Mülheim. In Mülheim gibt es besonders viele Über-100-Jährige. Die Zahl der Bürger über 90 hat sich in zwölf Jahren fast verdoppelt. Wie sie leben.
Begeht ein Verein, ein Verband, eine Partei oder sonstige Institution den 100. Geburtstag, ist der oft mit einer riesigen Feier verbunden. Erreicht hingegen eine Mensch diese magische Altersgrenze, geschieht das oftmals im Stillen und das Jubiläum wird nur im kleinen Kreis gefeiert. Dabei gibt es auch in Mülheim einen beachtlichen „Club der 100-Jährigen“.
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Am 31. März waren 36 Personen in Mülheim mit dem Jahrgang 1921 oder älter gemeldet. Solche also, die noch in diesem Jahr die dreistellige Altersmarke erhalten oder diese bereits erreicht haben. 33 von ihnen sind Frauen. Die aktuell älteste Mülheimerin ist am 7. April 104 Jahre alt geworden.
Älteste Mülheimerin ist 104 Jahre alt
Die meisten Menschen aus der Generation 100 plus leben in Pflegeheimen oder zumindest im betreuten Wohnen. Zu den Ausnahmen gehört Friedel Bialuch. Die Eppinghoferin feierte im vergangenen August ihr rundes Jubiläum und steigt noch regelmäßig die 37 Stufen in ihrem Haus rauf und runter. „Ich sage eigentlich auf jeder Stufe Danke“, erzählte die 100-Jährige anlässlich ihres Geburtstages.
Wie schwer das plötzliche Alleinsein aber insbesondere für Frauen sein kann, weiß Elke Domann-Jurkiewicz. Als Vorsitzende der Awo hat sie regelmäßig mit Seniorinnen und Senioren zu tun. „In diesen Generationen waren Frauen einfach noch nicht so selbstständig; um viele Dinge hat sich der Mann gekümmert“, sagt sie.
Zahl der Über-90-Jährigen hat sich in zwölf Jahren nahezu verdoppelt
Die Zahl der Über-100-Jährigen dürfte in den nächsten Jahren tendenziell noch eher anwachsen, denn die Dekade darunter nimmt immer weiter zu. Waren 2008 gerade einmal 1160 Menschen in Mülheim gemeldet, die 90 Jahre oder älter waren, hat sich die Zahl bis heute fast verdoppelt. Zum Jahreswechsel waren es – kein Witz – exakt 2222.
Diese Entwicklung führt dazu, dass das Erreichen gewisser Altersbereiche schon fast als normal betrachtet wird. „Man erwischt sich ja selbst dabei, wenn man schonmal sagt, dass jemand ,erst 80‘ ist“, sagt Elke Domann-Jurkiewicz schmunzelnd.
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AWO-Vorsitzende: „Viele sind noch sehr agil und fit"
Dass hoch betagte Seniorinnen und Senioren gerne einmal als dement abgestempelt werden, findet die Awo-Vorsitzende traurig. „Da sind Menschen bei, die auch bis ins hohe Alter noch sehr agil und fit sind“, sagt Domann-Jurkiewicz und berichtet von einem Ehepaar – er 98, sie 95 – das noch immer gemeinsam zu Hause wohnt. „Sie kocht noch und beide fahren noch regelmäßig mit dem Bus in die Stadt.“
Wenngleich der Zahn der Zeit bei dem einen oder anderen körperlich Spuren hinterlassen hat, seien viele aber zumindest geistig noch fit. „Was fehlt, sind Unterhaltungen im privaten Umfeld“, weiß die Awo-Vorsitzende. Die Altersgenossen wurden bereits überlebt, die Verwandten haben nicht immer Zeit.
Begegnungsstätten sind wichtige Bezugspunkte für Senioren
Nachholbedarf bei bezahlbarem Wohnraum
Um die Interessen der älteren Mitbürger zu vertreten, gibt es in Mülheim den Seniorenbeirat. „Da werden alle Probleme angesprochen und wertvolle Informationen weitergegeben“, lobt Elke Domann-Jurkiewicz.
Nachholbedarf sieht sie in Mülheim allerdings noch in Bezug auf bezahlbaren Wohnraum. Vor allem bei alleinstehenden Frauen. „Sie waren oft nur für die Kinder zuständig und haben dementsprechend eine sehr kleine Rente. Da sollte es noch mehr Unterstützung geben“, findet die Awo-Vorsitzende.
„Umso wichtiger sind die Begegnungsstätten“, betont Domann-Jurkiewicz. Ein einfacher Tanztee habe für die Senioren eine große Bedeutung. Ihr Tipp: „Solange man kann, sollte man immer noch etwas tun.“
Daher leidet diese Generation besonders unter der Corona-Pandemie. „Für diese Menschen ist ein Jahr eine lange Zeit. Corona nimmt ihnen ihre letzten Tage“, bedauert die Expertin und ergänzt: „Es gibt sehr viele einsame Menschen, an die wir aber gar nicht herankommen.“ Umso dankbarer ist sie, dass sich im vergangenen Jahr eine Hilfsorganisation auch zur Unterstützung der älteren Mitmenschen gegründet. „Da geht den Seniorinnen und Senioren das Herz auf.“