Mülheim. Corona hat dem Mülheimer Arbeitsmarkt kräftig zugesetzt. Warum aber auch andere Gründe eine starke Rolle spielten und was Betriebe hoffen lässt.

Auch wenn damit zu rechnen war: Das Corona-Jahr hat den Mülheimer Arbeitsmarkt spürbar in die Knie gezwungen. Trotz Kurzarbeiter-Geld und Hilfen stieg die Arbeitslosigkeit im Jahr 2020 um 16,8 Prozent. 7140 Menschen (8,3 Prozent) in der Stadt sind ohne Arbeit, ein Anstieg zum Vorjahr um gut 1000. Warum die Agentur für Arbeit für 2021 dennoch Hoffnung schöpft.

So hoch waren die Arbeitslosenzahlen zuletzt 2010 (7279), seitdem gingen sie in der Ruhrstadt zum Glück nach unten, 2018 sogar kräftig auf 6237. Punktgenau mit dem Lockdown schnellten im April die Zahlen in die Höhe, zeigt Christiane Artz, Geschäftsführerin der Agentur für Arbeit Mülheim. Bis August kletterten sie fast analog zur ersten Welle um 26 Prozent auf rund 7800 an.

Gründe für sinkende Beschäftigung im Mülheim liegen nicht allein in der Corona-Pandemie

Gründe für die schlechten Beschäftigungszahlen sieht Artz jedoch nicht allein in der Pandemie, sondern scheinen auch "hausgemacht". Schon vor Corona hatte die Ruhrstadt gegenüber ihren Nachbarn eine deutlich schlechtere wirtschaftliche Entwicklung vorzuweisen etwa durch Abwanderungen von Gewerbe, wie Artz aufzeigen kann. So konnte Mülheim die Auswirkungen der Pandemie offenbar schlechter kompensieren und fiel im März um 1,4 Prozent ab, während etwa Oberhausen bei den Beschäftigten noch 0,4 Prozent zulegte.

Drastisch erwischt hat es die Jugendlichen. 344 haben keine Arbeit gefunden, ein Anstieg um 52 Prozent. Rettet eine gute Ausbildung auch vor der Pandemie? Zumindest wer unter den Berufstätigen generell einen guten Abschluss hatte oder Fachkraft war, zählte seltener zu den Corona-Verlierern.

Abschwung beim Einzelhandel und Friseuren, Aufschwung bei Callcentern und Sicherheitsdiensten

Der Mülheimer Einzelhandel sowie KfZ- und Instandhaltungsbetriebe, Friseure und ebenso Dienstleister im privaten Haushaltsbereich waren weitestgehend im Lockdown. Hier gab es 2020 nachvollziehbar die meisten Rückgänge bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten, teilweise um rund zwölf Prozent. Hingegen verzeichneten Callcenter, Sicherheitsdienste und das Gesundheitswesen einen spürbaren Aufschwung sowie Betriebe, die Konsumgüter für den häuslichen Gebrauch anboten wie Baumärkte.

„Die Kurzarbeit konnte in den Betrieben vieles abfedern“, sagt Artz. So erklärt sich auch, warum es zumindest in Mülheim wohl keine wirklich nennenswerte Lücke zwischen den Geschlechtern gegeben hat, obwohl Branchen betroffen waren, in denen der Anteil von Frauen stark ist.

Kurzarbeit wird von Betrieben weniger genutzt als befürchtet

Und doch ist die Kurzarbeit bei Mülheimer Arbeitgebern offenbar bei weitem nicht so verbreitet wie befürchtet. So haben ab März zwar deutlich mehr Unternehmen gegenüber der Agentur für Arbeit die Kurzarbeit angemeldet: Von elf im Februar stieg ihre Zahl abrupt erst auf 354, dann auf 1455 Betriebe an.

Aktuell liegen die Anzeigen 1887 Betrieben. Doch inzwischen wird ebenso deutlich, dass die Kurzarbeit offenbar weniger benötigt wird als gedacht: Denn tatsächlich haben in der Hochphase im April nur rund 1123 Betriebe die Kurzarbeit auch umgesetzt. Seitdem sank ihre Zahl auf knapp 600. Es sind also weitaus weniger Mülheimer davon betroffen als erwartet, statt gut 16.000 waren es etwa im Juni 2020 nur 4300 – ein Viertel.

Ausblick 2021: Stellenmarkt steigt, doch eine dritte Welle kann den Trend brechen

„Der ,worst case' – der schlimmste Fall – ist nicht eingetreten“, bestätigt die Geschäftsführerin der Arbeitsagentur, wenngleich sie auch zustimmt: „Die Auswirkungen von Corona auf den Arbeitsmarkt sind dennoch katastrophal.

Und der Ausblick? Schaut Artz auf die Arbeitslosenzahlen und den Stellenmarkt, sieht sie Grund zur Hoffnung: Die eine Seite sinkt, die Stellenmeldungen haben bis November um fast ein Viertel zugelegt – der zweite Lockdown im Dezember sorgte für einen kurzen Einbruch. Mit den sinkenden Infektionszahlen hofft Artz auf einen wieder steigenden Stellenmarkt 2021. Nur eine dritte Welle könnte diesen Trend brechen.

INFO

Mehr Menschen in Arbeit zu bringen - das ist dem Jobcenter unter Corona-Bedingungen erwartbar schlechter gelungen: Das Ziel von 22 Prozent, also 3090 Eingliederungen, hat man verfehlt, 2200 wurden es dennoch.

Immerhin gelang es, 318 Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt zu integrieren, vermeldet Thomas Konietzka, Leiter des Sozialamtes und des Jobcenter Mülheim - also mehr als erwartet.

"Leider kam vieles erschwerend zusammen: Kontaktreduzierung, Angst vor Ansteckung, Zurückhaltung bei Maßnahmen. Wir dürfen uns aber nicht ausruhen, sondern 2021 mehr erreichen", sagt Konietzka, "denn hinter jeder Zahl stehen für uns immer auch Menschen".