Mülheim. Was machen aus denkmalgeschütztem Kesselhaus samt Schornstein auf dem Lindgens-Areal? Eine Architektur-Studentin imponiert mit ihrer Idee dazu.

Es ist das das Filetstück der Stadtentwicklung: Auf Basis des Siegerentwurfs aus dem städtebaulichen Wettbewerb hat der Planungsausschuss nun das Bebauungsplanverfahren für das Areal der ehemaligen Lederfabrik Lindgens am Kassenberg eingeleitet. Für mehr Aufsehen als dieser formale nächste Planungsschritt sorgen allerdings Studenten der Düsseldorfer Peter Behrens School of Arts. Sie haben sich Gedanken darüber gemacht, wie das das als denkmalwert eingestufte stehende alte Kesselhaus samt Schornstein nach Um- und Anbau künftig genutzt werden könnte. Die Idee für ein Mülheimer Brauhaus sticht besonders hervor.

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Die Integration und Nutzung von Kesselhaus und Schornstein in einem neuen Stadtquartier ist lange zwischen Mülheims Baudezernat und Investoren (Mülheimer Wohnungsbau, Sparkasse) strittig diskutiert worden. Während Baudezernent Peter Vermeulen die Meinung vertritt, das Ensemble lasse sich hervorragend und als historische Landmarke einfügen, haben die Investoren mehrfach erklärt, Kesselhaus und Schornstein am liebsten abreißen zu wollen, weil ihnen die Bausubstanz zu marode erscheint.

Planungsamtsleiter: Wunderbarer Querschnitt von Ideen

Das bereits zu großen Teilen geräumte Lindgens-Areal am Kassenberg soll Platz bieten für hochwertiges Wohnen und Gewerbe.
Das bereits zu großen Teilen geräumte Lindgens-Areal am Kassenberg soll Platz bieten für hochwertiges Wohnen und Gewerbe. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Nun kommen die Düsseldorfer Studenten auf den Plan, die Entwürfe ihres Studienprojektes unter Leitung von Prof. Robert Niess jüngst auch den Mülheimer Planungspolitikern vorgestellt haben. Ihre Aufgabe war es, Ideen zu entwickeln, wie Kesselhaus und Schornstein durch eine bauliche Erweiterung für eine sinnvolle Nachnutzung entwickelt werden könnten.

Zehn Arbeiten wurden präsentiert, „ein wunderbarer Querschnitt von Ideen, wie man mit den alten Gebäuden umgehen kann“, sei herausgekommen, befand Planungsamtschef Felix Blasch. Der Vorsitzende des Planungsausschusses, Dieter Wiechering (SPD), lobte die „guten, ansehnlichen Projekte“. Es sei zu hoffen, dass aus den Ideen etwas Nachhaltiges entwickelt werde.

Ideen reichen von Gastro bis hin zu einem Mehrgenerationen-Wohnprojekt

Dabei interessierten natürlich insbesondere die Nutzungskonzepte. Kita, Kino, Art-Déco-Restaurant oder ein Café. Ein „Theater am Kesselhaus“, flexibel nutzbare Büros, eine Bücherei, ein Hotel, ein Sportzentrum mit Kletterwand, ein Mehrgenerationen-Wohnprojekt, ein Quartierszentrum – all das hatten sich die Studenten, offenbar mal mit weniger, mal mit mehr Vor-Ort-Recherche, ausgedacht.

Weitere Ideen aus dem Studienprojekt

Das Nachbarschaftszimmer: Studentin Leonie Reiner empfiehlt in ihrem Entwurf, einen Ort des Zusammentreffens und Lebens zu schaffen: mit Werkstatt im Erdgeschoss, mit großer Küche, offenen Arbeitsbereichen (Büros, Seminarräume), Dachterrasse und verglastem Veranstaltungsraum.

