Mülheim. Fast der gesamte Einzelhandel in Mülheim hat geschlossen, Sportwetten können aber vor Ort angenommen werden. Läuft das alles ganz legal?

Von außen wirkt die Annahmestelle des Wettanbieters Tipico am Dickswall geschlossen. Alles ist dunkel und jede Menge Hinweisschilder kleben fast auf der gesamten Scheibe der Eingangstür. Doch während Friseursalons, Kinos oder Fitnessstudios aufgrund des Lockdowns geschlossen haben, ist der Laden geöffnet.

Ein einsamer Mitarbeiter hält in dem leeren Raum die Stellung. Während unseres Gesprächs kommen zwei Kunden kurz herein, sind aber nach wenigen Minuten schon wieder verschwunden. „Der Nächste hätte jetzt schon draußen warten müssen“, erklärt der Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden möchte. Denn aktuell sind nur vier Personen gleichzeitig erlaubt – oder genau genommen eine pro zehn Quadratmetern.

Verordnung erlaubt Öffnung von Wettbüros nur zur Entgegennahme der Wetten

Dies regelt der zehnte Paragraf in der Coronaschutzverordnung. Absatz 1a erlaubt auch die Öffnung von Wettbüros, allerdings lediglich zur Entgegennahme der Wetten. „Sonst bleiben die Leute ja noch hier und verfolgen, wie das Spiel oder das Rennen läuft, auf das sie gewettet haben“, erklärt der Mitarbeiter. Wo sonst Ergebnisse, Fußballspiele oder andere Sportereignisse über die zahlreichen Bildschirme flimmern, herrscht nun Schwärze.

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Normalerweise wären zur selben Zeit mindestens 20 Tipper vor Ort. Damit niemand gar nicht erst auf die Idee kommt, zu lange zu verweilen, wurden die Sitzgelegenheiten entweder in der hintersten Ecke verstaut oder gleich in den Keller gebracht.

Betreiber scheinen sich an die Auflagen zu halten

Andernorts sieht es ähnlich aus. Wenngleich in Teilen der Bevölkerung Zweifel bestehen, was wirklich hinter den oft milchigen Scheiben dieser Ladenlokale geschieht, scheinen sich die Betreiber überwiegend an die bestehenden Auflagen zu halten. Bei unseren stichprobenartigen Besuchen – etwa an der Eppinghofer Straße – waren kaum Kunden und stattdessen jede Menge schwarze Bildschirme zu sehen. Auch vor der Tür hielt sich niemand auf.

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Während Sportwetten noch analog stattfinden können, müssen andere Glückspieler im Lockdown auf das Vor-Ort-Erlebnis verzichten. Denn sämtliche Spielhallen und Casinos sind geschlossen. „Die Kassen und alle Automaten sind leer – kein Bargeld mehr vorhanden“, heißt es auf einem Hinweisschild in der Innenstadt.

Experten sehen Chancen für Menschen mit Suchtproblematik

Während Betreiber sich über die Situation beklagen, sehen Experten in dieser längeren Schließung auch eine Chance für Menschen mit einer Suchtproblematik. „Jeder spielfreie Tag hilft, um in Richtung Abstinenz zu kommen“, sagt Hartmut Görgen vom Fachverband Glücksspielsucht in NRW und hat dabei vor allem diejenigen im Sinn, die noch nicht ganz tief in der Sucht stecken.

Allerdings wirkt diese Sichtweise in Zeiten von Online-Casinos ein wenig kurz gegriffen. Zumal jeder Fernsehzuschauer zur Zeit mit Werbung für genau solche Angebote geradezu bombardiert wird. „Die jüngeren Menschen sind höchstwahrscheinlich sowieso schon in der Mehrzahl online unterwegs“, sagt Dr. Michael Mengel vom sozialpsychatrischen Dienst der Stadt Mülheim. „Allerdings sind in den Spielhallen oft auch Menschen, die nicht einfach auf das Internet zurückgreifen können.

„Ob und wenn ja, inwiefern sich die Corona-Monate auf das Thema Spielsucht ausgewirkt haben, ließe sich aber noch nicht mit Zahlen belegen. „Ohnehin ist das ein Bereich, der bei uns nicht so oft nachgefragt wird“, so Mengel.