Mülheim. . Die Mülheimer Schulen sind gut vorbereitet für den Start nach den Weihnachtsferien. Viele machen „Unterricht nach Plan“. Aber der Kontakt fehlt.
Am Montag enden die Weihnachtsferien. Der Wecker klingelt wie eh und je; Kinder mit Ranzen auf dem Rücken bekommt trotzdem niemand zu Gesicht. Die Straßen bleiben leer, die Schulen auch. Die Corona-Pandemie erlaubt nur Unterricht auf Distanz. Gelernt wird dennoch. Zum Beispiel an der Realschule an der Mellinghofer Straße. "Wir machen Unterricht nach Plan", verspricht Schulleiterin Judith Koch.
Mathe, Deutsch, Englisch, Bio, Sport: Von den Stundenplänen der gut 550 Kinder und Jugendlichen werden keine Abstriche gemacht, sagt Koch. Auch am heimischen Schreibtisch laufe der Unterricht von der ersten bis zur sechsten, manchmal gar zur achten Stunde. Das sei möglich, weil fast alle Schüler der Mellinghofer Straße einen Computer oder zumindest ein anderes digitales Endgerät besitzen - und im Umgang damit geübt sind. Zum Teil hätten die Eltern in den vergangenen Monaten Rechner angeschafft. Aber auch acht der zehn iPads, die die Stadt jeder Schule zur Verfügung gestellt hat, seien ausgeliehen worden. Einige Schüler arbeiten mit dem Smartphone. Die allermeisten hätten Zugang zu WLAN, sagt Koch.
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Die meisten Mülheimer Schulen nutzen Logineo als Plattform
Die Realschule nutzt - wie viele andere Schulen auch - die digitale Arbeits- und Kommunikationsplattform Logineo des Landes NRW. "Meine Kollegen und die Schüler hatten in den vergangenen Monaten Gelegenheit, sich damit vertraut zu machen", so Koch. "Wir haben mit den Klassen im PC-Raum geübt. Und zum Teil wurden Hausaufgaben mit Logineo gemacht." Leider sei noch keine Videokonferenz über das Programm möglich; der Lehrer kann sich also nicht im klassischen Sinne vor seine Schüler an den Bildschirmen stellen und erklären. Reger Austausch und Kontrolle seien trotzdem möglich.
Das fängt an mit der Begrüßung am Morgen: Über Chat muss sich jedes Kind, jeder Jugendliche beim Lehrer melden, seine Anwesenheit bestätigen. Auch in den Tagen vor den Weihnachtsferien lief das schon so. Und da habe mancher Schüler durchaus zu spüren bekommen, dass Distanzunterricht nicht heißt: aus den Augen, aus dem Sinn. "Sie haben gedacht, wir nehmen das vielleicht nicht so ernst." Aber wenn die morgendliche Rückmeldung ausblieb, rief der Lehrer kurzerhand zu Hause an - und fragte energisch bei den Eltern nach. Beliebte Ausreden des normalen Schulalltags halfen auch dann: "Ich habe verschlafen..."
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Mülheimer Schulleiterin: Wissen um digitales Lernen ist ein Gewinn
Koch erläutert, wie digitale Schulstunden konkret aussehen können. "Nehmen wir ,Fabeln im Deutschunterricht'." Der Lehrer halte die Schüler beispielsweise dazu an, Texte im Deutschbuch zu lesen und stelle dann via Logineo Fragen zu Eigenschaften der Tiere. Der Schüler schickt seine Antwort, "diese wird kontrolliert und es gibt ein Feedback". Auf die Anmerkungen des Lehrers könne der Schüler sofort reagieren, etwa Rechtschreibfehler verbessern. In einer Unterrichtsstunde könne es so mehrfach hin und her gehen.
