Mülheim. Ihr Mann starb, als die kleine Tochter zwei Wochen alt war. Nun appelliert eine junge Mülheimer Witwe: „Ihr habt die Wahl, wir hatten sie nicht.“

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Es ist genau zwei Monate vor seinem Geburtstag, als Stefan Hofmann* im Oktober 2019 sein Leben verliert. Er stürzt mit seinem Fahrrad, kommt ins Krankenhaus und stirbt noch am selben Abend. Mit bewegenden Worten appelliert seine Frau nun an die Menschen, sich über die Feiertage an die Corona-Regeln zu halten: „Ihr habt die Wahl. Wir hatten sie nicht.“

Sie ist noch im Wochenbett, ihre kleine Tochter gerade zweieinhalb Wochen alt, als Katrin Hofmann* den Anruf erhält, der ihr Leben von jetzt auf gleich völlig ändert. „Es war ganz schnell klar, dass er das nicht überlebt“, sagt sie heute. Damals lebte die Familie noch in München, Katrin Hofmann war wegen der Liebe, wegen ihres Mannes dorthin gezogen, kehrte nach seinem Tod in ihre Heimat Mülheim zurück, mit ihrem Baby und der älteren Tochter, die heute drei Jahre alt ist.

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Junge Witwe aus Mülheim: „Man funktioniert einfach“

„Man hofft, dass man jeden Tag aufs Neue aufsteht“, sagt sie. „Man funktioniert einfach.“ Corona habe die Situation noch schwerer gemacht. Mit einem bewegenden Brief hat sie sich an die Redaktion gewendet. Sie möchte nicht namentlich genannt werden, auch ihr Alter und das ihres Mannes soll nicht veröffentlicht werden, denn für die Kleinen ist es ohnehin schon unglaublich schwer.

Aber sie möchte zeigen, wie schnell es gehen kann, dass ein geliebter Mensch aus dem Leben gerissen wird. „Morgens hat unser lieber Papa das Haus verlassen, gegen Mittag kam er ins Krankenhaus und am Abend dann eine furchtbare alles verändernde Nachricht. Ich muss weinen, während ich diese Zeilen schreibe. Es ist alles immer noch nicht begreifbar. Und so hart, aber wir leben!“

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„So lange alle leben, sollten wir sie und uns schützen“

Jetzt, mit Corona, seien die Chancen erhöht, dass jemandem das widerfährt, was ihr geschehen ist. Sie wünscht keinem, dass er das durchmachen muss, will mit ihrem Brief aufzeigen, wie wichtig es ist, in diesem Jahr die Feiertage nicht in großem Familienkreis zu begehen. „Es ist so furchtbar und schmerzhaft, Jahrestage, Geburtstage, Weihnachten, Silvester etc. ohne die geliebten Menschen zu verbringen“, schreibt sie. „Aber solange es allen noch gut geht, alle leben, sollten wir sie und uns schützen, damit wir in den kommenden Jahren wieder viele tolle und erinnerungswürdige Momente gemeinsam verbringen.“

Die Urlaube, die schönen Momente, die besonderen Erinnerungen – Katrin Hofmann kann sie nicht mehr mit ihrem Mann teilen. Es schmerzt sie, dass sie nicht mit ihm darüber reden kann, wie die Kinder aufwachsen. Die Große versteht, dass ihr Papa nicht mehr da ist, sagt aber trotzdem manchmal, er wohnt um die Ecke und ist nur gerade nicht da. „Wenn ich heute bei neuen Menschen eingeladen wäre und sie mich nach meinem Mann fragen, wahrscheinlich würde ich sagen: Er kommt gleich.“ Dass er nie wieder kommt, kann sie oft immer noch nicht fassen.

„Es ist eine sehr schwierige Situation für alle, aber es liegt in unserer Hand“

Regeln an Weihnachten

Die bisherige Ausnahmeregelung, dass bis zu zehn Personen gemeinsam Weihnachten feiern dürfen, ist gekippt worden.

Bundesweit gilt für die anstehenden Weihnachtstage vom 24. bis zum 26. Dezember in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen, dass „Treffen mit vier über den eigenen Hausstand hinausgehenden Menschen“ zugelassen sind.

Die Personen müssen aus dem engsten Familienkreis kommen. Dabei ist nicht relevant, aus wie vielen Haushalten die Menschen zusammenkommen.

Zum engsten Familienkreis zählen Lebenspartner sowie direkte Verwandte wie Geschwister, Geschwisterkinder und deren jeweilige Haushaltsangehörige, auch wenn dies mehr als zwei Hausstände bedeutet.

Halt findet sie bei ihren Eltern. „Ohne sie wäre es kaum machbar.“ Denn alles hat sich auf den Kopf gestellt, das ganze Leben in jeglicher Hinsicht. „Das ganze Jahr habe ich mich mit Dingen rund um die Tatsache beschäftigt, dass er nicht mehr da ist.“ Dass sie nicht genau weiß, wie es zu dem Fahrradunfall gekommen ist, sei gut, „dann kann man sich das noch ein bisschen schönreden“.

Katrin Hofmann versucht, mit ihren Kindern irgendwie klarzukommen – „man lebt einfach so“. Vor dem Unfall habe sie „unglaubliches Vertrauen in unsere Gesundheit, unsere Gene und unser Leben“ gehabt. „Aber manchmal kommt es leider sehr anders. Ich möchte hiermit an alle appellieren, dass es zwar derzeit eine sehr schwierige Situation für alle ist, aber es liegt in unserer Hand.“

*Name von der Redaktion geändert