Mülheim. In Mülheim soll auf dem Lindgens-Areal exklusives Wohnen an der Ruhr möglich werden. Wie viele Wohnungen es werden, wann der Bau starten soll.
Mehr als zehneinhalb Jahre ist es nun her, dass Kurtludwig Lindgens, der letzte Inhaber der gleichnamigen ehemaligen Lederfabrik, sein Industrieareal an Investoren veräußert hat. Nun, im Jahr 2022, soll die Entwicklung für einen attraktiven neuen Wohnstandort an Mülheims Ruhr doch endlich (und entscheidend) Fahrt aufnehmen.
Der Fahrplan für den Fortgang des Bebauungsplanverfahrens steht. Wie der Chef der Stadtplanung, Felix Blasch, unlängst im Gespräch mit dieser Redaktion ankündigte, will die Verwaltung im April mit einer Vorlage an die Bezirkspolitik herantreten, Ende Mai dann an die Planungspolitik. Dann sollen die Politiker die erneute Offenlegung der weiter präzisierten Pläne für eine Bebauung auf dem rund 40.000 Quadratmeter großen Areal der ehemaligen Lederfabrik beschließen. Bürger, Interessenverbände und Träger öffentlicher Belange hätten dann erneut und aller Voraussicht nach letztmalig Gelegenheit, Anregungen und Einwände einzubringen.
Neues Wohnen an Mülheims Ruhr: Baurecht soll Ende 2022 gegeben sein
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Im vierten Quartal des Jahres soll die Politik den Bebauungsplan möglichst unter Dach und Fach bringen. Blasch zeigt sich „zuversichtlich“, dass es so kommt. Elfeinhalb Jahre wären dann vergangen, seit zum Juli 2011 die SMW-Investorengruppe um Sparkasse, Mülheimer Wohnungsbau und seinerzeit noch die Mülheimer Immobiliengröße Jochen Hoffmeister (vor mehreren Jahren schon ausgestiegen aus dem Projekt) das Filetgrundstück an der Ruhr erworben haben. Seinerzeit war die Rede von einem siebenstelligen Verkaufserlös, den Altbesitzer Lindgens eingestrichen haben soll.
Es ist seither viel Wasser die Ruhr entlang geflossen. Zunächst hatte SMW das Grundstück, auf dem einige Jahre auch noch die Lederfabrik Seton wirkte, auch wegen anderer Großbaustellen im Dornröschenschlaf belassen – insbesondere wegen der MWB-Aktivitäten auf dem Ruhrbania-Baufeld 2 und auf dem ehemaligen Kaufhof-Areal.
Jahrelanger Streit um Denkmalwert einzelner Gebäude der alten Lederfabrik
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Als SMW dann Tempo machen wollte, entbrannte ein Streit der Investoren mit Bau- und Planungsdezernent Peter Vermeulen. SMW warf Vermeulen vor, das Investitionsprojekt auszubremsen. Gar eine Untätigkeitsklage reichte die SMW beim Verwaltungsgericht ein, zog sie aber zurück, als die Verwaltungsspitze um OB Ulrich Scholten einlenkte. Scholtens Rolle dabei blieb nicht unumstritten, ließ er sich in der Folge als Privatmann und bei entsprechenden Aufwandsentschädigungen gar in den MWB-Aufsichtsrat bestellen.
Der Streit um den Denkmalwert einzelner Bauwerke der ehemaligen Lederfabrik köchelte indes weiter – und ist bis heute Gegenstand einer beim Verwaltungsgericht anhängigen Klage der Investoren. Nach Begutachtung des Denkmalwertes durch die Obere Denkmalschutzbehörde beim Landschaftsverband und entsprechender Aufforderung hatte die bei der Stadt angesiedelte Untere Denkmalbehörde 2020 Kesselhaus und Schornstein sowie weitere Gebäude offiziell als Denkmal eingetragen. Jürgen Steinmetz als Geschäftsführer des Investors SMW sieht noch nicht alle Felle in der Sache die Ruhr runterschwimmen. Vielleicht lasse sich die Angelegenheit noch in einvernehmlichen Gesprächen mit der Stadtverwaltung klären, sagt er.
Letzte Klärungen zu Verkehrserschließung, Entwässerung und Heubach-Renaturierung
Unabhängig vom Ausgang des Gerichtsverfahrens, für das noch keine Verhandlungstermine bekanntgemacht sind, soll nun aber in diesem Jahr Baurecht geschaffen werden. Sollte das Gericht die Unterschutzstellung von Kesselhaus und Schornstein kippen, so Planungsamtschef Blasch, würde dies kein neues Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans nötig machen. Mit einfacher Befreiung vom Denkmalschutz seien dann gegebenenfalls Abriss und Neubauten zu ermöglichen.
