Mülheim. Das Kunstmuseum ehrt das Schaffen der Mülheimerin Ursula Hirsch. Zu sehen sind sehr persönliche, bewegende Positionen. Vernissage am Sonntag.
Es sind hastig skizzierte Gesichter, die Ursula Hirsch auf unsagbare Verbrechen schauen lässt. Expressiv, verzerrt, die Hände vor das Gesicht geschlagen: „Nur nicht hinsehen.“ Doch Hirsch schaut hin. Die Mülheimer Künstlerin hat ihre Kindheit - die Nazi-Verbrechen der Pogromnacht - in starken Collagen aus Zeichnungen und Pressetexten und Fotos aufgearbeitet, aber auch die Alltagshetze gegen jüdische Menschen. Ihre Serie und mehr sind nun im Kunstmuseum Temporär an der Schloßstraße zu sehen: „Vor aller Augen.“
Das Besondere: Hirsch ist dabei auch gegenüber sich selbst schonungslos, arbeitet die eigene Indoktrination durch das Nazi-Regime ihrer Kindheit mit auf, ihre eigene (Mit-)Täterschaft. Ihre Collagen bestürzen, erzeugen Scham – und lassen gleichsam durch den historischen Spiegel auf die Wirkungsmechanismen von Propaganda blicken, wie sie aktuell wieder hochvirulent ist.
Ausstellung führt durch Fülle sehr persönlicher Positionen der Künstlerin Hirsch
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Doch das ist längst nicht alles, was Museumsleiterin Beate Reese aus einer großzügigen Schenkung der inzwischen über 90-jährigen Künstlerin zu einem äußerst aufschlussreichen Tableau zusammengetragen hat. In den 70er Jahren kam sie mit ihrem Partner, dem Bildhauer Werner Graeff, nach Mülheim. Ihre abstrakten Glasgestaltungen etwa an der Speldorfer Katharinenschule oder auch an der Essener BMV-Schule fertigte die gelernte Glasmalerin noch unter dem Namen Ursula Graeff-Hirsch an.
Geprägt sind ihre künstlerischen Arbeiten anfänglich noch stark von der abstrakten Moderne, doch zunehmend erweitert sie ihre Kompositionen aus Linien und geometrischen Figuren mit Fotos, Zeichnungen und Sprache zu vielschichtigen Collagen, die etwas über die Kunst hinaus erzählen wollen.
„Vor aller Augen“ zeigt diese Entwicklungen und führt entsprechend durch eine Fülle von sehr persönlichen Positionen. So zeigt die Ausstellung Hirsch’ Porträtierung der Mülheimer Schauspielerin Maria Neumann wie auch Illustrationen von Produktionen am Theater an der Ruhr, die die Künstlerin etwa zu Ciullis Adaption von „Kaspar“ erstellte.
Mülheimer Museumsleiterin Reese: „Späte Arbeiten sind eine Entdeckung“
Auch Künstler van Gogh – seine bis zur Selbstzerstörung schonungslose Leidenschaft zur Kunst – beschäftigte Hirsch. Gerade „ihre späten Arbeiten sind eine Entdeckung“, bekräftigt Museumsleiterin Beate Reese.
Die Ausstellung „Ursula Hirsch: Vor aller Augen“ startet am Dienstag, 15. März, im Museum Temporär an der Schloßstraße 28. Bereits am Sonntag, 13. März, beginnt die Vernissage um 11 Uhr. Führungen und Infos: kunstmuseum-muelheim.de.