Mülheim. Zum zweiten Mal organisiert die Stadt Mülheim eine Corona-Hotline für ihre Bürger. Drei Stunden beantworten Experten Fragen rund um die Pandemie.
Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen: Schon zum zweiten Mal bietet die Stadtverwaltung an der Corona-Hotline Rat und Hilfe an. Angesichts der steigenden Infektionszahlen gibt es bei vielen Bürgerinnen und Bürgern eine große Unsicherheit. Mülheimer Experten aus dem Gesundheitsamt und der Ärzteschaft beantworten am kommenden Donnerstag, 18. November, von 15 bis 18 Uhr am Telefon Fragen rund um das Thema „Leben mit Corona – was wir jetzt wissen und beachten müssen“.
„Wir hoffen, mit dieser Aktion den Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit zu geben, mit der Corona-Pandemie zu leben und sie so weit wie möglich zu beherrschen. Es bleibt dabei, jeder muss sich sicherlich einschränken, aber mit den notwendigen Sicherheitsmaßnahmen sollte ein weitgehend normales Alltagsleben möglich sein“, so Krisenstabsleiter Dr. Frank Steinfort. Warum muss ich in Quarantäne trotz meiner Impfung? Was tun, wenn sich jemand in der Familie angesteckt hat? Was gilt bei Infektionen in der Schule? Wer braucht eine Booster-Impfung? Das sind nur einige Fragenkomplexe, auf die die Experten aus dem Mülheimer Krisenstab vorbereitet sind.
Der Impfschutz braucht etwas Zeit, bis er sich vollständig aufgebaut hat
Einer der Experten am Telefon wird Dr. Stephan von Lackum sein, erfahrener Impfarzt und Hausarzt in Speldorf. Warum man trotz Schutzimpfung krank werden kann, ist so eine Frage, die er auch in seiner Praxis häufiger hört. „Weil der Impfschutz inzwischen nachgelassen hat“, erläutert er.
Zudem biete eine Impfung auch keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Ansteckung. Vor einem schweren Verlauf der Erkrankung allerdings schon. Auch würden viele Geimpfte, die den Einmalimpfstoff von Johnson & Johnson bekommen hätten, nicht die vier Wochen abwarten, die es brauche, bis sich der Impfschutz vollständig aufgebaut hat. „Die gehen oft zu früh wieder unter Leute.“
Der Appell, den aus dem Krisenstab heraus jüngst dessen Leiter, Stadtdirektor Dr. Frank Steinfort, an die Bürger richtete, kann Stephan von Lackum nur unterstützen: Maske tragen, Hände waschen, Abstand halten, üppige Ansammlungen meiden: „Bei einer Erstimpfquote von knapp 76 Prozent haben wir in Mülheim rein rechnerisch über 40.000 ungeimpfte Menschen“, erklärt er. Diese seien selbst gefährdet, Covid-19 zu bekommen, sie würden aber auch andere gefährden.
Die Zahl der Ungeimpften ist bei den jüngeren Infizierten in Mülheim hoch
Dass derzeit die Zahl der Infizierten in Mülheim in der Altersklasse von 20 bis 40 und auch von 40 bis 60 besonders hoch ist – in Mülheim am Freitag 174 von 296 Infizierten insgesamt – verwundert den Hausarzt nicht. „Darunter sind viele Ungeimpfte, die sich fit und gesund fühlen und für sich selbst keine Gefahr sehen“, sagt von Lackum, der dann auch schon mal hört: „Ich bin erst 35, mir passiert schon nichts.“
Sein Appell, sich aus Solidarität mit anderen, mit Eltern, Nachbarn, Arbeitskollegen, doch noch impfen zu lassen, falle nicht immer auf fruchtbaren Boden. Aus dieser (jüngeren) Altersgruppe würden aber auch bei den städtischen Impfaktionen täglich immer noch spätentschlossene Menschen zum ersten Mal geimpft.
Diese Experten sind am Telefon
Die Corona-Telefonaktion findet statt am Donnerstag, 18. November, von 15 bis 18 Uhr. Die Experten sind dann per Telefon unter der zentralen Rufnummer 0208/455 38 88 erreichbar. Die Anrufenden stellen ihre Fragen und werden mit dem jeweiligen Ansprechpartner verbunden.Die Experten am Telefon sind: Dr. Thomas Nordmann (Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie am St. Marien-Hospital), Dr. Dietrich Rhode (Lungenfacharzt), Dr. Frank Pisani (Leiter Gesundheitsamt), Dr. Olaf Kaiser (Kinderarzt), Dr. Stephan von Lackum (Haus- und Impfarzt) und Thomas Franke (leitender Notarzt der Feuerwehr).
Ein Plädoyer für die Impfung, gerade auch für die Auffrischungsimpfung, den „Booster“, hält Dr. Thomas Nordmann (Ärztlicher Direktor am St. Marien-Hospital und dort Chefarzt der Gastroenterologie). Er beobachtet in der Gesellschaft eine gewisse Entspanntheit, die trügerisch sei. „Niemand hat Lust, auf sein soziales Leben zu verzichten. Viele sind jetzt wieder unterwegs.“ Man solle sich aber verantwortungsvoll verhalten: „Wenn die sechs Monate nach der letzten Impfung vergangen sind, sollte man sich boostern lassen“, appelliert er. „Man kann sich anstecken und das Virus weitertragen.“ Im Krankenhaus sieht er bei den Covid-Patienten derzeit zwei Gruppen: „Die Älteren, die schon sehr frühzeitig geimpft wurden. Und die Jüngeren, die gar nicht geimpft sind.“
Fragen von Impfskeptikern zum sachlichen Austausch sind willkommen
Das Krankenhauspersonal erlebt viele schwere Covid-Verläufe. Dr. Nordmann weiß aber, dass das für die meisten Menschen im Alltag weit weg ist. Die wenigsten kennen wohl selbst jemanden, der an der Krankheit gestorben ist. Dr. Nordmann lädt bei der Telefonaktion ausdrücklich auch Impfskeptiker zum (sachlichen) Dialog ein. „Ich würde mich über eine ehrliche Diskussion freuen“, betont der Arzt.
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Kinder unter zwölf Jahren können noch nicht geimpft werden. In der Altersgruppe bis 20 Jahre waren am Freitag in Mülheim 76 Infizierte (von 296). Was tun, um Ansteckungen innerhalb der Familie zu vermeiden? Von Lackum rät zum Masketragen auch zu Hause, zu getrennten Essenszeiten. „Wir haben auch Familien, wo das geklappt hat.“ Wie viele Ärzte bedauert von Lackum die Abschaffung der kostenlosen Schnelltests. Selbst-Schnelltests für zu Hause hält er in diesen Tagen für eine richtige und sinnvolle Sache. Hundertprozentig sicher sei aber nur ein PCR-Test.