Mülheim. Der Städtebau-Entwurf zur „Parkstadt Mülheim“ auf altem Tengelmann-Areal birgt Potenzial für 800 Wohnungen. So bewerten ihn Planungspolitiker.
Erstmals hat sich Mülheims Planungspolitik mit dem Siegerentwurf des städtebaulichen Wettbewerbs für das ehemalige Tengelmann-Areal in Speldorf beschäftigt. Kritischen Tönen begegnete dabei Lina Streeruwitz vom Wiener „Studio Vlay Streeruwitz“, dem Wettbewerbssieger. Sie sieht in der Entwicklung des neuen Stadtquartiers großes Potenzial für eine moderne Stadtentwicklung – was allen Bürgern der Stadt Vorteile bringe.
Streeruwitz war der Ausschusssitzung direkt zugeschaltet, um den Planungspolitikern den Entwurf für die „Parkstadt Mülheim“ vorzustellen. Jenen Entwurf, zu dem schon Anwohner aus dem Umfeld der Tengelmann-Brache und Bezirkspolitiker deutliche Kritik formuliert hatten. Die Politik wird die Sorgen der Bürger nun kanalisieren müssen. Sie ist es, die im nun anstehenden Bebauungsplanverfahren (Bürgerbeteiligungen inklusive) etwa Grenzen setzen muss hinsichtlich Höhe und Dichte der künftigen Bebauung.
Parkstadt Mülheim soll bis zu 800 neue Wohnungen bieten
Wie hoch wird’s? Wie dicht soll das Areal bebaut werden? Wie viele Menschen werden künftig zusätzlich im Stadtteil leben? Und wie soll das Ganze durch Infrastruktur abgesichert werden? Das sind Fragen, die neben der Nachbarschaft in Broich und Speldorf auch Mülheims Planungspolitik drängend interessieren. Streeruwitz erklärte, dass natürlich in der Ausschreibung Anforderungen an die Planer gestellt worden seien hinsichtlich Baumasse und Anzahl an neuen Wohnungen. Geplant worden sei für rund 800 Wohnungen, wenn denn nicht auch Gewerbe in die Neubauten ziehe, gab sie Auskunft.
800 Wohnungen, dazu noch die gut angelaufene Revitalisierung der Gewerbeflächen im Tengelmann-Altbau – schon dies lässt manch einen Politiker mit der Stirn runzeln, wie etwa der ruhende und fließende Verkehr rundum zu organisieren ist für Tausende zusätzliche Menschen. Klare Antworten hierzu gibt es noch nicht. Von unterirdischen Stellplätzen im neuen, autofrei gedachten Quartier ist die Rede, auch von einem Ausbau von Liebig- und Wissollstraße.
Reinhard (MBI): Erst mal die Kernfrage der Verkehrsanbindung beantworten
Lothar Reinhard (MBI) sieht in der Verkehrsanbindung aber „das Hauptproblem“. Die Anbindung sei schon zu Tengelmann-Zeiten höchst problematisch gewesen. Bevor man nun große Baupläne schmiede, müsse erst mal die Verkehrsanbindung geklärt sein. Auch Axel Hercher (Grüne) und Matthias Hamm (Die Partei) sehen in dieser Frage eine Großbaustelle für die weitergehenden Planungen. Felix Blasch als Leiter des Stadtplanungsamtes blieb dazu im Ausschuss vage. Er meinte mit Blick auf eine rund zehnjährige Bauphase und das schrittweise Wachstum der Parkstadt, dass für eine bedarfsgerechte Anpassung etwa von ÖPNV-Angeboten „noch ein bisschen Zeit“ sei.
Noch intensiver dürften die Debatten über Bauhöhen und -massen werden. 40, gar 60 Meter hoch könnte es laut Entwurf von Streeruwitz/Vlay an einer Stelle nahe dem heutigen Technikum gehen; jene zwei bis drei Hochhäuser sollen markante Gegenpunkte sein zu dem achtgeschossigen, rund 25 Meter hohen Tengelmann-Altbau.
Deege (SPD): „Die Höhe und Kompaktheit hat uns fast schockiert“
„Die Höhe und Kompaktheit hat uns fast schockiert“, warnte Sven Deege für die SPD-Fraktion davor, wie am Hans-Böckler-Platz in der Innenstadt nochmals auf derartige „Signalbauten“ zu setzen. Einerseits passe dies nicht ins Umfeld, andererseits dürfe man nicht riskieren, eine Trabantenstadt entstehen zu lassen. Brigitte Erd (Grüne) und Matthias Hamm (Partei) pflichteten Deege in dieser Hinsicht bei.
Architektin Streeruwitz konterte: Eine kompakte, auch eine in die Höhe gehende, qualitativ hochwertige Bebauung sei aus ihrer Sicht nicht per se zu verteufeln. „Dichte ist immer auch eine Ermöglicherin“, sagte sie. Werde in der Parkstadt kompakt gebaut, bleibe mehr Freiraum etwa für den See und jenen 100 Meter breiten Park, der sich vom Südwesten zum Nordosten quer durchs Areal ziehe und, weil öffentlich zugänglich, ein Gewinn sein werde für alle Bürgerinnen und Bürger.
Wiener Architektin: Parkstadt ist „eine unglaubliche Chance“ für Mülheim
Streeruwitz führte den Kritikern hierzu auch vor Augen, dass keiner der Wettbewerbsteilnehmer so viel Grünfläche eingeplant hatte wie ihr Büro. Innenbereiche von Städten qualitativ hochwertig zu verdichten, beuge weiterem Flächenfraß im Grünen vor. Die Entwicklung einer „Parkstadt“ mit ihrer zeitgemäßen Verknüpfung von Wohn-, Arbeits- und Freiräumen sei „eine unglaubliche Chance“ für Mülheim.
Als Einziger aus der Planungspolitik sprang der Architektin CDU-Politiker Andreas Schmelzer bei. Schmelzer ist beruflich als Immobilienmakler unterwegs und bemerkte, dass die Lage auf Mülheims Immobilienmarkt „immer angespannter wird“ und die Stadt dieses „Leuchtturmprojekt“ dringend brauche, um neue, moderne Wohnungen bieten und beliebte Wohnstadt bleiben zu können. „Hochhäuser werden demnächst unser Leben bestimmen“, glaubt Schmelzer wie Steeruwitz daran, dass Verdichtung in Zeiten des Klimaschutzes ein wichtiges Instrument der Stadtentwicklung werden wird.