Duisburg. Das Leben in Wuhan hat sich längst normalisiert. Sogar Großveranstaltungen finden statt. Wie Duisburgs Partnerstadt Corona in den Griff bekam.


Wuhan gilt als der Ursprungsort der weltweiten
Corona
-Pandemie. Dort sind Ende 2019 die ersten Fälle gemeldet worden. Deutschland kämpft aktuell mit der zweiten Welle, doch nicht nur in Duisburgs
Partnerstadt
, sondern
in ganz China hat sich das Leben längst normalisiert
. Nach offiziellen Angaben gibt es nur noch ganz vereinzelte Neuinfektionen. Wie ist das zu bewerten? Wie ist das möglich? Und wie lebt es sich aktuell in
Wuhan
?

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Wir haben mit Markus Taube, Ostasienwissenschaftler an der Uni
Duisburg
, mit Susanne Löhr vom
Konfuzius-Institut
und mit Shenwei Zhang gesprochen. Der 34-jährige hat von 2011 bis 2015 in
Duisburg
in Germanistik promoviert und ist danach in seine Heimatstadt Wuhan zurückgekehrt. Dort arbeitet er als Hochschullehrer und lebt mit seiner Frau und seinem Sohn.

Wegen Corona: Duisburgs Partnerstadt Wuhan fast 80 Tage komplett abgeriegelt


„Von
Corona
habe ich zum ersten Mal im vergangenen Dezember gehört“, sagt Zhang. Am 23. Januar wird die Elf-Millionen-Metropole dann wegen des stark grassierenden Virus komplett abgeriegelt, das öffentliche Leben de facto still gelegt. Zur Einordnung: Ganz NRW hat knapp 18 Millionen Einwohner. Shenwei Zhang ist beim Start des Lockdown mit seiner Familie wie so viele Landsleute anlässlich des Frühlingsfestes längst verreist. In Harbin, Chinas nördlichster Provinz, ist sein Onkel zu Hause. Zhang bleibt mit Frau und Kind länger als geplant.

Shenwei Zhang hat in Duisburg promoviert und lebt mit seiner Familie in Wuhan.
Shenwei Zhang hat in Duisburg promoviert und lebt mit seiner Familie in Wuhan. © Unbekannt | Zhang



Denn fast 80 Tage dauert der Ausnahmezustand in Wuhan, den er selbst also gar nicht miterlebt. Dafür hat Ostasienwissenschaftler Taube beste Kontakte nach Wuhan und sagt: „Die chinesischen Behörden haben es anfangs sicher schleifen lassen,
Fehler gemacht
und gedacht, das Virus schon irgendwie eindämmen zu können“, sagt er. „Als das nicht gelang, haben sie aber Maßnahmen getroffen, die radikaler als alles das waren, was wir uns vorstellen können und in Deutschland kennen“, so Taube. „Die Menschen mussten in ihren Wohnungen bleiben. Da wurden Türen zugeschweißt, Nahrungsmittel durchs Fenster gereicht.“

Drastische Freiheitsbeschränkungen

Susanne Löhr hat Bekannte in der Region Hubei mit Wuhan als Hauptstadt. „Sie haben mir erzählt, dass der Alltag schon sehr eintönig war“, so die Geschäftsführerin des Duisburger Konfuzius-Instituts. „Man muss wissen, dass die Menschen dort zumeist in großen Wohnblocks leben, ohne Balkon. Und doch hatten sie sehr viel Verständnis für die teils drastischen Maßnahmen.“

Nun hat der chinesische Staat allerdings bekanntermaßen auch einen viel stärkeren Durchgriff in die Gesellschaft. „Solche massiven Freiheitsbeschränkungen sind bei uns nicht denkbar“, so Taube. „Auch, was das Thema Datenschutz betrifft. Andererseits sollten wir uns vielleicht manchmal fragen, welche Daten wir eh von uns aus im Internet preisgeben.“

„Health Code“ als Corona-Warnsystem und digitale Eintrittskarte

So hat China eine Art Warn-App zur Bekämpfung der Pandemie eingesetzt, einen so genannten „Health Code“ mit Ampelsystem, aber auch vergleichbar mit einer digitalen Eintrittskarte, um zum Beispiel öffentliche Verkehrsmittel nutzen zu können – oder eben nicht.

