Mülheim. HRW-Student Sven Sutthoff war gerade zum Austausch in Wuhan, als dort die ersten Corona-Fälle ausbrachen. Zum Jahrestag blickt er dankbar zurück.

Als Sven Sutthoff im September 2019 nach Wuhan in China reiste, ahnte er nicht, dass nur wenige Monate später von dort aus ein Virus ausgehen und am Ende die Welt beherrschen würde. „Ich wollte ein Jahr dort bleiben und studieren“, sagt der 23-jährige, der an der Mülheimer Hochschule Ruhr West im achten Semester „Emerging Markets“ studiert. Doch es kam anders. Der „Jahrestag der Pandemie“ lässt ihn zurückblicken auf die bisher ungewöhnlichste Reise seines Lebens.

Der 11. März 2020 ist der Tag, an dem die Weltgesundheitsorganisation WHO die Corona-Krise das erste Mal als Pandemie bezeichnet. Da ist Sven Sutthoff längst wieder zu Hause bei seinen Eltern, die einen Bauernhof in Rheda-Wiedenbrück betreiben. Und überglücklich, dass er es „rausgeschafft hat aus Wuhan“.

Harter Lockdown: Ab dem 23. Januar riegelte China Wuhan ab

Aber von vorne: „Ich erinnere mich, dass es zwischen Weihnachten und Neujahr die ersten Meldungen über Corona-Fälle gegeben hat“, sagt Sven Sutthoff. „Damals ließ die Regierung mitteilen, dass man sich keine Sorgen machen müsse, alles sei unter Kontrolle.“ Seine Kommilitonen und er selbst hörten nur wenig von weiteren Fällen, kaum einer habe eine Schutzmaske getragen – obwohl das in China weit verbreitet sei.

Ein Jahr Corona-Pandemie- Trauer und Wut in Wuhan

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    „Erst ab dem 15. Januar 2020 nahmen wir etwas mehr davon wahr und am 20. Januar griff die Regierung plötzlich hart ein.“ Nur drei Tage später wurde alles abgeriegelt und Wuhan ging in den harten Lockdown. „Noch nicht einmal Supermärkte hatten geöffnet, viele meiner Freunde waren – wie alle anderen Menschen – in ihrer Wohnung gefangen.“

    Studenten in Wuhan mussten wochenlang in beengten WG-Zimmern ausharren

    Sven Sutthoff hatte Glück: „Am 20. Januar bin ich zu meiner ehemaligen Gastfamilie nach Shanghai gefahren, weil ich mit ihnen das Frühlingsfest verbringen wollte.“ Bereits als Schüler hatte er in der zehnten Klasse dort ein Jahr verbracht und die Sprache gelernt. Von dort aus sah er mit an, wie seine Freunde wochenlang in den teilweise beengten WG-Zimmern ausharren mussten.

    „Es war absolut chaotisch, alle wollten so schnell wie möglich aus der Stadt raus. Viele waren schockiert, wie hart in ihre Grundrechte eingegriffen wurde.“

    Nach der Ankunft in Deutschland direkt nach Hause gefahren

    Nun waren auch im etwa 800 Kilometer entfernten Shanghai alle Masken ausverkauft. „Und meine Gastfamilie ziemlich besorgt, weil ich gerade aus Wuhan gekommen war.“

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    Die meisten der Austauschstudenten wollten schnell wieder in ihre Heimatländer zurück. Auch Sven Sutthoff buchte alsbald einen Rückflug nach Deutschland. Am 25. Januar landete er schließlich wieder in Frankfurt. „Ich hatte mich bei der Botschaft erkundigt, dort hieß es: Solange Sie keine Symptome haben, müssen Sie nicht in Quarantäne.“ Auf der Zugfahrt zurück trug er eine FFP2-Maske. „Viele Leute haben mich schief angeschaut.“

    Student: „Ich hätte der erste Fall in Deutschland sein können – wie in Heinsberg“

    Derzeit keine bestätigten Fälle in Wuhan

    Die chinesische Zentralregierung riegelte Wuhan in der Nacht auf den 23. Januar ab. Nach und nach wurde dann der Lockdown auf andere Städte der Provinz Hubei und weitere chinesische Provinzen ausgedehnt. Am 11. März 2020 rief die WHO die Pandemie aus, am 18. März wurde der Lockdown in Wuhan zum ersten Mal gelockert, am 8. April endete dieser.

    Heute gibt es laut der chinesischen Regierung in ganz China lediglich 168 bestätigte Fälle. Davon entfallen null auf Wuhan und ebenfalls null auf die Provinz Hubei. „Ob die Zahlen der Regierung hierbei verlässlich sind, vermag ich nicht zu beurteilen, doch gehe ich davon aus, dass sie tatsächlich auf extrem niedrigen Niveau liegen“, schätzt Student Sven Sutthoff die Lage ein.

    „Einen Tag später war ich schon auf dem Geburtstag meiner Tante und mit hunderten von Leuten in Kontakt“, erinnert er sich. Im Nachhinein betrachtet klingt das fahrlässig, damals war es nicht ungewöhnlich und es gab keine Vorgaben des Gesundheitsamtes. „Ich hätte der erste Fall sein können – wie in Heinsberg“, ist sich Sutthoff bewusst. „Aber ich hätte mir niemals vorstellen können, dass dieses Virus bis nach Deutschland kommt.“

    Heute ist er dankbar, dass in Deutschland trotz der Einschränkungen doch noch vieles möglich ist. „Ich bin auch genervt vom Lockdown, doch wir dürfen immer noch raus und an die frische Luft, es ist möglich, seine Familie zu treffen. Das war es in Wuhan nicht.“

    Mit den Freunden in China in Kontakt bleiben

    Seine Habseligkeiten lagern auch ein Jahr später noch in China. Ein Kommilitone war so nett, die Sachen aus dem WG-Zimmer zu retten und zu seiner ehemaligen Gastfamilie nach Shanghai zu senden. Doch die darf nichts Privates nach Deutschland verschicken. Aber wer weiß: Vielleicht wird es nach überstandener Pandemie wieder möglich sein, sich zu besuchen. „Ich bleibe auf jeden Fall mit meinen Freunden in China in Kontakt.“