Mülheim. Wie soll der Mülheimer Rat unter Corona tagen? Dazu liegen die Fraktionsmeinungen weit auseinander. MBI sieht Mehrheitsverhältnisse gefährdet.

Für die kommende Etat-Debatte im Rat bahnt sich ein weiterer Dissens an: In einem Schreiben an den Oberbürgermeister und die Stadtverordneten stellt sich die Fraktion Mülheimer Bürgerinitiativen (MBI) dagegen, die Befugnisse des Rates auf den Hauptausschuss zu übertragen. Dies aber hatte OB Marc Buchholz als Königsweg gegen einen rappelvollen Ratssaal in Corona-Zeiten vorgeschlagen.

Streit? „Marc Buchholz sieht keinen Streit, wie von den Medien berichtet“, hatte der OB Stellung genommen angesichts der Berichterstattung über den Dissens auch in der Frage, wie angemessen kurz die Etatreden im Rat ausfallen sollten. Doch offenbar ist die Wahrnehmung in der Politik eine andere als in der Verwaltung.

MBI: Hauptausschuss nicht auf Kosten der fraktionslosen Ratsmitglieder

Dabei ist eine solche Reaktion der kleineren Parteien wenig überraschend, denn der Ausweg „Hauptausschuss“ ist nur auf Kosten der drei fraktionslosen Stadtverordneten möglich, die dann ihr Stimmrecht einbüßen. Sprich: auf Kosten der demokratischen Mehrheitsverhältnisse und Meinungsvielfalt.

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So argumentiert auch die MBI und macht einen Gegenvorschlag: Die Fraktionen sollen je mit einem Drittel ihrer Ratsmitglieder an der Sitzung teilnehmen, jeder einzelne aber soll drei Stimmen vertreten. Die Ratsgruppe „Die Partei“ soll mit einer Person aber zwei Stimmen dabei sein sowie jeder Fraktionslose mit je einer Stimme. Damit wären die 54 Ratspersonen um ein Drittel reduziert, die Stimmen – und damit Mehrheitsverhältnisse – blieben aber erhalten.

Weitere Lösung: Große Fraktionen müssten auf Stimmen verzichten

Ob diese Lösung allerdings aus verwaltungsrechtlicher Sicht möglich ist? Schließlich würden ein Drittel der Stadtverordneten auf ihre gesetzlich verankerte Gewissensfreiheit verzichten. Andererseits: Dass in Fraktionen einzelne Mitglieder uneinheitlich abgestimmt hätten, kam in jüngster Vergangenheit mehrfach nur in der AfD-Fraktion vor. Sie bleibt jedoch ansonsten die Ausnahme.

Welche Alternativen gäbe es dazu? In Paderborn hatten die Ratsfraktionen im April 2020 eine sogenannte Pairing-Vereinbarung getroffen. Dabei verabreden sie zu gleichen Teilen auf Teile ihrer Stimmen zu verzichten, um die Kräfteverhältnisse nach Maßgabe des Spiegelbildlichkeitsgrundsatzes auch bei reduzierter Teilnehmerzahl aufrechtzuerhalten. Verzichten die Großen zugunsten der Demokratie?

Nach aktuellem Stand will OB Buchholz im kommenden Ältestenrat beraten – hier sind die betroffenen fraktionslosen Stadtverordneten jedoch nicht vertreten. Der OB würde einer Befugnisübertragung zustimmen wie auch bereits die drei stärksten Fraktionen im Rat, CDU, Grüne und SPD, erklärt hatten, die 39 Stimmen vereinen: „Erklären sich mindestens 36 Ratsmitglieder persönlich einverstanden wird am 19.2. nicht der Rat, sondern der Hauptausschuss als kleineres Gremium an Stelle des Rates tagen. Gibt es hierfür nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit, so bleibt mir keine andere Wahl, als den Rat in Gänze einzuladen.“