„Alle Maßnahmen waren brutal, aber auch höchst effektiv und haben ganz entscheidend dazu beigetragen, dass das Leben in China nun wieder normal stattfindet“, sagt Taube. „Denn dann kann sich das Virus eben nicht mehr ausbreiten.“

Ostasien-Experte: Die extrem niedrigen Fallzahlen in China sind nah an der Wirklichkeit

Den aktuellen extrem niedrigen Fallzahlen dürfe man zwar nicht zu 100 Prozent trauen, „weil es auf lokaler Ebene immer Vertuschungsversuche geben kann“, sagt der Ostasien-Experte. „Aber die Zahlen sind nah dran an der Wirklichkeit.“



Schon bei ganz wenigen Neuinfektionen werden Massentests durchgeführt wie zum Beispiel im vergangenen Oktober, als die chinesischen Behörden in Qingdao innerhalb von fünf Tagen 10,9 Millionen Einwohner der Hafenstadt auf SARS-CoV-2 testeten, nachdem sich ein Taxifahrer und mehrere Hafenarbeiter infiziert hatten.

Im Mai Massentest in Wuhan


Zhang hat so einen
Massentest im vergangenen Mai in Wuhan
mitgemacht. „Das hat auch innerhalb einer Woche funktioniert“, erzählt der 34-Jährige. „Dann stellen die Behörden genügend Personal ab und sorgen zu unterschiedlichen Zeiten für Teststationen an jedem Wohnblock. Ich musste zum Testen nur ein paar Meter aus dem Haus gehen.“



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Wann sich das Leben in Wuhan wieder normalisiert hat, kann der Hochschullehrer gar nicht so genau sagen. „Das ist nach und nach passiert.“ Susanne Löhr berichtet, dass schon wieder Großveranstaltungen, Kongresse und Messen stattfinden. Mitte August sorgten Bilder von einer
Pool-Party mit tausenden Feiernden ohne Abstand und Masken in Wuhan
weltweit für Schlagzeilen – und auch für viel Kritik. Auch Einzelhandel, Theater, Kinos und Gastronomie sind längst wieder regulär geöffnet, wobei es laut Zhang Temperaturmessungen etwa vor jedem Restaurantbesuch gebe.


„Wer aus dem Ausland nach China zurückkehrt, wird getestet und muss für 14 Tage in
Quarantäne
“, so der 34-Jährige. „Und in Bussen und Bahnen müssen auch wir Masken tragen“, sag Zhang.

Zhang: Maßnahmen nie als Einschränkung der Freiheit gesehen

Die Demos in Deutschland gegen die Schutzmaßnahmen kann Zhang nicht recht nachvollziehen. „Ich habe alle Maßnahmen nie als Einschränkung meiner Freiheit gesehen, sondern als Beitrag zur Eindämmung der Pandemie“, so Zhang. „Eine Freundin hat ihre Hochzeit mit zehn Leuten gefeiert und ich meinen Geburtstag mit sechs, sieben Personen. Es ist einfach wichtig, weiter vorsichtig zu sein. Meine Familie, Freunde und auch ich sind bisher zum Glück von Corona verschont geblieben.“

Aus Wuhan sind bisher 50.340 Fälle gemeldet worden. 3.869 Menschen sind verstorben. In ganz Festlandchina liegt die Zahl der Neuinfektionen, Stand 26. November, aktuell bei 5...

>> WIRTSCHAFTLICHE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN DUISBURG UND WUHAN



Duisburg
ist seit 1982 die Partnerstadt von Wuhan. Seitdem sind auch
die wirtschaftlichen Beziehungen
stetig intensiviert worden. Duisburg soll nach dem Willen von Oberbürgermeister Sören Link zur
China-Stadt Deutschlands
werden.



Wuhan
selbst lebt sehr stark von der
Automobilindustrie
, erläutert Markus Taube, Ostasienwissenschaftler an der Uni Duisburg. „Da fehlen derzeit wegen Corona die ausländischen Experten, die Ingenieure und damit auch die Kontakte nach Europa.“ Grundsätzlich boome Chinas Wirtschaft schon fast wieder wie vor der Pandemie. Taube: „Viele
Investoren
warten nur darauf, dass die zweite Welle vor allem in Deutschland, beim Wirtschaftspartner Nummer eins, wieder abebbt, um Geschäfte zu machen.“


• Dies bestätigt auch Kai Yu, Geschäftsführerin des China Business Network Duisburg und Mitarbeiterin der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (GfW). „Die Vorbereitungen, die
Vorplanungen
laufen“, so Yu. Und schon jetzt verkehren aktuell bis zu
60 Züge
mit jeweils rund 40 Containern wöchentlich zwischen dem
Duisburger Hafen
und verschiedenen Zielen in China.