Mülheim. Schubkarren mit Plastik, Dosen und Flaschen haben ehrenamtliche Helfer aus Mülheim beim Aufräumen eines Parkplatz gesammelt. Und Überraschendes.

Ganz schön früh, selbst für einen „Frühjahrsputz“: Sonntagmorgen, 10 Uhr – so steht’s im Aufruf von Johannes Dabringhausen, der die Selbsterntegärten an der Mintarder Straße verpachtet und Gründungsmitglied der ersten Solidarischen Landwirtschaft (Solawi) in Mülheim ist. Und doch: Wenn jemand Wind und Wetter trotzt, dann fleißige Hobbygärtner. Rund fünfzehn engagierte Menschen lassen sich nicht durch den Regen abhalten, ’ihren‘ Parkplatz von Müll und Dreck zu befreien. Was sie dabei finden würden, hätten sie allerdings nicht erwartet.

Wobei „ihren“ nur zur Hälfte stimmt, denn einige kommen umweltbewusst mit dem Rad hierhin. Immer. Auch heute. Der Parkplatz zieht sich – von der Innenstadt kommend – kurz hinter Haus Kron und den Selbsterntegärten an der Mintarder Straße entlang. Ein öffentlicher Parkplatz, wie das blaue Schild verdeutlicht, mit angenehmer langer Einfahrt – ideal deshalb für LKW. Und so bleibt dort auch Einiges liegen.

Plastik, Dosen, „und ganz viel McDonald’s-Müll“ – findet Mülheimerin Klara

Aus Rücksicht auf die Vogelbrutzeit haben die Ehrenamtlichen ihre Aktion noch vor dem 1. März gelegt. Denn der Wind trägt den hingeworfenen Dreck weit in die Büsche und Hecken hinein. Schnapsflaschen, Plastik-Essgeschirr, Brötchentüten, Trinkpäckchen und Getränkedosen, unfassbare Massen an Fast-Food-Plastik fördern die fünfzehn Unerschrockenen aus dem Unterholz und von den Parkplatzrändern zu Tage.

Alena Schüren, 1. Vorsitzende der Solawi, wundert sich über die vielen Essens-Verpackungen: „Da fragt man sich, wer das idyllisch findet, hier zu snacken.“ Die elfjährige Klara, die mit ihrer Patentante Laura gekommen ist und tatkräftig mithilft, kommentiert sofort: „Ganz viel McDonald’s-Müll.“

Schubkarrenweise Plastik, Glas, Teppiche, Dachpappe und Farbeimer zogen die Ehrenamtlichen aus den Gebüschen rings um den Parkplatz.
Schubkarrenweise Plastik, Glas, Teppiche, Dachpappe und Farbeimer zogen die Ehrenamtlichen aus den Gebüschen rings um den Parkplatz. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Hans Kühnl nimmt’s mit Humor: „Süß-sauer Schälchen stehen hoch im Kurs.“ Er deutet mit seiner Greifzange auf mehrere identische Plastikschalen, deren Deckel aufgerissen sind, aber noch dran hängen.

MEG unterstützt beim Sammeln und Abholen des Mülls

Die Greifzangen sowie Handschuhe und Mülltüten hat die MEG dem federführenden Johannes Dabringhausen zur Verfügung gestellt. Den Müll holt das Unternehmen am Montag ab.

Schon nach einer halben Stunde Aufräumen ist klar: Es hat sich gelohnt. In einer Schubkarre sammeln sich die Glasflaschen – natürlich wird getrennt, auch Autoreifen, leere Sprühflaschen, wie zum Beispiel Erste Hilfe für Reifenpannen, landen erst mal gesondert im Gras. Sondermüll.

