Mülheim. . Ursula Hirsch fing mit einer Lehre als Glasmalerin in Bonn an. Sie entwarf zahlreiche Fenster in Kirchen, Schulen und öffentlichen Gebäuden.
Ursula Hirsch ist so etwas wie das große Herzstück der Mülheimer Künstlerschaft. Mit dem Bauhaus-Künstler Werner Graeff verband sie bis zu dessen Tod 1978 eine inspirierende Partnerschaft auf Augenhöhe. Künstlerisch ging Ursula Hirsch immer ihren eigenen Weg. Willensstark und lebensklug ist die Frau noch heute viel unterwegs, ist fitter und im Kopf beweglicher als manche 50-Jährige. Qigong, Gymnastik- und Tanzgruppe, Spaziergänge, Reisen mit Freunden, Sudoku und Kreuzworträtsel tun ihr Übriges dazu. Ursula Hirsch ist jetzt 85 Jahre alt. Ihr Gesamtwerk, die vielen Bilder und Arbeiten auf dem Dachboden, lässt sie gerade archivieren: die Liste hat 1400 Seiten.
Sie haben 1947 eine Lehre als Glasmalerin angefangen. War das damals schwierig als Mädchen?
Ursula Hirsch: Es war überhaupt nicht einfach. Die Glasmalerei war ein reiner Männerberuf. Die Männer waren es nicht gewohnt, dass in der Werkstatt eine junge Frau stand. Da war ich gerade 20. Es war schwer, in diesen Jahren eine Lehrstelle zu finden, die Arbeitgeber wollten lieber die ganz jungen Leute haben, die unbelastet vom Krieg waren.
Zeichenausbildungen in Bayern und Essen
Wie kamen Sie dazu, den Beruf der Glasmalerin zu ergreifen?
Hirsch: Ich hatte davor Zeichenausbildungen in Bayern und Essen gemacht. Dann haben meine Eltern gesagt: damit kannst du beruflich nichts anfangen. Es wäre doch besser, eine Handwerkslehre zu machen. Damit war ich sehr einverstanden. Mein Vater ging mit mir zu Silber- und Goldschmieden und zu einer Keramikwerkstatt – alle wollten mich nicht. Aus günstigen Umständen bin ich an eine Glasmalerei in Bonn gekommen und dort hat man mich genommen. Reiner Zufall. Aber es war ein großes Glück, wie sich herausstellte, weil Deutschland im Wiederaufbau war.
Viele öffentliche Gebäude und Kirchen wurden im Krieg zerstört.
Hirsch: Es war doch fast alles weg, es gab keine Schulen, keine Kirchen und keine Rathäuser mehr. Ein befreundeter väterlicher Architekt, der mich sehr gefördert hat, hat gesagt: Ich gebe dir einen Auftrag und du machst dich selbstständig. Dann hatte ich eine schlaflose Nacht, weil ich nicht wusste, was auf mich zukommt. Aber das war richtig.
Wie war der erste Auftrag?
Hirsch: Das waren Fenster in einem Wohnhaus in Essen. Die habe noch bei meinen Großeltern im Haus gemacht. Mein Großvater hat mir einen großen Tisch bauen lassen. Ich habe Glas, Blei und Zinn eingekauft und habe die Fenster nach meinem Entwurf fertiggestellt. Als die Fenster zum Haus rausgeschafft wurden, kam ein heftiger Windstoß und die riesigen Scheiben waren alle kaputt. Sie waren wohl auch falsch gelagert. Und ich wusste nicht, wie man kalkuliert. Da hat glatt eine Null gefehlt, zu meinen Ungunsten. Das ist mir aber nur einmal passiert. Danach konnte ich kalkulieren.
Nebenher immer weiter gemalt und künstlerisch fortentwickelt
In Mülheim gibt es ein Glasfenster in der Schule an der Frühlingsstraße. Wo sind weitere Arbeiten?
Hirsch: Das Fenster habe ich den 70er Jahren gemacht, als wir nach Mülheim gezogen waren. Ich habe von 1955 bis 1975, also 20 Jahre lang, Glasfenster in Essen entworfen und umgesetzt. Es waren ganz viele.
Wann haben Sie damit aufgehört?
Hirsch: Ich habe nicht damit aufgehört, der Umstand hat aufgehört. Mitte der 1970er Jahre war doch alles fertig gebaut. Jetzt kommen die Reparaturen und es ist kein Geld mehr da. Wenn Städte oder Eigentümer etwas schlorren lassen, dann geht eine Reparatur ins Immense, man muss sofort etwas machen lassen.
"Meine Fenster sind zum Teil gar nicht mehr da"
Was empfinden Sie, wenn Ihre Glasfenster verschwinden?
Hirsch: Meine Fenster sind zum Teil gar nicht mehr da. Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt, es ist kein Schmerz mehr dabei.
Sie haben sich dann als Künstlerin und Malerin weiterentwickelt.
Hirsch: Ich habe während der Glasfenster-Aufträge ständig weiter gemalt und gezeichnet. Weil ich die Radierung kennenlernen wollte, bin ich abends in die Folkwangschule gegangen und habe Kurse besucht. Ich habe immer frei weitergearbeitet und bei Ausstellungen mitgemacht. Darum stehen ja jetzt so viele Bilder da, die sind alle neben den Glasfenstern entstanden.
Mit Archivar Bernd Eichhorn erfassen Sie gerade ihr Gesamtwerk. Was passiert damit?
Hirsch: Ich weiß es noch nicht. Das Mülheimer Museum ist dafür zu klein. Es gibt bei Köln ein großes Archiv für Bilder, da könnte man mal nachhören. Bernd Eichhorn will auch mal das Theaterarchiv in Köln wegen meiner Skizzen vom Theater an der Ruhr anfragen. Dann gibt’s eine Stelle, die Glasarbeiten aus NRW sammelt.