Mülheim. Mady und Christian Derißen betreuen eine große Kinderschar. Nach ihrer Astrazeneca-Impfung durchlebten die vorerkrankten Mülheimer schwere Tage.
Die Kindertagespflege „Little Stars“ in Mülheim-Dümpten war am Mittwoch geschlossen, ebenso wie an den Tagen zuvor. Nicht direkt wegen Corona, nicht aufgrund einer Quarantäne, sondern wegen massiver Nebenwirkungen der Astrazeneca-Impfung. Das komplette Personal war tagelang ausgeknockt.
Mülheimerin entsetzt nach Impfstopp: „Mein Gott, was haben wir uns da spritzen lassen?“
Die „Little Stars“ sind ein Tagespflegenest, in dem neun Kinder im Baby- oder Kleinkindalter betreut werden. Betrieben wird es von einem Mülheimer Ehepaar, das selber vier eigene Kinder hat: Mady und Christian Derißen. Am Samstagabend wurden sie mit Astrazeneca geimpft, ebenso ihre Mitarbeiterin. Am Montag kam die Meldung: Alle Impfungen mit Astrazeneca sind ab sofort gestoppt, wegen des ungeklärten Risikos gefährlicher Hirnvenenthrombosen. Mady Derißens erster Gedanke: „Mein Gott, was haben wir uns da spritzen lassen?“
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Die 32-Jährige und ihr Mann sind nur zwei von insgesamt rund 4700 Menschen in Mülheim, die bereits mit Astrazeneca geimpft wurden. Aber sie sind von den besorgniserregenden Nachrichten rund um das Serum in besonderer Weise betroffen. Christian Derißen (36) leide an einer genetisch bedingten Blutgerinnungsstörung, berichtet seine Frau. Vor einigen Jahren habe dies bereits eine Thrombose verursacht, die sogar operiert werden musste.
„Die Unsicherheit verfolgt einen jetzt“, sagt Mady Derißen. „Die Angst, dass da noch etwas kommt.“ Ihr Mann habe ein mulmiges Gefühl, sie selber sei extrem besorgt. Zumal niemand sicher weiß, in welchem Zeitraum nach der Impfung noch Komplikationen auftreten können. Irgendwo hat sie gelesen, bis zu 16 Tagen. „Ich zähle jetzt die Tage, bis diese Frist vorbei ist.“
„Unter Tränen“ im Impfzentrum gesessen
Sie selber leide an Panikattacken, bedingt durch eine Autoimmunerkrankung, und habe sich ohnehin nur schwer zu einer Impfung durchringen können – auch zum Schutz ihrer pflegebedürftigen Eltern, die noch keine Impfmöglichkeit hatten. „Unter Tränen“ habe sie im Mülheimer Impfzentrum gesessen, „aber ich wurde super aufgenommen, eine Dame hat mich sofort an die Hand genommen. Ich war so dankbar und erleichtert.“
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Bis die Nachricht vom Impf-Stopp kam. Seitdem habe die Panik sie wieder im Griff. „Ich werde seit Tagen nur noch von der Angst regiert.“ Auch die Nebenwirkungen waren nicht ohne: Alle hätten sie erhöhte Temperatur bekommen, die Mitarbeiterin sei nun die ganze Woche krank geschrieben, ihr Mann hatte tagelang Fieber, Übelkeit, Gliederschmerzen, „ihm ging es richtig schlecht“. Sie selber vergleicht das Befinden am Tag nach der Impfung mit einem Kater nach durchfeierter Nacht. Besonders unangenehm: ein brennendes Gefühl auf der Haut. „Aber man konnte es mit Paracetamol oder Ibuprofen gut aushalten.“
Impfstoff vom Markt genommen
Während Mady und Christian Derißen in großer Sorge sind, gibt es offenbar auch Menschen, die sich weiterhin mit Astrazeneca impfen lassen würden – auf eigenen Wunsch und eigenes Risiko.
Dass das aber ausgeschlossen ist, stellte der stellvertretende Leiter des Mülheimer Gesundheitsamtes, Thomas Hecker, am Dienstag im Fachausschuss klar.
„Impfungen mit Astrazeneca sind derzeit nicht möglich“, so Hecker. „Der Impfstoff ist vom Markt genommen.“
Doch sie fühlten sich angeschlagen und haben ihr Kindertagespflegenest vorsichtshalber geschlossen. Erst am Donnerstag soll es bei den „Little Stars“ weitergehen. Auch zu Hause müssen sich Mady und Christian Derißen um reichlich Nachwuchs kümmern, ihr Jüngster ist zwei, der Älteste 15 Jahre alt. „Ich habe viel Verantwortung“, sagt die 32-Jährige, „meine Kinder und auch meine Eltern brauchen mich.“
Zweiter Impftermin ist Anfang Juni geplant - Paar will kurzfristig entscheiden
Am 5. Juni stünde eigentlich der zweite Impftermin für das Paar an. Wieder mit Astrazeneca. Ob er stattfindet, weiß momentan noch niemand. Am Mittwoch hat die Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlen, die Impfungen mit Astrazeneca fortzusetzen. Die Entscheidung auf europäischer und deutscher Ebene steht noch aus. Mady Derißen will den Termin auf jeden Fall bestehen lassen und kurzfristig entscheiden, nach intensiver Beratung mit einem Arzt. Sie betont: „Grundsätzlich bin ich für das Impfen. Anders kommen wir ja aus der Pandemie nicht raus.“