Mülheim. Der Blick auf die Natur aus allen Winkeln der Kunst hat die Weißen Nächte am Mülheimer TAR geprägt. Warum das gut ankam, und wie es weiter geht.
Wenn die Weißen Nächte am Raffelberg bislang der krönende Abschluss einer Saison waren, was waren sie dann in diesem verflixten Corona-Theater-Jahr? Ein Weg aus der Besucher-Krise? Ein konzeptionelles Experiment? Ein Türöffner? Richtig: alles davon. Plus: ein Erfolg – ein ausverkauftes Wochenende und ansonsten eine durchschnittliche Besucherzahl von 80 Prozent verzeichnete das Theater an der Ruhr.
Auch interessant
Rund 2500 überwiegend junge Besucher wurden an den Raffelberg gelockt
Und es wären wohl noch mehr Besucher in den Park gekommen, wenn die Open-Air-Veranstaltung mehr Glück mit dem August-Wetter gehabt hätte. Die Idee, die Weißen Nächte zu einer Art dreiwöchigen Konzeptalbum aus Musik, Ausstellung, Wortkunst und – natürlich – Theater über das Thema „Natur“ zu machen, hat offenbar viele Menschen gepackt.
Etwa 2500 Besucher hat das TAR zusammengezählt und zudem wohl ein deutlich jüngeres Publikum angesprochen als gemeinhin.
„Wir haben gerockt“, sagt TAR-Geschäftsführer Sven Schlötcke, und meint das zuvorderst thematisch. Denn während die Öffentlichkeit um einen politischen Weg aus dem Klimawandel streitet, haben die Weißen Nächte den Blick aufs Grundsätzliche geworfen: „Die Beziehung von Mensch und Natur, von Mensch zu Mensch. Wir haben multiperspektivisch aus vielen Richtungen der Kunst darauf geschaut, und gleichzeitig sehr individuell und persönlich“, zieht Schlötcke die Grenze zur Politik.
Allerdings: Die Möglichkeit, weniger als den Normalpreis zu zahlen, haben viele ausgereizt
Und apropos Rock: Auch musikalisch ergaben sich verschiedene Symbiosen. So verband Techno-DJ und Biologe Dominik Eulberg musikalische Kompositionen mit Bildern und anekdotischen Erzählungen aus der Natur zu einer Art „Mikroorgasmen“ – wie auch ein Buchtitel des Autoren Eulberg verrät. Die Pianisten Martin Kohlstedt, Lisa Morgenstern und Catt setzten kontemplative Töne dagegen, die den Fokus auf die unmittelbare Natur im Park lenkte.
Ein kleiner Wermutstropfen der Weißen Nächte sind - trotz hoher Nachfrage – wohl die Einnahmen. Das neue System, neben dem „Normalpreis“ von 15 Euro (Tagesticket) auch Zahlungen zwischen 5 und 100 Euro freizustellen, hat dazu geführt, dass die meisten weniger gaben. So blieb man im Durchschnitt unterhalb des Normalpreises, allerdings hätte man auch kaum verhindern können, dass Besucher umsonst auf das Gelände kommen.
Bleibt der Blick in die Zukunft. Denn die Weißen Nächte sind durchaus als inhaltlicher Türöffner zu verstehen für die anstehende Theatersaison. Die ist durch ungewöhnlich viele Uraufführungen bestimmt und wird schon am Freitag (3.9.) mit „Violetter Schnee“ eingeläutet. Auch hier ist eine klimatische Katastrophe der Auslöser und die Metapher, um über Gesellschaft und die Art, wie wir leben, nachzudenken.
Weiter geht es Ende September mit „Nathan.Death“ – das den Nathan in den Zusammenhang religiöser Konflikte stellt. „Unsere Vorstellung von Normalität, von Ökonomie hat Folgen. Wir fangen gesellschaftlich an, anders über Wachstum nachzudenken“, hat man am TAR die Zeichen der Zeit erkannt. Die vielen geplanten Uraufführungen zeigen Schlötcke auch: „Wir sind selber in Bewegung.“