Mülheim. Erneut macht die Verwaltung der Politik beim Anwohnerparken im Südviertel einen Strich durch die Rechnung. Welche Alternativen sind möglich?
Kommt nun das Anwohnerparken für das Südviertel oder nicht? Seit Jahren bieten sich Verwaltung und Politik gegenseitig Schach. Neuester Zug der Verwaltung: Sie erklärt einen Beschluss der Bezirksvertretung 1 vom vergangenen Jahr für rechtswidrig. Es droht eine weitere Hängepartie, während die Probleme im Viertel nicht gelöst sind. Es wäre Zeit, über Alternativen nachzudenken.
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Kommunen müssen mehr Verantwortung für das Parken übernehmen
„Die Kommunen müssen beim Dauerthema Parken mehr Verantwortung übernehmen“, fordert der Professor für Mobilitätsmanagement und Verkehrsexperte des ADAC, Roman Suthold. Der Parksuchverkehr mache allein bis zu 40 Prozent des innenstädtischen Gesamtverkehrs aus, durchschnittlich zehn Minuten und 4,5 Kilometer muss ein Autofahrer für die Parkplatzsuche aufwenden.
„Der Parkdruck nimmt zu, das zeigen schon die extrem angestiegenen Zulassungszahlen“, stellt Suthold fest. Dazu trage auch bei, dass Familien oft an die Randlagen ziehen und mit dem Auto in die Innenstadt fahren. Auch im Umfeld von Innenstadt-Krankenhäusern beobachtet Suthold verschärfte Bedingungen, weil zum meist umfangreichen Personal auch die Besucher hinzukommen.
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Anwohnerparken löst das Problem der Parkplatzsuche nur bedingt
Das reine Anwohnerparken löst diesen Konflikt nur einseitig zu Gunsten der Bewohner auf, und ruft zudem mögliche Verdrängungen in angrenzende Quartiere hervor. „Außerdem ist damit nicht garantiert, dass man in seiner Nähe auch einen Platz findet“, wendet Suthold ein – der nervige und kostspielige Suchverkehr sei damit längst nicht verhindert.
Mehr Raum, um weitere Parkbuchten zu schaffen, gibt es zumeist nicht. Und er wäre oft auch nicht notwendig, denn Schätzungen des ADAC-Experten zufolge, ist selbst in Spitzenzeiten der Parkraum durchschnittlich nur zu 70 Prozent ausgelastet.
ADAC fordert: Parkraum effizienter nutzen
„Der vorhandene Parkraum muss dringend effizienter genutzt werden“, schlägt Suthold dagegen vor. Zwei Lösungsalternativen bieten sich aus seiner Sicht an: Quartiersgaragen und Parkplatz-Sharing-Konzepte.
Quartiersgaragen richten sich vor allem an Dauerparker und stehen ausschließlich Anwohnern der umliegenden Häuser zur Verfügung. Dabei dürfen die Kosten für die Stellplätze nicht teurer sein als im öffentlichen Raum – viele kostenlose Plätze, wie etwa im Südviertel vorhanden, stünden aber in Konkurrenz zu dem Angebot. In Düsseldorf etwa gibt es gut 60 solcher Quartiersgaragen. Allerdings, so Suthold, funktionieren nicht alle so gut wie erhofft.
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Wie Quartiersgaragen und Parkplatz-Sharing helfen
Idee zwei, das Parkplatz-Sharing, sorgt etwa in den USA für eine bessere Auslastung der Plätze: Parkplatz-Besitzer stellen ihre Fläche etwa dann zur Verfügung, wenn sie sie selbst nicht benötigen. „Geregelt wird das über eine App“, erläutert Suthold. In Köln etwa werde dies über eine App des Start-up-Unternehmens Ampido zum Beispiel für das Belgische Viertel angeboten. Auch die Stadt Mülheim könnte ein Pilotprojekt im Südviertel mit dem Anbieter auf die Beine stellen, glaubt Suthold.
Beide Ansätze könnten den problematischen Suchverkehr mindern. Doch für den Mobilitäts-Professor gibt es noch einen grundsätzlicheren, dritten Ansatz: „Wenn man will, dass es weniger Autoverkehr in der Stadt gibt, muss man den öffentlichen Nahverkehr attraktiv, also schnell und gut erreichbar machen: Bequemlichkeit sticht hier Moral.“
Anwohnerparken in vielen Wendungen
2018 beginnt die Diskussion um das Anwohnerparken mit einer Anwohnerversammlung zu der die SPD geladen hatte. Die SPD bringt dies als Antrag in die Bezirksvertretung ein.
Im November 2018 kommt es zur Bürgerversammlung in der Aula der Realschule Stadtmitte. Gewerbetreibende monieren, dass Anwohnerparkplätze den Platz für die Kunden nähmen.
Im Januar 2019 schreitet schließlich Polizeipräsident Frank Richter ein und stellt in Aussicht, Teile der Beörde nach Essen zu verlagern, wenn es keine Parkplätze für die Polizei mehr gebe.
Im Mai 2019 löst der Konzeptvorschlag der Verwaltung Furore aus. Angeblich soll die Kontrolle der mit einher gehenden Parkraumbewirtschaftung durch das Ordnungsamt 130.000 Euro kosten. Der Kämmerer interveniert: zu teuer.
Im Juli 2019 schlägt die Politik ein Parkhaus hinter dem Sportplatz vor. Im August antwortet die Verwaltung: Das sei planungsrechtlich nicht zulässig und nur mit weiteren Gutachten zu ändern.
Im Mai 2020 soll ein Kompromiss mit einer Parkscheibenregelung erzielt werden. Eine Umfrage soll aber wenig Akzeptanz beim Bürger ergeben haben. Die BV 1 fasst daraufhin den erneuten Beschluss, die die Verwaltung zu beauftragen, die Bewohnerparkregelung im Bereich der südöstlichen Innenstadt umzusetzen.
Mehr ÖPNV, weniger Autoverkehr? Das wäre auch ein wichtiges Signal an die Ruhrstadt, wo die Verwaltung aktuell an einem neuen - womöglich radikal überarbeiteten – Nahverkehrsplan strickt.
MBI kritisiert „verselbständigte Verwaltung“
In der BV 1 ist die Politik über den neuesten Schachzug der Verwaltung, das Einkassieren des Beschlusses nach fast neun Monaten, wenig amüsiert. „Die Mülheimer Verwaltung will das halt nicht und demonstriert, wer in Wirklichkeit regiert, nämlich die Exekutive, die sich mit Corona in weiten Teilen noch stärker verselbstständigt hat“, kritisiert die MBI.
Nicht wenige Mitglieder der BV wünschen sich – nachdem das Thema seit drei Jahren diskutiert wird – endlich bessere Zusammenarbeit bei der Umsetzung von politischen Zielen statt Blockade. „Es gibt doch Interpretations-Spielräume, die man weit oder eng auslegen kann. Am Ende“, befürchtet der CDU-Bezirksfraktionsvorsitzende Hansgeorg Schiemer, „verlieren beide Seiten: Die Politik, weil sie nichts umsetzen kann, und die Verwaltung, weil sie nicht bürgernah handelt.“