Mülheim. Nach der Messerattacke auf Björn P. am Mülheimer Hauptbahnhof beginnt der Gerichtsprozess. Dem Angeklagten (44) wird Totschlag vorgeworfen.
Worum es bei dem Streit ging, der am 7. Juli 2020 auf dem Vorplatz des Bahnhofs Mülheim unter Angehörigen der Trinker-, Drogen- und Obdachlosen-Szene ausbrach, wird sich vielleicht nie aufklären lassen. Fest steht, dass ein 44-jähriger Mülheimer einen den 39-jährigen Björn P. mit einem Messer in die Brust stach. Der Geschädigte erlag seinen schweren Verletzungen acht Tage später. Nun steht der 44-Jährige wegen Totschlags vor dem Landgericht Duisburg.
Am Tattag, so berichtet der Angeklagte, habe er einen Freund in Dümpten besuchen wollen. „Eine Nachbarin sagte mir, dass er gestorben war. Das hat mich völlig runtergezogen.“ Er habe noch mehr getrunken als sonst, Drogen konsumiert und mit seiner Betreuerin telefoniert. „Ich habe ihr gesagt, dass ich keine Lust mehr am Leben habe.“ Die Frau rief gleich die Polizei.
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„Die hat mich in die Psychiatrie des Marienkrankenhauses gebracht“, erinnert sich der Angeklagte. Dort war er wegen Befürchtungen, er könne sich das Leben nehmen, bereits in den Wochen zuvor mehrfach eingeliefert worden. Doch wie schon zuvor wurde der 44-Jährige nach wenigen Stunden wieder entlassen. „Ich bin zur Bahnhofsplatte. Dort saßen schon die ganzen Leute herum, die ich seit Jahren kenne, ohne dass sie meine Freunde sind.“
Woran sich der Streit entzündete, weiß der Angeklagte nicht mehr. „Es ging alles so schnell und ich war nicht nüchtern.“ Er will aber noch ganz genau wissen, dass der Widersacher ihm an den Hals packte. „Ich habe ihm mit meinem kleinen Messer in den Arm geschnitten.“
Der 39-Jährige habe ihm ins Gesicht geschlagen. „Ich ging zu Boden. Als ich wieder aufstand, habe ich in einer Aufwärtsbewegung in Richtung seines Körpers gestochen. Ich wollte ihn nur loswerden, aber ich wollte nicht, dass er stirbt.“
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Prozessauftakt: Zwei Radfahrerinnen haben Streit mitbekommen
Zwei Radfahrerinnen, die wegen einer Reifenpanne an der Radstation vor dem Hauptbahnhof Hilfe suchten, bekamen zumindest einen Teil des Streits mit. „Wir waren besorgt, aber der Mann an der Radstation sagte, das sei immer so“, so eine 40-Jährige. Beide beobachteten, dass der spätere Geschädigte den Angeklagten bedrohlich auf den Angeklagten einredete. „Der ließ das mit gesenktem Kopf einfach über sich ergehen.“„
Ich habe mich zwischendrin mit meinem Fahrrad beschäftigt“, erinnerte sich eine 39-Jährige. „Als ich wieder hinsah, torkelte der Angeklagte auf den sehr viel größeren anderen Mann zu. Es sah fast aus, als wäre er auf ihn drauf gefallen.“ Der andere Mann habe danach aus einer Wunde geblutet und sei zu Boden gegangen.
Kein gewöhnlicher Lebenslauf
Der 44-jährige Angeklagte kämpft seit seiner Jugend mit Alkohol- und Drogenproblemen. Zeitweise im Heim aufgewachsen, lebt er schon seit dem 16. Lebensjahr in einer eigenen Wohnung in Mülheim. Seit einigen Jahren ist er in psycho-therapeutischer Behandlung, litt zeitweise unter Angststörungen und Verfolgungswahn.
Der gelernte Konstruktionsmechaniker steht seit einigen Jahren unter Betreuung. Obdachlos war er nie. Er lebte zuletzt in einer kleinen Wohnung in Raffelberg.
Noch drei Verhandlungstage angesetzt
„Der Angeklagte setzte sich ganz ruhig auf einen Mauersockel und saß mit gesenktem Kopf da. Ich rief dann gleich die Polizei an“, so die Zeugin, die die vom Angeklagten geschilderten Übergriffe des Geschädigten jedenfalls nicht gesehen hatte. Für den Prozess sind bis Mitte Februar noch drei Verhandlungstage angesetzt.
Nach der Messerattacke hatten rund 70 Mülheimer bei einer Gedenkfeier Abschied von dem Verstorbenen Björn P. genommen. Der Verein „Solidarität in Mülheim“ stellte zwei Fotos des Verstorbenen am Eingang zum Hauptbahnhof auf. Der Fall hat viel Anteilnahme ausgelöst, viele legten Blumen nieder und zündeten Kerzen für Björn P..