlt sich im Stich gelassen. „Ich habe das Gefühl, das ist eine kontrollierte Durchseuchung. Zwei Jahre lang hat die Bundesregierung dem Schulalltag Restriktionen auferlegt. Jetzt plötzlich nicht mehr.“
Betroffene an den Schulen in Mülheim: Zwischen Aufatmen und Angst
Am Berufskolleg Stadtmitte sieht das Bild ähnlich aus. Auch hier hat die Schule im Vorfeld appelliert, bis zu den Ferien freiwillig an der Schutzmaßnahme festzuhalten. Schaut man sich in den Klassen und auf dem Pausenhof um, kommen fast alle der Bitte nach. Lehrerin Stefanie Merz ist zwiegespalten. Einerseits würden viele aufatmen und es sei eine Erleichterung, wenn man die Mimik beim Sprechen sieht.
„Andererseits habe ich Angst, dass die Ansteckungen um sich schlagen und viele Lehrkräfte ausfallen. Wir haben sowieso schon einen hohen Krankenstand“, sagt die Lehrerin. Noch trägt sie die Maske freiwillig. Nach den Ferien auch? „Keine Ahnung. Darüber habe ich mir bisher keine Gedanken gemacht.“
Zur Angst vor der Ansteckung kommt auch die Angst vor dem Mobbing
Die Meinung der Schülerinnen und Schüler ist dahingegen eindeutig: Sie wollen die Maske auch nach den Ferien tragen. „Natürlich sind acht Stunden Unterricht damit nicht angenehm. Viele von uns haben sich auch noch nie ohne Mundschutz kennengelernt. Aber wir arbeiten mit Kindern und wollen uns und andere schützen. Nur weil die Regel wegfällt, heißt das ja nicht, dass das Virus auch weg ist“, sagen Laura Gerding und Alexa Stengel, die eine Erzieherausbildung am Berufskolleg Stadtmitte machen.
In ihrer Klasse sitzt nur eine Schülerin ohne Maske. Sie sagt selbst, dass sie sich dadurch zum „Sonderling“ mache. „Ich habe auch meinen Söhnen gesagt, dass sie den Mundschutz nicht mehr aufziehen müssen in der Schule. Vielleicht ändere ich meine Meinung, wenn ich mich in zwei Tagen angesteckt haben sollte. Aber jetzt gerade genieße ich diese Freiheit“, so Melanie Henrichs.
Schülersprecherin Zoe Stumpf kann dieses Argument verstehen. „Jeder muss das für sich selbst entscheiden. Ich habe aber Angst, dass es dadurch zu mehr Differenzen und Mobbing kommt“, sagt die 24-Jährige. Wie sich die Lage nach den Ferien entwickelt, bleibe abzuwarten.
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