Man habe sich genau überlegt, welche Aufgabentypen sich für diese Unterrichtsform eignen, sagt die Schulleiterin. Auch Tests seien möglich. "So wie es aussieht, wird das gut klappen." Auch wenn die Pandemie schrecklich ist - Judith Koch erkennt Positives. Sie hält das nun erworbene Wissen ums digitale Lernen für einen großen Gewinn: "Wir sollten nach Corona daran festhalten und immer wieder mal so unterrichten. Wir dürfen es nicht wieder vergessen."
Gymnasium Broich arbeitet mit verschiedenen Plattformen
Auch am Gymnasium Broich hantieren sie seit Monaten mit verschiedenen Lern- und Austauschplattformen. "Wir hatten uns schon vor dem ersten Lockdown auf den Weg gemacht", berichtet Schulleiterin Angela Huestegge. Sie erwähnt "Moodle", "Teams" und auch Logineo, was man letztlich gern komplett nutzen würde. Noch aber fehlt bei Logineo die Möglichkeit zur Videokonferenz, so dass auch anderes getestet wird. Auch wenn Distanzunterricht längst nicht komplett via Bildschirm laufen könne: Gerade für jüngere Schüler sei es immens wichtig, sich ab und an live zu erleben. Auch Fragen des Datenschutzes stellten sich weiterhin.
Damit Unterricht am Rechner möglich ist, sei viel Austausch mit den Schülern erforderlich und Kreativität gefragt. Zum Glück habe sie ein "sehr junges Kollegium", sagt Huestegge, das "mit Feuereifer" dabei sei. "Wir haben mittlerweile ein umfassendes Konzept erarbeitet, dass jeder auf unserer Homepage nachlesen kann und dass verbindlich zeigt, wie es laufen wird." Huestegge ist "guten Mutes" und zufrieden, dass sich NRW nun komplett für den Distanzunterricht entschieden hat. "Es ist toll, dass das Wischi-Waschi ein Ende hat." Schwierig nämlich sei die Zeit gewesen, in der Lehrer gleichzeitig einige Schüler vor Ort und einige zu Hause mit Stoff versorgen mussten. "Das war eine doppelte Belastung, die nicht gut funktioniert hat."
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Huestegge bedauert, dass die Viertklässler sich wegen Corona die für sie in Frage kommenden Schulen nicht ansehen können. Das Gesundheitsamt untersage dies, so bleiben nur Online-Führungen durch das Gebäude. Das sei mehr als schade.
Mülheimer Grundschulleiter hätte sich mehr Präsenzzeiten gewünscht
Ganz ähnlich äußern sich auch andere Schulleiter. Welche Probleme die Grundschüler zurzeit sonst noch haben, weiß unter anderem Andreas Illigen, Sprecher der Mülheimer Schulleitervereinigung und Chef der Schildbergschule. Für ihn ist der konsequente Distanzunterricht kein Grund zum Jubeln. "Es ist sehr schwer, so Kontakt zu halten, und die Kleinen zum Lernen zu motivieren." Man habe sich eine andere Lösung gewünscht, mit Präsenzzeiten in der Schule.
Digitaler Unterricht könne an Grundschulen kaum stattfinden. Die Ausstattung fehle, und die Schulen seien ja nach wie vor nicht flächendeckend mit WLAN ausgestattet. Die kleinen Kinder hätten den Umgang mit dem PC daher also kaum üben können. "Ohnehin können sie unmöglich stundenlang konzentriert vor dem Bildschirm sitzen. Ohne Hilfestellung der Eltern ist ein solcher Unterricht nicht möglich." Wichtig, so findet Illigen, sei es nun, dass die Lehrer Sprechstunden anbieten und dafür sorgen, dass die Aufgaben der Schüler wirklich regelmäßig zur Schule gebracht und dann kontrolliert werden. "Damit die Lehrkräfte sehen, was gemacht wird, und damit auffällt, wenn ein Kind nichts mehr abgibt."
Illigen rät Eltern, sich und das Kind nun nicht all zu sehr unter Druck zu setzen. Es sei bislang nicht viel Stoff verpasst worden, glaubt er. "Und die drei, vier Wochen, die jetzt anstehen, können wir auch noch verkraften."