Mülheim. Am Hauptbahnhof in Mülheim gab es eine heftige Messerattacke. Ein Tatverdächtiger wurde festgenommen. Was über ihn bekannt ist.

Ein 39-jähriger Mann ist am Dienstagabend gegen 19.30 Uhr auf dem Dieter-aus-dem-Siepen-Platz vor dem Eingang zum Mülheimer Hauptbahnhof niedergestochen worden. Zwischen ihm und dem laut Polizei und Staatsanwaltschaft 43-jährigen Tatverdächtigen aus Mülheim soll es zunächst zu einem verbalen Streit gekommen sein. Der Tatverdächtige habe dem Opfer dann das Messer in den Oberkörper gerammt.

Der 39-Jährige wurde offenbar sehr schwer verletzt. Laut Staatsanwalt Alexander Bayer liegt er aktuell „auf der Intensivstation und ist bislang nicht ansprechbar“. Eine „erhebliche medizinische Nachversorgung“ sei vonnöten.

Tatverdächtiger bisher mit kleineren Delikten aufgefallen

Der Tatverdächtige, der laut Bayer bislang „nur wegen kleinerer Delikte ohne Gewaltbezug“ aufgefallen ist, ließ sich noch am Tatort widerstandslos festnehmen. Noch sei allerdings nicht bekannt, was Anlass der Auseinandersetzung war, „wir wissen noch nicht, warum es hochgekocht ist“. Die Essener Polizei richtete eine Mordkommission ein; unter anderem werden nun nach und nach die Zeugen vernommen. Der Angreifer werde dem Haftrichter im Laufe des Tages vorgeführt, so Staatsanwalt Bayer am Mittwoch.

Schnell hatte die Nachricht in den sozialen Medien die Runde gemacht, so auf der Seite des Vereines „Solidarität in Mülheim“. Der Vorsitzende, Sascha Prandstetter, der regelmäßig am Hauptbahnhof in den Abendstunden Essen für Obdachlose austeilt, nun jedoch nicht vor Ort war, hatte die Attacke bereits in der Nacht zum Mittwoch öffentlich gemacht. „Einer unserer Bedürftigen wurde heute nach der Essensausgabe am Hauptbahnhof niedergestochen“, schrieb er bei Facebook. Und weiter: „Uns erreichen momentan sehr gegensätzliche Nachrichten – von ,Er hat es überlebt’ bis ,Er ist verstorben’. Uns bleibt jetzt nur, für unseren Schützling zu beten, auf dass er die Nacht überlebt.“

Opfer war von Beginn an regelmäßiger Gast von „Solidarität in Mülheim“

Der schwer verletzte Mann sei seit Beginn der Essensausgabe im Januar 2019 regelmäßiger Gast von „Solidarität in Mülheim“ gewesen. Dass er nun so schwer verletzt worden ist, habe „viele Menschen aus dem Verein und dem Umfeld aufgewühlt“, berichtet Prandstetter. Er selbst habe nach der Nachricht kaum mehr schlafen können; er spricht von einem „Schlag in die Magengrube“.

Auch Martina Justenhofen, stellvertretende Vorsitzende, ist schockiert: „Das hat uns getroffen.“ Der 39-Jährige - „ein netter, aufgeschlossener Mann, groß und kräftig“ - freue sich immer über die warmen Mahlzeiten, Obst, Gemüse, Kuchen. „Wir haben noch nie Probleme mit ihm gehabt; er bedankt sich immer ganz lieb.“ Sascha Prandstetter allerdings kennt den Mann auch als „aufbrausend“. Doch für gewöhnlich sei er „ein lieber Kerl“.

Vereinsvorsitzende planen Besuch im Krankenhaus

Justenhofen und Prandstetter planen einen baldigen Besuch im Krankenhaus. „Wir werden auf jeden Fall hinfahren, ihm etwas zum Anziehen und Drogerieartikel bringen. Er hat ja nichts“, so die 50-Jährige.

„Mehr als eine reine Obdachlosenhilfe“

Der Verein „Solidarität in Mülheim“ will mehr sein als eine reine Obdachlosenhilfe, heißt es auf der Homepage. Es seien unter den Mitgliedern schon Freundschaften entstanden „und wir leben den Solidargedanken auch untereinander, halten zusammen und helfen uns auch gegenseitig“.

Dass das keine leere Worthülse ist, habe sich jetzt auch nach der schrecklichen Tat gezeigt, so der Vorsitzende Sascha Prandstetter. Sofort seien einige Besucher dem Opfer zur Hilfe geeilt.

Einige Helfer des Vereins sowie andere Besucher der Essensausgabe sollen Augenzeugen der Tat geworden sein, sie hätten schlimme Szenen geschildert, so Prandstetter. Und schnell habe sich herumgesprochen, dass der Tatverdächtige möglicherweise psychische Probleme gehabt habe. Laut Staatsanwalt Alexander Bayer ist der Mann wohl tatsächlich kurz zuvor in einer Psychiatrie vorstellig geworden. Die angebotene Hilfe aber habe er letztlich nicht angenommen, sondern die Behandlung abgelehnt. „Das zumindest ist bis jetzt Stand der Dinge.“

Die Essensausgabe geht weiter

Sascha Prandstetter macht sich nun auch Sorgen um den Verein „Solidarität in Mülheim“. Klar sei: Die Essensausgabe geht weiter. Und er werde für Gespräche zur Verfügung stehen. „Wir müssen jetzt aufpassen, dass sich unter den Helfern keine Panik breitmacht, sonst hauen sie vielleicht ab.“

Man werde die Besucher künftig wohl karteimäßig erfassen, schon allein, um im Notfall Angaben bei der Polizei machen zu können. „Viele haben ja gar keine Angehörigen mehr.“ Wer wolle, könne eine Vollmacht hinterlegen, damit Vertreter des Vereins im Notfall für sie da sein könnten. Ihm sei jedenfalls daran gelegen, den „sozialen Treff, die oft einzige Möglichkeit für Obdachlose zum Austausch“, zu bewahren.

In diesem Text wurde das 39-jährige Opfer ursprünglich als obdachlos bezeichnet. Das ist nicht der Fall, und wir haben den Text entsprechend geändert.