Eine weitere Schubkarre ist bereits mit Teppichen und Dachpappe gefüllt, in den Mülltüten dominiert Plastik in jeglicher Form, auch die typische Umverpackung für Obst vom Discounter. Der dreizehnjährige Simon wirkt genervt. „Man fragt sich, was sich die Leute dabei denken!“ Dennoch sammelt er unermüdlich weiter mit seiner Mutter Nicole den Dreck auf. Sie werden dieses Jahr zum ersten Mal bei den Selbsterntegärten dabei sein, helfen jetzt aber schon mit.

Mulmiges Gefühl: Einen kleinen Tresor mit chinesischem Kleingeld und einem Notizbuch mit Daten spürten die Müllsammler auf. Wer hat dies hier entsorgt – und warum?
Mulmiges Gefühl: Einen kleinen Tresor mit chinesischem Kleingeld und einem Notizbuch mit Daten spürten die Müllsammler auf. Wer hat dies hier entsorgt – und warum? © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Rätselhafter Fund: ein aufgebrochener Tresor mit chinesischem Kleingeld

Einiges gibt Rätsel auf: zum Beispiel der außergewöhnliche Brocken undefinierbaren Materials, der sich wie gewachsen um zwei kleine Schnapsflaschen windet. Aktionskunst à la Joseph Beuys?

Schon jetzt 160 Interessierte für Gemüsekisten

Die Selbsterntegärten von Johannes Dabringhausen existieren seit 2021. Wegen der großen Nachfrage hat er die Fläche für 2022 verdoppelt, sodass insgesamt 140 Parzellen in unterschiedlicher Größe zur Verfügung stehen, zurzeit sind noch zirka 40 frei. Info: selbsternte-mh.deMülheims erste Solawi hat sich Anfang dieses Jahres gegründet. Obwohl der Betrieb erst 2023 starten wird, stehen jetzt schon 160 Interessierte auf der Liste für die wöchentlichen Gemüsekisten aus ökologischem Anbau in Mülheim. Info: solawi-mh.de

Verblüffender noch: Ein aufgebrochener Tresor mit chinesischem Kleingeld und Notizbuch voller Daten und Zahlen. Das sorgt kurzzeitig für Furore. Wer hat das hier hinterlassen und warum?

Wenig später ist ein aufgeweichtes und zerfleddertes Portemonnaie die Hauptattraktion. Kleingeld, Ticket 1000, diverse andere Papiere sowie ein Personalausweis sind noch drin, allerdings haben Sonne und Regen die Vorderseite längst unlesbar gemacht.

Zumindest die Rückseite liefert alle relevanten Informationen. Anne Sassmann, die Finderin, wird sich darum kümmern, der Besitzerin ihr Eigentum zurückzugeben. Ein wenig mulmig ist einigen dabei schon: Ob hier nicht womöglich ein größeres Verbrechen als Diebstahl vorliegt.

Es wird wohl nicht die letzte Aktion am Parkplatz werden. Denn es gibt hier offenbar keinerlei Mülleimer.
Es wird wohl nicht die letzte Aktion am Parkplatz werden. Denn es gibt hier offenbar keinerlei Mülleimer. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Viel Unrat – aber nirgendwo ein Mülleimer

Eine Dreiviertelstunde nach Beginn der Aktion sind viele Eifrige kaum mehr zu sehen, denn sie bewegen sich mit ihren pinken Mülltüten tief im Unterholz, aber der nahe liegende Müll ist immer noch präsent. Zigarettenkippen liegen in den Pfützen neben tief in den Schotter getretenen Kronkorken und weiterem Kleinmüll aus Plastik. Es gibt noch viel zu tun. „Die Aktion können wir nächstes Jahr bestimmt wiederholen“, unkt Alena Schüren.

Das steht allerdings zu befürchten, denn der Parkplatz liegt ideal, um an der Ruhr entlang auf dem Deich spazieren zu gehen. Wer dann was zu essen mitgenommen hat, wird den eigenen Müll wieder mitnehmen müssen, denn ein öffentlicher Mülleimer ist nirgends zu sehen.