Mülheim. Für längere, flexiblere Kita-Betreuungszeiten gibt es viel Geld vom Land. Mülheim hat bislang nicht zugegriffen. Jetzt soll sich etwas bewegen.
Insgesamt 351.600 Euro stellt das Land NRW im laufenden Kindergartenjahr zur Verfügung, damit Einrichtungen in Mülheim mehr Spielraum bei der Betreuung bekommen. Das ist eine Menge Geld, aber die Stadt hat es trotzdem liegen lassen. Denn das Jugendamt müsste einen Eigenanteil von 25 Prozent beisteuern: 87.900 Euro.
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Bisher standen dem zwei Hürden im Wege, heißt es jetzt in einer Verwaltungsvorlage für den Jugendhilfeausschuss: Erstens erschwert die Corona-Pandemie schon den Regelbetrieb vieler Kitas, weil Personal ausfällt. Zweitens musste geklärt werden, ob eine Kommune im Stärkungspakt dafür überhaupt Geld ausgeben darf. Inzwischen geht die Fachverwaltung davon aus, dass die Förderung der Flexibilisierung von Kita-Betreuung keine freiwillige Leistung sei, sondern finanziert werden könne. Denn sie ist im Kinderbildungsgesetz verankert.
Stadt Mülheim möchte zum nächsten Kindergartenjahr starten
Die Stadt würde gerne zum nächsten Kindergartenjahr 2021/2022 aktiv werden und bemüht sich um einen politischen Beschluss, der am 14. Dezember im Jugendhilfeausschuss gefasst werden könnte. Der bereitgestellte Landeszuschuss von anfangs insgesamt 40 Millionen Euro soll jährlich steigen auf 60, dann 80 Millionen Euro. Entsprechend teurer würde es auch für die Stadt Mülheim, genau beziffert ist dies noch nicht. Nach einer Hochrechnung würde der Eigenanteil ab 2022 etwa 200.000 Euro betragen.
Dafür kann es Zuschüsse geben
Verschiedene Förderbereiche könnten bezuschusst werden: Erweiterung der Öffnungszeiten auf mehr als 47 Wochenstunden , Betreuungsangebote an den Randzeiten vor 7 Uhr und/oder nach 17 Uhr, zusätzliche Öffnungstage (beispielsweise in den Ferien).
Möglich ist auch, dass die Kitas zusätzliche Betreuung anbieten bei unregelmäßigem Bedarf oder in Notfällen , etwa bei einem Krankheitsfall in der Familie.
Mit dem Geld sollen ausgewählte Kitas ihre Öffnungszeiten erweitern können: in den frühen Morgen oder den Abend hinein, an Wochenenden und Feiertagen, bei ausnahmsweise erhöhtem Bedarf. Vor einem Jahr hat das Land NRW diese Initiative gestartet. Die Stadt Mülheim war auch schnell darauf angesprungen: Schon zum Jahresbeginn 2020 sollte gemeinsam mit den freien Trägern der Bedarf bei den Eltern abgefragt werden. Dann wollte man Pilot-Kitas aussuchen, die in einigen Gruppen mit erweiterten Öffnungszeiten experimentieren.
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Tatsächlich ist in Mülheim noch Luft nach oben. Nach einer neueren Studie der Bertelsmann-Stiftung, die sich auf das erste Halbjahr 2020 bezieht, sind schon fast alle Einrichtungen (95,6 Prozent) morgens ab 7.30 Uhr oder früher geöffnet. Doch nur gut ein Drittel der Mülheimer Kitas (36,3 Prozent) betreuen die Kinder länger als bis 16.30 Uhr. Gerade Alleinerziehende oder berufstätige Eltern im Schichtdienst setzt das unter Dauerstress.
Bislang wird Spätbetreuung nur von wenigen Eltern nachgefragt
Andererseits machen Mülheimer Kitas oft die Erfahrung, dass Spätbetreuung selten nachgefragt wird. Dass Familien eher auf private Lösungen setzen. Ähnlich erlebt es Iris Richau, Leiterin des DRK-Familienzentrums „Die Rettungszwerge“. Die zentral in der Innenstadt gelegene Kita war mit abendlichen Öffnungszeiten bis 19 Uhr an den Start gegangen. Inzwischen ist man davon abgekommen: „Innerhalb von vier Jahren haben Eltern nur drei Mal diese Spätbetreuung in Anspruch genommen“, berichtet Richau. „Dafür stellen wir kein Personal zur Verfügung.“ Zumal immer zwei Personen anwesend sein müssen.
Wegen der Corona-Pandemie ist Personal in vielen Kitas äußerst knapp
Momentan wäre das sowieso nicht möglich: Wegen der Corona-Pandemie sei das Personal so knapp, dass man selbst die reguläre Öffnungszeit von bis 17 Uhr um eine halbe Stunde verkürzt habe, erklärt die Leiterin der „Rettungszwerge“ – und steht mit diesem Problem nicht alleine da. In vielen Mülheimer Kitas arbeiten die Erzieherinnen am Limit.
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Auch im Jugendamt sieht man die Schwierigkeiten, dennoch soll der Vorstoß hin zu flexibleren Öffnungszeiten gewagt werden. Mit den Trägern werde jetzt noch einmal gesprochen, erklärt Minka Gerent aus dem Fachbereich Jugendhilfeplanung. „Wir haben schon einige Interessenten für diese Zuschüsse.“ Bislang seien Zeiten nach 17 Uhr wenig nachgefragt, „aber wir wollen noch mal die Chance nutzen, es auszuprobieren“, so die Fachfrau aus der Verwaltung. „2020 war ein Ausnahmejahr. Wir hoffen, dass sich bis zum 1.8.2021 alles auch personell entspannt hat.“