Mülheim. Nach der Bluttat in Mülheim hat die Staatsanwaltschaft beantragt, den Tatverdächtigen (35) in der Psychiatrie unterzubringen. Was Nachbarn sagen.

Als Peter Sussek 2011 an die Ulan-Becker-Straße in Mülheim-Styrum gezogen ist, sprach ihn ein netter, junger Mann an: „Ist eine ruhige Ecke hier“, habe der Nachbar geschwärmt. Mit dieser Ruhe war es am Mittwoch vorbei: Ausgerechnet der freundliche Mann von nebenan soll seine Mutter erstochen haben. In dem stillen Verbindungssträßchen zwischen Feld- und Herwarthstraße standen mit einem Mal rund ein Dutzend Polizeiautos – und der nette Nachbar wurde festgenommen. „Das war ein Schock“, so Sussek. Die Polizei berichtet am Donnerstagnachmittag von zwei sichergestellten Küchenmessern, die als Tatwaffen in Betracht kommen. Weil der Mann womöglich eine psychische Erkrankung hat, habe die Staatsanwaltschaft zwischenzeitlich beim Amtsgericht Mülheim einen Unterbringungsbefehl beantragt. Der Tatverdächtige soll nicht in die U-Haft, sondern in ein psychiatrisches Krankenhaus kommen.

Schuldunfähigkeit wegen psychischer Erkrankung

Erst kürzlich war die Justiz mit der Unterbringung eines Mülheimers beschäftigt. Der 37-Jährige hatte im Mai auf dem Radschnellweg einen 80-jährigen Mann fast totgeschlagen.

Wegen paranoider Schizophrenie hatten Gutachter ihm Schuldunfähigkeit attestiert. Das Landgericht Duisburg entschied in einem so genannten Sicherungsverfahren, dass der Mann für viele Jahre in einem psychiatrischen Gefängnis – der Forensik – untergebracht werden muss.

Am Morgen nach der Bluttat sind die Jalousien der Familienwohnung im ersten Stock des beige-braunen Hauses heruntergelassen; hier soll der 35-Jährige seine Mutter (68) getötet haben. Der große Baum nebenan ist kahl, aus den Blumenkästen auf den Fensterbänken ragen letzte, vertrocknete Pflanzen. Hinter einem mit Aufklebern versehenen Fenster des Hausflurs zeichnet sich schemenhaft ein Mensch in weißem Overall ab. Die Spurensicherung ist noch im Haus.

Von der Aufregung des Vortages ist in der Straße nichts zu spüren

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Von der Aufregung des Vortages ist in der Straße nichts mehr zu spüren; es ist kühl und nur wenige Menschen sind unterwegs. „Gestern war hier Action pur“, sagt eine Frau, die seit Jahrzehnten in dem Mehrfamilienhaus lebt, in dem auch die Getötete zu Hause war. Die Nachbarin kennt den Tatverdächtigen seit seiner Kindheit. Sie kann nicht begreifen, was passiert ist: „Er war so ein netter Junge, freundlich und hilfsbereit. Er hat immer alle gegrüßt.“

Der 35-Jährige habe sich die Wohnung mit der Mutter geteilt. „Er ist nicht verheiratet, hat keine Kinder, ist arbeitslos.“ Es habe „wohl Probleme mit dem Geld“ gegeben. Mutter und Sohn hätten häufiger gestritten.

„In kurzer Hose und voll mit Blut“ sei der Mülheimer draußen herumgelaufen

Eine Bekannte, so erzählt die Nachbarin noch, habe den 35-Jährigen nach dem schrecklichen Vorfall getroffen. „In kurzer Hose und voll mit Blut“ sei er über die Straße gelaufen und habe offenbar „Hilfe gesucht“. Der Bekannten gegenüber habe der Mann eingeräumt, seine Mutter umgebracht zu haben. Diese habe sofort die Polizei gerufen.

Auch am Donnerstagvormittag sind noch vereinzelt Polizeiwagen in der Ulan-Becker-Straße unterwegs. In dem beige-braunen Mehrfamilienhaus soll sich am Vortag die Bluttat ereignet haben.
Auch am Donnerstagvormittag sind noch vereinzelt Polizeiwagen in der Ulan-Becker-Straße unterwegs. In dem beige-braunen Mehrfamilienhaus soll sich am Vortag die Bluttat ereignet haben. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Auch Manfred Schrader aus dem Nachbarhaus, der für eine Zigarette auf dem Balkon steht, hat den Polizeieinsatz nach der Messer-Attacke mitbekommen. „Es war alles abgesperrt.“ Der 68-Jährige berichtet von Polizisten, die Anwohner befragt und sie persönlich zu ihren Häusern geleitet hätten, von der Spurensicherung, vom Leichenwagen. Szenen wie diese sehe man „sonst nur im Fernsehen“. Schrader kannte Mutter und Sohn „vom Sehen“. „Er hat sich oft Tabak an der Trinkhalle geholt.“

Das Geschehene sei traurig, sagt eine Nachbarin: „Es tut weh“

Eine Nachbarin am anderen Ende der Ulan-Becker-Straße weiß ebenfalls, von wem die Rede ist – „die Frau kam hier beim Einkauf entlang, sie hatte ihren Trolley dabei“. Das Geschehene sei traurig: „Es tut weh.“ Warum die Bluttat passiert ist, wisse sie nicht: „Ich hatte ja keinen näheren Kontakt. Dann kann man sich in eine Familie auch nicht reinversetzen.“

Die Ermittler der Mordkommission werten weiterhin Spuren und Zeugenaussagen zu den Hintergründen der Tat aus.