Mülheim. Sind Ratssitzungen mit 54 Teilnehmern plus X unter Corona-Auflagen angemessen? Teile der Mülheimer Politik wollen Reden zum Haushalt begrenzen.
Wie wird man in Corona-Zeiten der Demokratie gerecht? Darüber ringt aktuell die Politik angesichts der anstehenden Haushaltsdebatte. Ratssitzungen mit wenigstens 54 Stadtverordneten, langatmige Politik-Prosa über verfehlte Etat-Ziele - das scheint Manchem angesichts einer just deutlich eingeschränkten Öffentlichkeit kaum vertretbar. Doch die Verwaltung insistiert.
Und stellt sich auf einen einfachen Standpunkt: „Politische Gremienarbeit zählt zur Daseinsvorsorge einer Gemeinde und kann zur Wahrung der öffentlichen Ordnung nach der Coronaschutzverordnung unter Coronaschutzbedingungen durchgeführt werden“, heißt es knapp von der Verwaltungsspitze.
Grüne: Ratssitzung mit voller Besetzung ist das falsche Signal
Und schließlich geht es um die zentrale Frage von Kürzungen und Investitionen der Stadt. Doch ob das ein gutes Vorbild für die Bürger ist? Genau das hatten weite Teile der Politik zur Ratssitzung am 17. Dezember wortstark kritisiert: Es sei das falsche Signal, denn man könne nicht einerseits das öffentliche Leben herunterfahren und andererseits als Politik wie gewohnt weitermachen, waren sich CDU und Grüne einig. Ähnlich argumentierte die SPD.
Jetzt, wo die Schutzbedingungen drastisch verschärft worden sind, erscheint ihnen das Beharren der Verwaltung auf eine volle Ratssitzung noch weniger verständlich. „Wir sind dafür, die Ratsdebatte auf den kleiner besetzten Hauptausschuss zu delegieren. Das wäre ein Weg, die Diskussion verantwortlich abzuhalten“, schlägt Tim Giesbert, Sprecher der Fraktion Die Grünen, vor.
SPD schlägt vor, nicht dringliche Punkte zu verschieben
Auch die Redezeit, in der vor allem die Opposition ihre politische Breitseiten gegen den Etatentwurf genüsslich abfeuert, ließe sich reduzieren und dafür der volle Beitrag zum Nachlesen online stellen. „In der Regel geht man ohnehin selten auf den Vorredner ein“, glaubt Giesbert diesmal auf "lange Rede, kurzer Sinn" verzichten zu können – „das soll aber nicht Usus werden“.
Zustimmung für die Alternative ,Hauptausschuss' und die Begrenzung der Redezeit gibt es aus dem Lager der SPD: „Wir plädieren außerdem dafür, Tagesordnungspunkte auch in den beratenden Gremien auf spätere Sitzungen zu verschieben, die nicht dringlich sind“, meint Fraktionschefin Margarete Wietelmann.
Beitz (FDP): "Ich will riechen können, wenn der Andere lügt"
Doch gerade die kleineren Fraktionen, Gruppen und auch fraktionslose Stadtverordnete könnten unter einer begrenzten Redezeit leiden, die für sie bereits geringer ausfällt als für die großen. „Wir möchten unsere Meinung zum Haushalt schon kundtun“, wendet die Stadtverordnete Ramona Baßfeld (BAMH) ein. Geht die Demokratie flöten?
FDP-Chef Peter Beitz will nicht darauf verzichten, seine Spitzen vor Publikum abzuschießen „und nicht nur schriftlich oder als Video im Internet. Ich will spontan auf Äußerungen von Anderen reagieren und ,riechen' können, wenn der Andere lügt.“
Schon in der kommenden Woche laufen die vorberatenden Ausschüsse an, die Ratssitzung ist für den 19. Februar geplant. Für eine Entscheidung bleibt nicht viel Zeit.