Mülheim. Berufsorientierung ist schon für deutsche Eltern ein Dschungel, für Migranten umso mehr. In Mülheim gab es jetzt ein „Update“ für Erwachsene.
Beim Übergang von der Schule in den Beruf spielen Eltern eine wichtige Rolle. Oft haben sie selber aber mehr Fragen als Antworten – besonders, wenn sie das deutsche System nicht kennen. In Mülheim hat es jetzt eine mehrsprachige Info-Veranstaltung gegeben, um Mütter und Väter fit zu machen.
Das zweistündige Treffen in der Dezentrale, modern betitelt als „Elternupdate Spezial“, war in dieser Form eine Premiere. Denn organisiert wurde es von einem breiten Netzwerk: Kommunales Integrationszentrum Mülheim, Agentur für Arbeit und Jobcenter. Alle waren mit Fachleuten vertreten, unterstützt von Dolmetschern, die Englisch, Französisch, Arabisch, Türkisch oder Kurdisch sprechen.
Eltern wichtigste Influencer bei der Berufswahl
„Eltern sind die Influencer Nummer eins, wenn es um die Berufswahl geht“, erklärt Emel Karakoc, Teamleiterin der Berufsberatung in der Mülheimer Arbeitsagentur. „Aber das heutige Angebot ist sogar für deutsche Eltern schon ein Dschungel.“ Wenn dann noch Sprachkenntnisse fehlen, wird es schwierig.
„In unseren MUT-Cafés kommen von Müttern immer wieder Fragen, wie das Bildungssystem in Deutschland funktioniert“, berichtet Haccanım Şakar-Ak, die zuständige Koordinatorin. Diese Mütter und andere Eltern wurden persönlich eingeladen. Mit Erfolg: Lebhaft geht es in der Dezentrale zu, nicht nur wegen der mitgebrachten Kinder, die sich dort spielend die Zeit vertrieben, auch an den großen Tischen.
Beratungsinseln mit Broschüren in mehreren Sprachen
Drei „Beratungsinseln“ stehen zur Verfügung, bestückt mit Info-Broschüren in verschiedenen Sprachen, rund um Ausbildungswege Studiengänge, Praktika. In Kleingruppen, teilweise auch unter vier Augen, hocken sich Eltern, Berater und Übersetzer zusammen, um drängende Fragen zur beruflichen Zukunft des Nachwuchses gemeinsam zu klären.
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Früh eingefunden hat sich beispielsweise Herr E., der aus Bosnien-Herzegowina stammt. Er selber war Anfang der neunziger Jahre als Kriegsflüchtling schon einmal in Deutschland und kann sich gut verständigen. Die beiden Kinder leben erst seit Juli 2019 hier, berichtet der Vater. Ihm geht es um berufliche Orientierung für seinen 16-jährigen Sohn, der momentan im Berufskolleg Stadtmitte eine Internationale Förderklasse besucht.
Sohn soll Ingenieur werden - Vater informiert sich
Die zugewanderte Familie hatte sich das anders vorgestellt: „Mein Sohn war in unserem Land immer gut in der Schule. Wir haben uns gewünscht, dass er aufs Gymnasium geht, und sind wütend, dass es nicht klappt.“ Nach Vorstellung des Vaters soll der Junge Ingenieur werden. Bei Beate Steinmann, Beraterin der Arbeitsagentur, fragt er nach technischen Ausbildungsgängen, geeigneten Berufskollegs, Anerkennung von Zeugnissen.
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Der nächste Schritt? „Ich möchte auch mal mit ihrem Sohn selber sprechen“, sagt die Beraterin, „in welche berufliche Richtung es denn überhaupt gehen könnte.“ Ein Termin unter mindestens sechs Augen soll vereinbart werden. Der Vater wirkt zufrieden.
Marokkanische Familie erscheint mit drei Generationen
Die 15-jährige Marona, deren Familie aus Marokko stammt, nimmt ihre Angelegenheiten selber in die Hand. Sie ist in Deutschland geboren, besucht die neunte Klasse eines Mülheimer Gymnasiums, möchte auf jeden Fall Abitur machen. Den Einladungsflyer zum „Elternupdate Spezial“ habe ihre Mutter bekommen, berichtet Marona. „Und da habe ich gedacht, hier kann ich mir Informationen holen.“
Das Mülheimer MUT-Programm
Die Einladungen an die ausländischen Eltern wurden unter anderem in den MUT-Cafés verteilt. Die Abkürzung steht für „Mitmachen und trauen“, dahinter steckt ein niederschwelliges Sprach-Programm für Erwachsene.
Insgesamt gibt es 14 dieser Cafés in Mülheim, überwiegend in Familienzentren oder Schulen. Daneben umfasst das MUT-Programm auch Integrationskurse für Eltern, Näh-Cafés oder Fahrradkurse speziell für Frauen.
Organisiert wird das Programm von den Bildungsnetzwerken Eppinghofen, Styrum und Innenstadt. Finanzielle Förderung kommt von der Leonhard-Stinnes-Stiftung und dem europäischen Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds.
Mama begleitet sie aber, auch die Oma und die kleine Schwester sind mit in die Dezentrale gekommen. Marona weiß schon, was sie beruflich interessiert: „Medizin.“ Im nächsten Schuljahr möchte sie ein zweiwöchiges Praktikum in einer Apotheke machen.
Ob es nach dem Abitur auf eine Ausbildung hinausläuft oder ein Studium, weiß sie noch nicht. Die 15-Jährige schaut sich an den Beratungsinseln um, vielleicht sieht sie in einer Stunde schon etwas klarer...