Mülheim. . Mit 87 Jahren ist Ursula Hirsch die älteste Mülheimer Künstlerin. In der Galerie 46, der Bilderrahmenwerkstatt Vogt, sind Werke aus fünf Jahrzehnten zu sehen.
Ans Aufhören denkt sie noch nicht. „Die Leidenschaft ist noch da“, sagt Ursula Hirsch und der Humor, ohne den ihre Arbeit nicht zu denken wäre, ebenso. Wer mit der 87-Jährigen spricht, die seit 60 Jahren künstlerisch tätig ist, kann viel lachen und staunen. „Es wird aber alles langsamer, die Formate werden kleiner und die Arbeitsphasen werden seltener“, erzählt die älteste Künstlerin der Stadt, deren Arbeiten bis zum 25. Februar in der Galerie 46 zu sehen sind. Sie glaubt schon, dass das ihre letzte Einzelausstellung sein wird, aber an der Jahresausstellung der Mülheimer Künstler im Kunstmuseum will sie sich weiterhin beteiligen – schon alleine aus Interesse an den Arbeiten ihrer Kollegen.
Die Neugier, die Lust auf Neues und Veränderungen halten sie innerlich jung. „Wenn nur das Vergessen nicht wäre“, klagt sie. Und wer sich die Arbeiten anschaut, staunt über die Vielfalt der Stile und Techniken. „Ja, ich bin auch überrascht, was ich alles gemacht hat“, sagt sie mit einem Schmunzeln. Michael und Susanne Strauch, die die Bilderrahmenwerkstatt betreiben, hätten die Auswahl weitgehend selbst aus den Grafikschränken und ihrem Depot mit den größeren Gemälden vorgenommen. Die Werkstattatmosphäre begeistert die Künstlerin. Es wirkt lebendig, hat nichts Museales. Und beim Fototermin findet sie die Spiegelung auf dem Glas des Kunstwerkes, die die Fotografin zu vermeiden versucht, gerade spannend.
Gegenständliches steht neben Abstrakten, Konstruktivistisches neben witzigen Figuren, die in ihrer Reduzierung schon fast wie ein Comic erscheinen. Sie arbeitet mit Öl, zeichnet und macht Collagen. „Born in Düsseldorf“ heißt eine Collage, auf der einige Gebäudefragmente aus der Landeshauptstadt zu sehen sind, von Mülheim gibt es ein ähnliche Arbeit. Sie zeigt den Eingang des Kunstmuseums, das damals noch an der Leineweberstraße war, das Stadtbad, Schloß Broich. „Man kann aber immer gut erkennen, dass das von dir ist“, sagt Künstlerfreundin Gabriela Klages, die beim Hängen hilft.
„Wenn man die ganze Zeit nur abstrakt arbeitet, kann man irgendwann nicht mehr locker zeichnen“, erzählt Hirsch. Das beste Mittel dagegen seien Aktzeichnungen, was sie, da war sie schon längst eine etablierte Künstlerin und mit dem Bauhauskünstler Werner Graeff verheiratet, erfolgreich betrieben habe. Dessen Freiheit und Kühnheit hat sie bewundert.
Angefangen hat sie als Glasmalerin, hat zahlreiche Kirchen und öffentliche Gebäude mit ihren abstrakten Fenstern ausgestattet. Sie kam zum rechten Zeitpunkt, machte sich Mitte der 50er Jahre, zu Beginn des Baubooms, selbstständig, der 20 Jahre anhielt. Magere Zeiten folgten. Krisen findet sie nicht so schlimm, sie sind immer eine Chance für Neues, um nicht in einen Trott zu verfallen. Sie ist Optimistin, findet, dass es immer weitergeht. „Abstrakte Fenster waren damals zunächst völlig undenkbar“, erzählt sie. Sie habe das zum Schrecken des Baudirektors erstmalig gemacht. Beim zweiten Mal war das dann schon nicht mehr so skandalös.
„Die Frauen sitzen auf der Herzseite der Menschheit“, steht auf einer Zeitungsseite, die sie vor Jahrzehnten als Malgrund benutzt hat. Sie staunt selbst darüber. „Mir ging es um die Struktur im Hintergrund. Ich wollte kein so knalliges Weiß“, erklärt sie.
Interesse an Pina Bausch
Theater ist eine weitere ihrer Leidenschaften. Sie versäumte keine Inszenierung von Pina Bausch in Wuppertal und saß bei Roberto Ciulli in den Proben und kritzelte Skizzen in ihr Notizheft, die sie, zurück im Atelier, dann auf großem Format ausarbeitete. Vor einigen Jahren wurden diese Arbeiten am Raffelberg präsentiert. Selbst zu tanzen, ist auch noch eine Passion, der sie regelmäßig nachgeht: Kreistänze zu griechischer, israelischer oder anderer internationaler Musik. Außerdem macht sie Qi Gong und geht regelmäßig in die Sauna. „Man muss auch Dinge tun, die einem gut tun.“ An einem Tisch stehen zwei Großformate mit strengen, reduzierten geometrischen Formen. „Ah, das gefällt Ihnen“, freut sie sich und fügt strahlend hinzu: „Mir auch. Nach über 40 Jahren. Und da der kleine Fips!“ Mit dem Finger deutet sie auf ein kleines schwarzes Dreieck neben dem roten Rechteck. Dann fällt ihr auf, dass die Formen auf beiden Leinwänden nicht korrespondieren und dreht ein Werk richtig, so dass auch die Signatur unten ist.
Eine Arbeit sticht stilistisch deutlich heraus: Die in unterschiedlichen Grautönen gehaltene Fläche wirkt wie eine finstere Nebellandschaft, nur in einem hellen Kästchen ist ein Baum erkennbar. „Da war gerade mein Mann gestorben. Er lag im Krankenhaus. Sehen sie die weiße Linie“, erklärt sie. Damit nimmt sie Bezug auf das EKG-Gerät, das den Herzstillstand mit einem Dauerton und eben dieser Linie signalisiert.