Mülheim. Es ist amtlich: Die Stadt Mülheim hat große Teile der ehemaligen Lederfabrik Lindgens unter Denkmalschutz gestellt. Der Investor klagt dagegen.
Die Entwicklung des Areals der ehemaligen Lederfabrik zum Wohnparadies an der Ruhr wird weiter belastet durch den Denkmalstreit: Investor SMW (Sparkasse, Mülheimer Wohnungsbau) hat nun Klage eingereicht gegen die offizielle Unterschutzstellung zahlreicher Gebäude.
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Im Planungsausschuss verkündete Amtsleiter Felix Blasch dieser Tage den Vollzug ohne große Worte. Auch die Klage der Investoren ließ er unerwähnt. Die Politik hatte keinerlei Nachfragen.
Denkmalstreit war im Sommer 2017 schon einmal eskaliert
Dabei hat die Denkmal-Eintragung Brisanz, seit Jahren schon. Im August 2017 hatte Investor SMW schon einmal eine Klage gegen die Stadt eingereicht, weil diese seinerzeit wegen des erkannten Denkmalwertes einzelner Gebäude einen Abrissantrag nicht genehmigte. Mit diesem suchte die SMW auch das alte Kesselhaus samt Schornstein und markantem Lindgens-Schriftzug dem Erdboden gleichzumachen. Letztlich zog SMW die Klage zurück, die umstrittenen Gebäude blieben vorerst stehen.
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Nach Begutachtung des Denkmalwertes durch die Obere Denkmalschutzbehörde beim Landschaftsverband und entsprechender Aufforderung hat die bei der Stadt angesiedelte Untere Denkmalbehörde nun Kesselhaus und Schornstein sowie weitere Gebäude offiziell als Denkmal eingetragen. In einer Frist von vier Wochen hat SMW gegen den Bescheid Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht.
Insgesamt fünf Gebäude und der Schornstein sind nun als Denkmal eingetragen
Unter Denkmalschutz gestellt sind das alte Pförtnerhaus (1910/11), das Fabrikgebäude (1915/16) mit Aufzugturm und das Verwaltungsgebäude (1922). Diese markieren allesamt die Straßenfront zur Düsseldorfer Straße. Für diese drei Gebäude hatten die Investoren selbst einen Denkmalschutz auch akzeptiert. Den überdies angezeigten Erhalt des Kesselhauses mit Pumpengebäude und Schornstein (1940) sowie eines Überbleibsels eines alten Fabrikgebäudes, das die Denkmalschützer als „integralen Bestandteil des charakteristischen Werkseingangs“ sehen, will der Investor hingegen nicht akzeptieren.
Aus der Denkmalbegründung
„Die noch erhaltenen Bauten auf dem ehemaligen Werksgelände bezeugen mit ihrer Größe, architektonischen Qualität und stadträumlichen Wirkungskraft die geschichtliche Bedeutung des Unternehmens für die wirtschaftliche und städtebauliche Entwicklung der Stadt“, heißt es in der Denkmalbegründung.
Weiter heißt es: „Kesselhaus und Schornstein gehören heute, nachdem die Schornsteine der anderen Mülheimer Lederfabriken durchweg abgebrochen oder auf einen Kaminstumpf geringer Höhe zurückgebaut wurden, zu den letzten stadtbildprägenden Zeugnissen einer zur Jahrhundertwende noch von zahlreichen Rauchgaskaminen dominierten Fabrikagglomeration am Broich-Saarner Ruhrufer.“
Insbesondere Kesselhaus mit Pumpengebäude und Schornstein verweisen laut Denkmalbegründung „eindrücklich auf die industrielle Vergangenheit des Ensembles“ und seien „von besonderer Wertigkeit für das Verständnis eines wichtigen Kapitels der Mülheimer Industriegeschichte“.
Schon vor Jahren hatte die SMW-Geschäftsführung um Jürgen Steinmetz (MWB) und Thomas Weber (Sparkasse) wirtschaftliche Unzumutbarkeit reklamiert, sollten diese Gebäude erhalten werden müssen. Bei einem Rundgang mit Vertretern aus Politik und Medien im Januar 2018 hatte SMW Gutachter Markus Rost von der Firma Exponent aufzeigen lassen, wie marode und einsturzgefährdet insbesondere der Schornstein sei. Es hieß, dass Kondensatrückstände den Schornstein quasi von innen zerfräßen, dass sich Fugenmörtel zum Teil schon großflächig gelöst habe.
Investor will Gericht ein Gegengutachten präsentieren
Benannte Bauwerke seien nicht mit vertretbarem Aufwand zu sanieren, für das Kesselhaus zieht SMW-Geschäftsführer Steinmetz zusätzlich in Zweifel, dass das Gebäude sinnvoll zu nutzen sein könnte – trotz der Ergebnisse eines studentischen Ideenwettbewerbs, der genau zu dieser Frage etwa auch das gastronomische Konzept einer Hausbrauerei in die Diskussion gebracht hatte. SMW sucht derzeit nach einem Experten, der das Denkmalschutzgutachtern des LVR kontern soll. Eventuell müsse am Ende die Landesdenkmalbehörde entscheiden, so Steinmetz.
Steinmetz will aktuell aber nicht mit Säbeln rasseln vor dem Rechtsstreit mit der Stadt. „Wir sind nicht im Streit, aber als Investoren anderer Meinung“, sagt er. Sicher hält sich der Investor auch mit Blick auf das laufende Bebauungsplanverfahren zurück.
SMW will auf dem Areal am Ruhrufer bis zu 300 neue Wohnungen bauen
Dabei ist SMW auf eine gute Zusammenarbeit mit der Stadt angewiesen, weil laut Steinmetz immer noch strittige Themen wie die Entwässerung oder die Führung des Heubaches zu klären sind. Aktuell – und wohl ein Jahr lang – ist eine weitere Artenschutzprüfung auf dem Gelände in Gang gesetzt. Steinmetz berichtet von einem „engen, regelmäßigen Austausch“ mit der Verwaltung, alle 14 Tage komme man im Arbeitskreis zusammen.
SMW plant auf dem Gelände den Bau von bis zu 300 Wohneinheiten. In den Gebäuden an der Düsseldorfer Straße soll Gewerbe Platz finden. Steinmetz hofft, dass im Jahr 2022 Baurecht geschaffen sein wird. Ob dann mit Kesselhaus und Schornstein, muss sich noch vor Gericht beweisen.