Mülheim. In Mülheim ist die umstrittene Körperwelten-Ausstellung eröffnet worden. Zwei künftige Körperspenderinnen erzählen, warum sie das tun.
Die Ausstellung „Körperwelten – Eine Herzenssache“ ist am Freitag in Speldorf eröffnet worden. Bis zum 22. August gastiert die Wanderausstellung, in der das wohl wichtigste Organ des menschlichen Körpers im Mittelpunkt steht, im Technikum auf dem ehemaligen Tengelmanngelände.
Fasziniert schaut Margret Quickels in eine Vitrine, in der gesunde und erkrankte Teile des Herzens nebeneinander liegen und liest interessiert die Schrifttafeln, die den Besuchern erklären, was sie genau vor sich sehen. Die Gladbeckerin ist zum ersten Mal in einer Ausstellung der Körperwelten und hatte im Vorfeld doch einige Bedenken.
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Körperwelten in Mülheim: „Außerordentlich interessant“
„Ich dachte, es wäre reißerischer, aber es ist wirklich ganz sachlich und ansprechend präsentiert“, zeigt sich Quickels positiv überrascht. Sie selbst hatte vor kurzem eine Hüftoperation und muss zugeben, dass „es doch außerordentlich interessant ist, hier bei einem entsprechenden Exponat zu sehen, was bei mir genau kaputt war und was repariert wurde.“ Damit ist die Besucherin, die sich am Freitag als eine der Ersten die Ausstellung im Technikum anschauen konnte, nicht allein.
Immer wieder zeigen Besucher auf unterschiedliche Körperregionen und erinnern sich an vergangene Erkrankungen oder versuchen anhand der Plastinate zu verstehen, welche Erkrankung einem nahen Angehörigen oder Freund das Leben gekostet hat.
Mit den Toten das Leben zeigen
Mit den Toten das Leben zeigen – dieses Paradoxon begleitet die nicht unumstrittenen Ausstellungen des Körperwelten-Erfinders Gunther von Hagens seit jeher. „Eine anatomische Ausstellung hat immer etwas Irritierendes, denn Leben und Tod kommen sich hier ganz besonders nah“, meint Philosophieprofessor Franz Josef Wetz, der gemeinsam mit Kuratorin Dr. Angelina Whalley, Ärztin und Ehefrau von Gunther von Hagens, bei der Ausstellungseröffnung die Gäste begrüßt und auch ethische Fragen nicht auslässt.
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Die Diskussion, in der Ausstellung würden Leichen zur Schau gestellt, sei schon länger runtergekocht, und der Professor für Kulturphilosophie betont, dass sowohl der Besuch, als auch die Körperspende freiwillig sei. „Unser vorrangiges Ziel war es immer, dass Menschen einen Einblick in die Anatomie des Körpers haben können, sich ihrer Leiblichkeit bewusstwerden“, sagt Whalley, die seit 25 Jahren für die inhaltliche Konzeption der Ausstellung verantwortlich ist. „Ohne unseren Körper können wir nicht existieren und Menschen können nur das wertschätzen, was sie auch kennen.“
Warum Spenderinnen ihren Körper zur Verfügung stellen wollen
Neben anfänglichen Berührungsängsten, eint die meisten Besucher auch eine bestimmte Frage. „Wer stellt seinen Körper für so etwas zur Verfügung und warum?“ Angelika Brauckmann beantwortet diese Frage gerne. Die 62-Jährige ist extra aus Bottrop angereist, um als zukünftige Körperspenderin Fragen der Besucher zu beantworten. Gerade diese Ausstellung liegt ihr besonders am Herzen, denn genau an diesem hatte Brauckmann schon viele Operationen.
„Vielleicht wird meines auch irgendwann mal in solch einer Ausstellung zu sehen sein, denn medizinisch ist es bestimmt ziemlich interessant“, sagt die Rentnerin, die ehrenamtlich als Sterbebegleiterin arbeitet und für die der Tod kein Tabuthema ist. Ob ihr Körper in einer Ausstellung landet oder ob sie mit ihrer Körperspende den universitären Lehrbetrieb unterstützt, das ist Angelika Brauckmann egal. „Mein Körper ist dann ja nur noch eine tote Hülle.“
„Scheibchenweise, als Ganzkörperplastinat oder in der Forschung – mir egal“
Neue Corona-Schutzverordnung – Tickets bleiben gültig
Laut neuer Corona-Schutzverordnung müssen Städte, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz über 100 liegt, die Notbremse ziehen. Mülheim gehört höchstwahrscheinlich dazu, so dass ab Montag auch die Ausstellung wieder schließen muss.
Allerdings können Städte mit entsprechenenden Teststrategien Öffnungen ermöglichen. Der Mülheimer Krisenstab berät dazu am Montag.
Die bereits erworbenen Tickets für die Körperwelten und die Terrakotta-Armee-Ausstellung behalten ihre Gültigkeit.
Auch Diana Höfels besitzt schon lange einen Körperspendeausweis. Die 50-jährige hat nach einer Routine-Operation durch eine schlimme Infektion ihr linkes Unterbein verloren. Mehr als 90 Operationen musste die Essenerin bis heute über sich ergehen lassen. „Ich bin der Meinung, dass ich jahrelang von der modernen Medizin profitiert habe und irgendwie etwas zurückgeben möchte“, so Höfels. Auch um dem medizinischen Nachwuchs die Möglichkeit zu geben, es besser zu machen, sich weiterzuentwickeln.
„Ob mein Körper dann scheibchenweise endet, als Ganzkörperplastinat oder in der Forschung, ist mir nicht so wichtig.“ Die Hauptsache sei doch, auch nach seinem Tod dazu beitragen zu können, dass die Medizin sich weiterentwickle und mit neuen Erkenntnissen Menschenleben gerettet werden könnten.