Veronica Herrmann entwickelte die Idee, in einem Anbau Cluster-Wohnungen mit Gemeinschaftsräumen für ein Zusammenleben mehrerer Generationen unterzubringen. Kesselhaus und Laubengänge ihres Gebäudeensembles sollen öffentlich zugänglich sein, um den Austausch mit den Nachbarn im neuen Stadtquartier anzuregen. Im Kesselhaus sieht sie die Möglichkeit, Räume für Arbeiten, Freizeit und Ruhe unterzubringen.

Josefine Fischer hat Pläne für ein Sportzentrum entworfen, mit einem nachhaltigen Hybrid-Neubau aus Stahl, Beton, Glas und Mauerwerksresten. Das hohe Kesselhaus sei ideal, um eine Kletterwand zu installieren, meint sie. Badminton, Basket- und Volleyball, Gymnastik . . . Mit einem Café könne das Sportzentrum zum neuen Treffpunkt werden, glaubt sie.

Eine herausstechende Studienarbeit hat Inga-Selina Michelau vorgelegt. Sie entwarf ein Konzept für eine dreistöckige Brauerei, die im durch hohe Fenster transparent gestalteten Kesselhaus „sichtbar Platz findet“. Gäste könnten den Brauprozess ebenso beobachten wie sich von der Küche beköstigen lassen. In einem Anbau könnte laut Michelau ein kleines Hotel mit zwölf Zimmern entstehen. Frühstück gäbe es dann im alten Kesselhaus . . .

Erlebnisgastronomie und Bar, womöglich mit Brauseminaren für Hotelgäste

Ihren Entwurf hat Michelau stark am industriellen Charme ausgerichtet. Eine Brauerei mit Erlebnisgastronomie und Bar, womöglich mit Brauseminaren für Hotelgäste – das schwebt der Bachelor-Stdentin vor. Und sie hat damit offenbar auch – und nicht nur – bei den Investoren Eindruck hinterlassen.

Jonas Wanke, Geschäftsführer der Mölmsch-Brauerei, hat sich jedenfalls auf Einladung der Investorengruppe schon mal über das Lindgens-Areal führen lassen, um sich ein Bild von den Möglichkeiten dort zu machen. Das bestätigte Wanke dieser Redaktion.

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Mölmsch-Geschäftsführer: Für eine Location ist das sicher eine gute Lage

„Für eine Location ist das sicher eine gute Lage“, bestätigt Wanke, von der Idee der Studentin angetan zu sein. Für eine Brauhaus-Gastronomie aber, gibt er zu bedenken, sei das alte Kesselhaus von seinen Grundrissen wohl zu klein. Dafür ließe sich jedoch eine Lösung finden: Das alte Kesselhaus hat neben drei massiven eine Stahl-Fachwerk-Wand, die eine Erweiterung möglich macht, die Platz schafft etwa für feiernde Gesellschaften.

Also vielleicht in Zukunft ein Mölmsch-Brauhaus in attraktiver Lage nahe der Ruhr? Wanke sagt nicht Nein, verweist aber auf das frühe Stadium der Planungen. Und darauf, „dass wir zu sehr von unserem Tagesgeschäft eingenommen sind“; man sei neben dem Brauerei-Geschäft ja schließlich auch an der Freilichtbühne aktiv. „Wenn, dann mit einem Partner“, schließt Wanke eine Ansiedlung auf dem Lindgens-Areal aber nicht kategorisch aus.

Investor: Unterm Strich muss eine wirtschaftliche Lösung herauskommen

Und was sagt der Investor zu den studentischen Entwürfen? Jürgen Steinmetz vom Mülheimer Wohnungsbau äußert sich verhalten zum „bunten Strauß“ an Ideen. „Das Thema Gastronomie könnte eventuell noch greifen“, sagt er. Auch eine Kita-Nutzung könne infrage kommen. „Unterm Strich muss aber eine wirtschaftliche Lösung herauskommen“, so Steinmetz mit Blick darauf, dass sich für Theater, Bücherei, Kino oder Bürgerzentrum wohl kaum Träger finden lassen dürften.

Steinmetz weist zudem darauf hin, dass eine endgültige Unterschutzstellung von Kesselhaus und Schornstein noch nicht erfolgt sei. Deren Zukunft bleibt also offen.