Heubach soll naturnah gestaltet werden
Auch für den Heubach sei nun eine wegweisende Lösung gefunden, um ihn künftig wieder an die Erdoberfläche zu holen, sagt Planungsamtsleiter Blasch. Der Bach kreuzt das künftige Baugebiet, in Teilabschnitten soll er künftig relativ frei mäandrieren können auf dem Lindgens-Areal.
„Das war schwierig“, sagt Blasch mit Blick auf die Planungen, die sicherstellen sollen, dass der Heubach bei Hochwasser „nicht in die denkmalgeschützten Gebäude überschwappt“, wenn er unter den Gebäuden aus dem Düker hervortritt. Zur Sicherheit werde um den Heubach herum nun eine Art Kasten gesetzt, innerhalb dessen sich der Heubach frei entfalten könne, so Blasch.
Zuletzt war laut Blasch noch an der Verkehrserschließung des Neubaugebietes gefeilt worden, die über einen Stich vom Kassenberg im Norden und über die Mintarder Straße im Süden abgewickelt werden soll. Auch die Renaturierung des Heubachs und die Entwässerung waren gewichtige Themen, die Erkenntnis laut Blasch: Das Gelände muss etwas angehoben werden. „Das dient auch dem Hochwasserschutz“, sagt der Planungsamtschef und hofft damit auch der Kritik der MBI Wind aus den Segeln nehmen zu können, die nach dem Ruhr-Hochwasser im Juli 2021 erklärt hatten, dass eine weitere Bebauung des Ruhrufers fahrlässig wäre. Blasch betont hierzu, dass das Lindgens-Areal nicht mal zu Teilen unter Wasser gestanden habe bei dem Jahrhundert-Hochwasser.
Mülheims Chef-Stadtplaner: „Die großen Brocken sind abgearbeitet“
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„Die großen Brocken sind abgearbeitet“, sagt der Chefplaner der Stadt. Jürgen Steinmetz als Vertreter der Investoren sieht das auch so: „Nur noch Kleinigkeiten sind zu lösen, 90 Prozent der Entwicklung sind geklärt.“
Wenn jetzt alles glattgeht, hofft Steinmetz darauf, dass SMW nach einem Satzungsbeschluss zum Bebauungsplan „sofort loslegen“ kann mit Ausführungsplanung, mit Ausschreibungen. Schnell soll die Erschließungsinfrastruktur in Angriff genommen werden. Steinmetz bemüht aber ein „Vielleicht“, wenn er sagt, dass vielleicht schon Ende 2023 Bagger die ersten Baugruben ausheben könnten für die (ohne Denkmalflächen) vorerst fünf geplanten Baufelder. Sein „Vielleicht“ liegt begründet in der Marktlage der Baubranche: Man brauche „schlagfertige Unternehmen am Start“, im Moment seien diese aber „gut ausgebucht“.
Investor sieht keine Konkurrenz zur „Parkstadt Mülheim“ auf altem Tengelmann-Areal
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Es war sogar einmal, auf Grundlage des städtebaulichen Wettbewerbs und zum Ärger etwa der FDP, von bis zu 360 Wohneinheiten auf dem Areal in exklusiver Ruhrlage die Rede. Planungsamtsleiter Blasch sprach zuletzt von 240 Wohneinheiten. „Es gibt noch keinen fertigen Entwurf“, sagt Steinmetz noch einschränkend, kommt aber in seiner Rechnung auch auf jene Größenordnung. In den Neubaublöcken mit bis zu fünf Geschossen plus Staffelgeschoss an der Ruhr plane man ausschließlich mit Wohnen, im mittleren Bereich mit gemischter Nutzung (auch Gewerbe), in den denkmalgeschützten Gebäuden am Kassenberg ausschließlich mit Gewerbe.
Ist Investorin SMW nun in der Not, Tempo machen zu müssen, weil mit der Entwicklung des ehemaligen Tengelmann-Areals zur „Parkstadt Mülheim“ ein weiteres Leuchtturm-Projekt der Stadtentwicklung in den Startlöchern steht? „Konkurrenz sehen wir gar nicht“, sagt Steinmetz. Das Lindgens-Areal befinde sich „in ganz anderer Lage“. Das in Aussicht stehende Wohnen an der Ruhr sei „ein Alleinstellungsmerkmal“.