Mülheim. Die Pandemie ließ Verlobte lang auf die Traumhochzeit mit Freunden und Familie warten. Nun ist wieder viel möglich – zum Teil aber mit PCR-Tests.
Es soll der schönste Tag des Lebens werden: die eigene Hochzeit. Doch am großen Tag kann auch einiges schiefgehen: Das Kleid passt nicht mehr, die Trauzeugen sind krank oder der Kuchen nicht rechtzeitig fertig. Dieses und letztes Jahr hatten Verlobte aber noch eine weitere Sorge: Wird die Hochzeit überhaupt mit Familie und Freunden stattfinden können?
Auch interessant
Ständig neuen Sicherheitsvorschriften und Hygienemaßnahmen betreffen seit Beginn der Pandemie auch Brautpaare. Im letzten Winter durften außer zwei Trauzeugen und einem Fotografen keine weiteren Gäste die standesamtliche Hochzeit begleiten. Trauungen gab es nur im Rathaus. Seit Ende Mai haben auch die anderen Trauorte in Mülheim wieder geöffnet und mehr Gäste dürfen bei der Trauung anwesend sein. Momentan gilt: Bei Trauungen im Rathaus sind – geimpft, genesen oder negativ getestet – 20 Gäste erlaubt, im Rittersaal vom Schloss Broich 50 und Trauungen auf der weißen Flotte können sogar von 75 Gästen begleitet werden.
Hochzeitspaare holen verschobene Feiern nun endlich nach
Doch Vorgaben bei der Trauung selbst sind noch nicht alles, worauf ein verlobtes Paar momentan achten muss: Schließlich wünschen sich die meisten nach der Trauung noch eine Hochzeitsfeier. Das war lange gar nicht möglich – der Lockdown und geschlossene Gastronomien machten vielen einen Strich durch die Rechnung. „Hochzeiten wurden bei uns teilweise bereits das zweite Jahr verschoben“, so Richard Reichenbach, Inhaber der Gastronomie Franky‘s.
Dies verzeichnet auch das Mülheimer Standesamt – im letzten und auch in diesem Jahr habe es viele Verschiebungen von Trauterminen gegeben. „Brautpaare haben auf sinkende Corona-Inzidenzwerte gewartet, damit eine höhere Gästezahl bei ihrer Hochzeit anwesend sein darf“, so Standesbeamtin Martina Schimanski. Doch es gab auch andere Fälle: „Viele haben auch zwischendurch standesamtlich geheiratet und warteten dann mit der Feier, bis sie wieder alle Freunde und Verwandte einladen durften“, weiß Reichenbach. Auch wenn die verschobene Feier für manche Brautpaar eine Enttäuschung war, umso schöner sind jetzt die Hochzeitsfeiern, bei welchen seit Freitag neben Geimpften und Genesenen auch Ungeimpfte dabei sein dürfen, wenn sie einen kostenpflichtigen, negativen PCR-Test gemacht haben und vorlegen. Schnelltests reichen nicht mehr aus. „Die Leute genießen es, endlich ihre Hochzeiten zu feiern“, sagt Jennifer Flick von der Gastronomie Caruso.
Auch interessant
Hochzeitsagentur hat viele Anfragen für nächstes Jahr
Bei all den Regeln den Überblick zu behalten und eine Hochzeit zu planen, ist schwer. Das wissen auch Julia und Annika Czarnotta von der Hochzeitsplanung-Agentur „Ja Weddings“. Die Schwestern aus Mülheim haben ihre Hochzeitsagentur im Frühjahr 2020 gemeinsam eröffnet – also direkt mit Beginn der Pandemie. Im Lockdown Anfang diesen Jahres kamen eher wenige Anfragen für Hochzeitsplanungen, jetzt im Sommer seien es viele geworden. Meist sind diese jedoch für Hochzeitstermine erst im nächsten Jahr.
Die erhöhte Anfrage für nächstes Jahr sei spürbar: „Es ist jetzt schon sehr schwierig, in den beliebten Hochzeitslocations für einen Samstag im nächsten Jahr einen Termin zu bekommen“, so Julia Czarnotta. Freitage seien vereinzelt noch frei, wenn also Brautpaare eine Hochzeit für nächstes Jahr planen, sollten sie mit der Locationsuche auf jeden Fall jetzt schon starten, rät die Hochzeitsplanerin.
