Mülheim. . Fast die Hälfte der Mülheimer Kitas schließt um 16 Uhr. Danach springen oft Familie und Freunde ein. Eltern wünschen flexiblere Öffnungszeiten.

Die NRW-Landesregierung hat kürzlich neue Zahlen zu den Betreuungszeiten in Kindertagesstätten veröffentlicht, an denen sich auch der aktuelle Stand in Mülheim ablesen lässt.

Insgesamt gibt es hier in der Stadt 87 Kitas unterschiedlicher Träger, von denen 72 Einrichtungen morgens um 7 Uhr öffnen, eine schon um 6.45 Uhr. Frühaufsteher finden also in rund 83 Prozent der Kitas offene Türen vor, landesweit gilt dies nur für etwas mehr als die Hälfte. Nachmittags ist fast in jeder zweiten Mülheimer Kita aber schon um 16 Uhr Schluss, nur elf Einrichtungen haben nach dieser Statistik bis 17 Uhr geöffnet, drei sogar bis 18 Uhr.

Ein Einzelfall: Betreuung bis 19 Uhr

Allerdings ist die Auflistung des Familienministeriums für Mülheim nicht ganz vollständig: Übersehen wurde offenbar, dass die „Rettungszwerge“, die Kita des Deutschen Roten Kreuzes, Betreuung auch noch bis 19 Uhr anbieten. In der Praxis läuft es dort so, dass Eltern die Zeiten nach 17 Uhr tageweise hinzubuchen können, erklärt Einrichtungsleiterin Iris Richau. Preis pro Stunde: fünf Euro für Kinder über drei Jahren, sieben Euro für kleinere unter drei.

Bei den „Rettungszwergen“, die im August 2016 eröffnet wurden, sind momentan 74 Kinder angemeldet, vom Baby- bis zum Vorschulalter. „Wir machen das jetzt seit zweieinhalb Jahren“, sagt die Leiterin, „und hatten erst eine einzige Buchung bis 19 Uhr. Dass Kinder bis 18 Uhr bleiben, passiert maximal fünf Mal im Jahr.“

„Eltern organisieren die Betreuung anders“

Viele Eltern, deren Kinder die „Rettungszwerge“ besuchen, arbeiten nach Auskunft von Iris Richau im medizinischen Bereich, mit wechselnden Dienstzeiten. Natürlich sind auch Alleinerziehende darunter, aber: „Sie organisieren die Betreuung anders. Mit Hilfe der Großeltern oder von Freunden.“

Ähnliche Erfahrungen macht Jutta Wenzel, die das Städtische Familienzentrum „Burg Wackelzahn“ in Dümpten leitet. Sie berichtet: „Wir bieten Betreuung bis 18 Uhr an, aber die Eltern nutzen es kaum.“ Wichtiger sei vielen, dass sie ihren Sohn oder ihre Tochter schon morgens ab 7 Uhr bringen können. Sie habe auch nicht den Eindruck, dass „Burg Wackelzahn“ mehr Anmeldungen bekommt, seit es dort verlängerte Betreuungszeiten gibt, so die Leiterin.

Laut Landesgesetz ist Kindeswohl zu berücksichtigen

Laut Landesgesetz (§ 13e KiBiz) soll jede Kita „bedarfsgerechte Öffnungs- und Betreuungszeiten unter Berücksichtigung des Kindeswohls und der Elternwünsche anbieten“. Welchen Bedarf die einzelnen Familien haben, wird bei der Anmeldung abgefragt und dann jedes Jahr erneut. Ingolf Ferner, Abteilungsleiter für Elementarbildung im Amt für Kinder, Jugend und Schule, sagt: „Wir haben keine Erkenntnisse, dass explizit eine Ausweitung der Öffnungszeiten gewünscht ist. Eltern fragen eher nach flexiblen Regeln.“

Bereits jetzt ist rund die Hälfte der Mülheimer Kita-Kinder im Umfang von 45 Wochenstunden angemeldet, das gilt auch für die U3-Betreuung (siehe Grafik). Kaum eine Mutter oder ein Vater möchte den Nachwuchs noch länger abgeben. Es gibt die Möglichkeit, zusätzlich noch Tagesmütter einzuschalten, die das Kind nachmittags abholen und zu Hause betreuen. „Doch das kommt kaum vor“, berichtet Ferner, „meist wird es familiär irgendwie geregelt.“

Zur Not gibt es Handlungsspielraum

Die 15 katholischen Kindertagesstätten in Mülheim schließen spätestens um 16.30 Uhr. „Ich habe auch nicht im Ohr, dass eine Ausweitung bis 18 Uhr gewünscht wird“, erklärt Martina Kiworra, zuständige Gebietsleiterin beim Kita-Zweckverband. Wenn Eltern ein akutes Betreuungsproblem hätten, beispielsweise die 35-Stunden-Woche nicht mehr ausreicht, könnten sie sich jederzeit melden. „In Notsituationen hat jede Kita-Leitung einen Handlungsspielraum“, sagt Kiworra. So dass Kinder ausnahmsweise etwas länger bleiben oder Familien miteinander tauschen könnten. „Wir lassen niemanden im Regen stehen.“

Auch der Stadtelternrat Mülheim als Interessenvertretung der Mütter und Väter von Kita-Kindern hat sich schon mehrfach mit den Öffnungszeiten beschäftigt.

Familien rufen nach mehr Flexibilität

Zuletzt sei das Thema bei einem offenen Treffen Ende 2018 aufgekommen, berichtet der Vorsitzende Daniel Steinbring, dessen vierjähriger Sohn das Familienzentrum Speldorf-West besucht. Dabei gehe es nicht unbedingt um längere Betreuungszeiten pro Kind, sondern um mehr Wahlmöglichkeiten: „Bei den Eltern wird der Ruf nach mehr Flexibilität laut“, so Daniel Steinbring. Dies betreffe vor allem Mütter und Väter, die im Schichtbetrieb arbeiten, „sie wünschen sich frühere Öffnungszeiten am Morgen und längere Zeiten nach hinten raus“.

Ideal sei aus Sicht vieler Eltern eine Art Gleitzeitmodell in den Kindertagesstätten: dass also die Betreuungszeit immer erst dann gerechnet wird, wenn das Kind tatsächlich in der Tür steht. „Es wäre schön, wenn die Einrichtungen diese Flexibilität anbieten würden“, meint der Vorsitzende des Stadtelternrates. Auf Nachfrage beim Jugendamt hätten sie jedoch erfahren, dass derzeit keine Änderung der Kita-Öffnungszeiten in Mülheim auf der Agenda stehe.

>> WELCHE ERFAHRUNG MACHEN SIE ALS ELTERN?

Frage an Mülheimer Eltern mit Kita-Kindern: Kommen Sie mit den Öffnungszeiten zurecht? Gibt es morgens oder abends Betreuungslücken? Falls ja, wie lösen Sie das Problem?

Ihre Erfahrungen möchten wir in einem weiteren Beitrag zum Thema Betreuungszeiten zusammentragen. Schreiben Sie, möglichst nicht allzu lang, an: redaktion.muelheim@waz.de. Wir sind gespannt!