Mülheim. Die Winterware staut sich in den Modegeschäften. Verramschen, einlagern, entsorgen – was die Mülheimer Händler mit der Kleidung planen.

Die Modegeschäfte sind noch voller Winterware, Wirtschaftsexperten sagen eine wahre Rabattschlacht voraus, sollte der Lockdown irgendwann im März vorbei sein. Von 50 bis 70 Prozent Preisnachlässen ist die Rede. Im Internet hat der „Mega-Sale“ längst begonnen, die großen Modeketten bereiten sich schon auf die Öffnung der Läden und das Abverkaufen vor. Was plant der stationäre Handel vor Ort in Mülheim?

Winterware in Mülheim: Verramschen, einlagern oder gar zerstören?

Verramschen, einlagern, entsorgen oder gar verbrennen? Die Meinungen dazu und die Strategien der Händler sind unterschiedlich. Natascha Pätzold von der „Boutique Natascha“ an der Kaiserstraße ist auch im Lockdown nicht untätig, sie verkauft nach dem Click-and-Collect-Prinzip weiter ihre Damen-Bekleidung. Auf den sozialen Medien kann man ihr Sortiment anschauen, sich etwas heraussuchen und dann an der Ladentür abholen – auch zu reduzierten Preisen. Anprobiert wird zu Hause, passt der ausgewählte Artikel nicht, bringen die Kundinnen – meist Stammkundinnen – ihn zurück.

Wenn die Modeläden wieder öffnen, wird es wohl jede Menge stark reduzierte Waren geben.
Wenn die Modeläden wieder öffnen, wird es wohl jede Menge stark reduzierte Waren geben. © WAZ | KRUSE, Reiner

„Das Verkaufen ist nicht leicht, man muss sich sehr bemühen“, sagt die Geschäftsfrau, die sogar abends um 23 Uhr noch auf Anrufe reagiert. Durch die Ausgabe an der Ladentür hat sie die Winterware einigermaßen gut an die Frau gebracht, viel davon ist nicht mehr da, immer mehr Frühlingskleidung kommt in Laden und Schaufenster.

Mülheimer Modehändler: Nicht an Preisschlacht beteiligen

Anders sieht das bei den beiden Innenstadtläden „Prümer“ und „Jürgens“ am Löhberg aus, die beide von Frank Prümer betrieben werden. Dort lagert noch jede Menge Winterware. Einen großen Ausverkauf plant der Inhaber für die Zeit nach dem Lockdown aber nicht. „An dieser Preisschlacht werde ich mich nicht beteiligen“, sagt er. Und: „Ich halte nichts davon, Ware zu entwerten.“ Die übrig gebliebenen Artikel für Spottpreise rauszuhauen oder gar zu vernichten, sei der falsche Weg in einer Zeit, in der Nachhaltigkeit immer wichtiger werden sollte.

Außerdem: „Wer will im März noch Winterware kaufen? Da hat man Lust auf etwas Sommerliches, will sich etwas gönnen, das man gleich tragen kann“, meint Prümer. Deshalb werde er so manchen Artikel aufheben für den kommenden Winter – wie auch andere Händler. „Vor allem die Standardware. Eine schwarze Jeans bleibt eine schwarze Jeans, die kann auch nächstes Jahr noch attraktiv für Kunden sein.“

„Tatsächlichen Kosten sind nicht abgedeckt“

Frank Prümer kann es sich (noch) leisten, auf das Verramschen zu verzichten, er weiß aber: „Es gibt viele Mitbewerber, die keine Liquidität haben, die müssen die Wintersachen irgendwie raushauen, sonst können sie gar keine Sommerware anschaffen und bezahlen.“ Die Hilfsprogramme der Regierung seien für die Modebranche unzureichend gestrickt, es komme nicht genug Geld beim Händler an (siehe Info-Box). „Unsere tatsächlichen Kosten sind einfach nicht abgedeckt. Wir verstehen, dass die Pandemie eingedämmt werden muss, um Leben zu retten. Aber unsere Entschädigung muss auch so bemessen sein, dass die Händler überleben können.“ Die Politik höre nicht genug auf den Expertenrat.

Kritik an staatlicher Hilfe

Für ganz viele Textilhändler gehe es nicht darum, Gewinne zu machen, sondern ihre Existenz zu sichern, so Frank Prümer und Peter von Drathen.Die staatlichen Hilfsprogramme ermöglichten das aber nicht, sie gingen an der Praxis der Modehäuser vorbei. So komme etwa bei den Abschriften auf Warenlager kein Geld beim Modehändler an.Oder: „In der Überbrückungshilfe III gibt es eine Pauschale für Personalkosten. der tatsächlichen Bedarf ist aber zeitweise viel höher einzuschätzen“, so Prümer.Die Antragstellung sei zudem äußerst kompliziert.

Das meint auch Peter von Drathen, Inhaber von neun Modegeschäften – eins davon in Saarn. Er verdiene nicht nur wenig bis nichts, auch seine Kosten würde durch die unzureichenden staatlichen Hilfen überhaupt nicht aufgewogen. Nur wenige Modehändler, so glaubt er, werden die Corona-Krise überstehen.

„Sale“ quasi schon seit dem Herbst

Die Warenlager bei von Drathen seien voll. „Wir haben im Herbst schon reduziert, weil die Sommerware auch schon nicht gut weggegangen ist. Vieles war um 30 bis 50 Prozent reduziert. In unserem Online-Shop haben wir einen großen Weihnachtssale gemacht und verkaufen dort auch derzeit Artikel weit unter dem Einkaufspreis, nur um die Ware loszuwerden.“

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Zu den übrig gebliebenen Beständen von Sommer-, Herbst- und Winterkleidung komme jetzt auch noch die Frühlingsware. „Im März oder April kauft man sich aber keine Übergangsjacke und keinen Pullover mehr, da guckt man schon wieder nach Sommer-T-Shirts“, meint Peter von Drathen.

Also werde er wohl, sollten die Geschäfte im März oder April wieder öffnen dürfen, gleich wieder Rabatte geben – auf die Frühjahrskollektion. Anders als Frank Prümer meint der Saarner Händler: „Mode ist ein schnelllebiges Gut. Die Ware staut sich und im nächsten Jahr ist sie modisch alt und nur schlecht zu verkaufen.“