„Brautpaare achten häufig auf Stornierungsbedingungen“
Doch auch bei Planungen für nächstes Jahr, die Sorge einer ausfallenden Hochzeit bleibe bei vielen trotzdem: „Brautpaare achten jetzt häufig auf Stornierungsbedingungen, vor der Pandemie wurde darauf nicht so oft geguckt“, so Julia Czarnotta.
Wie weit im Voraus kann man die Location ohne aufkommende Kosten stornieren? Kann man kostenlos verschieben? Wie handhaben DJs und Fotografen das? All das möchten verlobte Pärchen von ihr im Moment wissen. „Glücklicherweise sind die Dienstleister meistens sehr kulant, sie wissen ja, dass das Brautpaar auch nichts dafür kann, wenn eine Hochzeitsfeier wegen der Pandemie nicht stattfinden darf.“ Julia und Annika Czarnotta sind froh: Sie hatten bei ihren geplanten Hochzeiten bisher noch keine Feier dabei, welche verschoben werden musste.
Erhöhte Nachfrage für Feierlocations im Franky‘s
Die Beiden freuen sich mit jedem Brautpaar, dessen Hochzeit wie geplant stattfinden kann. Ist denn mit all den momentanen Freiheiten für Hochzeitsfeiern in den letzten Monaten ohne Lockdown auch der Andrang auf das Standesamt und die Nachfrage nach Feierlocations gestiegen? „Tatsächlich ist die Nachfrage zurzeit recht hoch, nicht nur Hochzeiten, sondern auch Taufen und Konfirmationen betreffend“, so Reichenbach über die Buchungsanfragen im Franky‘s.
Viele haben geschoben, bis die Kommunen eine Feier wieder zuließen und wollen jetzt nachfeiern. „Für den Sommermonat August ist der Andrang leicht höher als normal“, bemerkt Reichenbach.
Weniger Eheschlüsse beim Standesamt als vor der Pandemie
Die Zahl der Hochzeiten selbst ist seit Corona jedoch gesunken: Das Standesamt Mülheim hat bis zum heutigen Tag bereits 463 Ehen geschlossen, im gleichen Zeitraum 2020 waren es 412 Ehen. Deutlich weniger als im Jahr vor der Pandemie: 2019 gab es bis Mitte August 556 Eheschließungen.
Hochzeitsagentur als Projekt zweier Schwestern
Eine eigene Hochzeitsagentur war schon lange ein Traum von Julia und Annika Czarnotta: „Wir fanden Traumhochzeiten schon immer faszinierend.“
Ob Locationsuche, Design der Einladungskarten oder passender DJ – mit der 2020 selbst gegründeten Agentur „Ja Weddings“ unterstützen die Schwestern Brautpaare bei sämtlichen Schritten der Hochzeitsplanung. Die meisten Paare kommen direkt nach der Verlobung auf sie zu, manche fragen auch nach Unterstützung nur für den Hochzeitstag selbst.
Besonders spezialisiert haben sich die Mülheimer Hochzeitsplanerinnen auf ländliche Locations wie Scheunen oder Landhäuser. Impressionen davon sind zu finden auf ihrer Website: ja-weddings.de
Statt eine pandemiebedingt eingeschränkte oder gefährdete Hochzeit feiern zu müssen, scheinen einige Heiratswillige in Mülheim also lieber zu warten. „Viele verlobte Paare kommen jetzt zu uns und planen lieber direkt eine Hochzeit erst für nächstes Jahr. Die Leute merken selber, dass Hochzeiten dieses Jahr wieder kritisch werden könnten“, erzählt Julia Czarnotta. Jennifer Flick vom Caruso bestätigt dies: „Momentan haben wir zwar noch genügend Hochzeitsfeiern, die stattfinden können. Aufgrund der wieder ansteigenden Inzidenz machen wir aber leider langsam schon wieder eine Rolle rückwärts.“