Mülheim. Mathias Stinnes avancierte von Schiffsgehilfen zum erfolgreichen Reeder und Bergwerksbesitzer. Er wusste, womit man viel Geld verdienen konnte.

Seine Biografie liest sich wie ein Roman. Doch sie war Wirklichkeit. Im Mülheim der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Mathias Stinnes die Verkörperung einer wirtschaftlichen Erfolgsgeschichte. Vom Schiffer-Sohn und Schiffsjungen zum Reeder und Bergwerksbesitzer. Das war sein Leben, ein Leben, dass nur 54 Jahre währen sollte und doch als Keimzelle eines Welt-Konzerns über Generationen nachwirken sollte.

Der Sohn des Mülheimer Schiffers, Hermann Stinnes, hatte kein Abitur gemacht, keine kaufmännische Ausbildung absolviert, kein Hochschulstudium absolviert, als er 1808 sein Unternehmen gründete. 1790 geboren, hatte Mathias bis zu seinem 13. Lebensjahr die Volksschule besucht und anschließend fünf Jahre lang als Schiffsgehilfe gearbeitet.

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Ruhr war der am stärksten befahrene Fluss Europas

Diese Lehrzeit reichte ihm, um zu begreifen, womit man in der Stadt am Fluss im Zeitalter der beginnenden Industrialisierung Geld, viel Geld verdienen konnte. Bereits fünf Jahre nach seiner Unternehmensgründung gehörte Mathias Stinnes zu den großen Reedern an der Ruhr. Die war zu seinen Lebzeiten kein Ausflugsziel, sondern ein Ort harter Arbeit, der am stärksten befahrene Fluss Europas.

Mit Kohlenkähnen („Ruhraaks“) wie diesen begann Mathias Stinnes seine unternehmerische Erfolgsgeschichte.
Mit Kohlenkähnen („Ruhraaks“) wie diesen begann Mathias Stinnes seine unternehmerische Erfolgsgeschichte. © Stadtarchiv Mülheim

1820 fuhren 66 Schiffe unter seiner Flagge auf der Ruhr und auf dem Rhein. Sie transportierten nicht nur Kohle und Baumaterial, sondern auch Waffen für die preußische Armee. 1813 dienten Kähne der Firma Stinnes den preußischen Truppen des Generals Blücher als provisorische Brücken, als sie über Ruhr und Rhein den sich zurückziehenden Truppen Napoleons nachsetzten.

Investitionen in kommunale Infrastruktur

Stinnes wusste, dass man als Unternehmer investieren muss, wenn man Geld verdienen will. Er investierte nicht nur in sein eigenes Unternehmen, sondern auch in die kommunale Infrastruktur, ob beim Bau der Sellerbeckschen Pferdebahn, die ab 1838 Kohle zur Ruhr transportierte, ob beim Bau der Aktienstraße (1839) oder beim 1839 begonnen Bau des ersten Mülheimer Ruhrhafens, als Mitgründer der Mülheimer Handelskammer (1840) oder als Kreditnehmer der 1842 gegründeten Stadtsparkasse. Der wirtschafts- und innovationsfreundliche Bürgermeister Christian Weuste dankte es dem Unternehmer und Stadtrat Mathias Stinnes. Nur dessen Finanzierungsangebot für die 1844 eröffnete Kettenbrücke lehnte Weuste dankend ab, weil er das Brückengeld als Stadtoberhaupt nicht an Stinnes zahlen, sondern für die damals 25.000 Einwohner zählende Stadt an der Ruhr selbst vereinnahmen wollte.

Auch für einen Eisenbahnanschluss Mülheims machte sich der weitsichtige Stinnes stark. Doch diesen sollte er, anders als Weuste, nicht mehr erleben. Denn der erste Zug hielt erst 1862 in Mülheim. „Volle Kraft voraus!“ hieß es dagegen schon ab 1843, als Stinnes als erster Reeder Dampfschiffe einsetzte. Auch als Zechenbesitzer erkannte er die Zeichen der Zeit und investierte in den Schachtbau.

Ein Mann der Tat, der selbst mit anpackte

Dass die Mülheimer ihren Mitbürger Mathias Stinnes nicht nur achteten, sondern auch schätzten, hatte damit zu tun, dass er kein betriebswirtschaftlicher Schreibtischtäter war, sondern als Mann der Tat immer auch selbst mit anpackte. Wenn sie einen Menschen als besonders stark und tatkräftig beschreiben wollten, sagten die alten Mülheimer über ihn oder sie, „Mathes in Mauen“, also „Mathias in den Armen zu haben!“.

Stinnes, der über sich selbst sagte: „Ich richte mich nicht nach der Stunde, sondern nach der Arbeit!“ kannte seine Arbeiter mit Namen. Er stellte auch Menschen ein, die von anderen Arbeitgebern entlassen worden waren, wenn er von ihrem menschlichen Potenzial überzeugt war. Auch für die Armen unter seinen Mitbürgern hatte er Geld übrig, weil er die einfachen Lebensverhältnisse aus eigener Erfahrung kannte.

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Fast 100 Jahre nach der Stinnes-Unternehmensgründung charakterisierte die Zeitschrift des Mülheimer Geschichtsvereins den Mülheimer Industrie-Pionier mit den Worten: „Kühne kaufmännische Erwägung, kühne Unternehmungslust, reiche Erfahrung und mit eisernem Fleiß erworbenes Wissen zeigten sich in seinen äußerst vielseitigen Plänen und Geschäften.“