Mülheim. Damit eines Tages nicht die Rede vom verlorenen Corona-Jahrgang ist, wollen Mülheimer Akteure noch vielen Jugendlichen zu Lehrstellen verhelfen.

Ausbildung in Zeiten der Pandemie ist alles andere als einfach: Das zeigen aktuelle Zahlen der Arbeitsagentur und des Jobcenters Mülheim. Es gibt deutlich weniger Bewerber und deutlich weniger Stellen. Christiane Artz, Geschäftsführerin der Arbeitsagentur, und andere Mülheimer Akteure wollen aber längst noch nicht aufgeben. Sie hoffen darauf, in den kommenden Monaten noch viele junge Leute vermitteln zu können. Die Ausbildung im Corona-Jahr beginne dann einfach später als üblich. Ein Einstieg ist noch bis Ende Januar 2021 möglich. Dafür aber müssen sich noch deutlich mehr Arbeitgeber regen.

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Die Zahl der angebotenen Lehrstellen war viel geringer als im Vorjahr: Im Umlauf waren gerade 1105 Stellen, 11,7 Prozent weniger als 2018/19. Unternehmer, die in diesem Jahr sicher viel Energie ins Thema Corona stecken mussten, sollten nicht vergessen: „Das Thema Fachkräftebedarf ist nicht vom Tisch“, so Artz. Der demografische Wandel schreite voran; Unternehmen, die jetzt nicht ausbilden, hätten später vielleicht das Nachsehen.

1033 junge Menschen bekundeten bislang Interesse an einer Ausbildung

2018/19 hatten sich bis Ende September 1251 Bewerber bei der Berufsberatung der Arbeitsagentur gemeldet. Auch bei diesen Zahlen war der Rückgang nun massiv: Diesmal waren es nur noch 1033 junge Menschen, die Interesse an einer Lehrstelle bekundeten. Das entspricht einem Rückgang von 17,4 Prozent. Ende September galten 97 dieser Bewerber als noch unversorgt, 32 mehr als im September 2019.

Im landesweiten Vergleich steht Mülheim schlecht da: NRW-weit wurden rund zehn Prozent weniger Bewerber und rund acht Prozent weniger Stellen verzeichnet. Laut Barbara Yeboah, Geschäftsführerin der hiesigen Kreishandwerkerschaft, hat vor allem das Handwerk Probleme. Bis Ende Oktober seien 199 Verträge abgeschlossen worden – 11,5 Prozent weniger als im Vorjahr.

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Gesucht würden zum Beispiel angehende Gebäudereiniger, Maurer, Elektriker und Anlagenmechaniker. Der weltweite Lockdown, aber auch umweltpolitische Vorgaben und hohe Energiekosten haben in Mülheims Wirtschaft Spuren hinterlassen, sagt Elisabeth Schulte, Geschäftsführung des Unternehmerverbandes Ruhr-Niederrhein. Als Folge seien in diesem Bereich knapp zwölf Prozent weniger Lehrstellen angeboten worden.

Der Trend zu akademischen Bildungsangeboten ist ungebrochen

Franz Roggemann, Geschäftsführer Aus- und Weiterbildung der IHK zu Essen, glaubt, dass es immer seltener gelingt, „der Jugend die Vorteile einer dualen Ausbildung schmackhaft zu machen“. Der Trend zu akademischen Bildungsangeboten sei „leider ungebrochen“. Man habe daher einen Rückgang eingetragener Ausbildungsverträge um 19,6 Prozent ausgemacht. Betroffen seien insbesondere der Handel, das Hotel- und Gaststättengewerbe sowie der Metallbereich.

Jobcenter Mülheim verzeichnet Minus von 30 Bewerbern

368 Jugendliche aus dem Bereich des Sozialgesetzbuches (SGB) II haben sich auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle beim Jobcenter Mülheim gemeldet. Laut Leiter Thomas Konietzka gab es dort ein Minus von 30 Bewerbern.

Die drei Top-Berufswünsche waren Verkäufer, (Zahn-)Medizinische Fachangestellte und Altenpfleger.

Einige Angebote fielen in der Zeit des Lockdowns aus. Den Kontakt zu den Jugendlichen habe man über Mail und Telefon gehalten, so Konietzka. Ab Mitte Mai waren wieder persönliche Gespräche im U 25-Haus möglich. Teilweise hätten Begegnungen im Freien stattgefunden – unter dem Titel „Walk & Talk“.

Für Christiane Artz ist Corona ein wesentlicher Grund für die Misere. Ab Mitte März waren die Schulen geschlossen, Abschlussprüfungen wurden verschoben. Persönliche Beratungsgespräche waren nicht möglich, ebenso wenig Ausbildungsmessen. Mit der Entstehung neuer digitaler Formate und vermehrter Online-Kommunikation sei der Ausbildungsmarkt erst mit Verzögerung in Gang gekommen. „Es kann sich aber noch viel ergeben“, glaubt Artz. „Uns ist es wichtig, dass es keinen Corona-Jahrgang gibt.“ Dieter Hillebrand, Regionsgeschäftsführer des DGB, unterstreich dies. Er appelliert an die Arbeitgeber, auch in schwierigen Zeiten ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen. Ein guter Weg, die Jugend zu erreichen, seien die sozialen Medien.

Hoffnung ruht nun auf den kommenden Monaten

Damit ein verspäteter Einsteig ins Berufsleben klappen kann, haben Berufskollegs Abläufe und Lerninhalte angepasst. Jugendliche, die Kontakt zur Berufsberatung oder eine Ausbildungsstelle suchen, können sich unter 0208 8506 112 an die Agentur für Arbeit wenden. Infos gibt es auch unter www.arbeitsagentur.de/vor-ort/oberhausen/content/1533717484238. Unternehmen, die Unterstützung bei der Suche nach Azubis brauchen, erreichen den Arbeitgeber-Service unter 0800/ 45 555 20.