Mülheim. Ein gehbehinderter Mülheimer (78) stürzt in der Linie 901 schwer. Der Fahrer soll nicht lang genug gewartet haben, bis er sich festhalten konnte.

Wie gut ist die Ruhrbahn für ältere Menschen gerüstet? Geht sie ausreichend auf die Zielgruppe ein? Die Gruppe 60 plus macht immerhin gut 30 Prozent der Stadtbevölkerung aus. Rücksichtslos fühlt sich ein Mülheimer Senior von dem Verkehrsunternehmen behandelt. Der durch einen Schlaganfall gehbehinderte Mann stürzte bei einer Fahrt mit der Straßenbahnlinie 901 Richtung Speldorf schwer zu Boden. Sein Vorwurf: Der Fahrer habe beim Anfahren nicht darauf geachtet, ob er schon Halt gefunden habe.

Dabei soll der 78-Jährige mit seinen Krücken zuvor signalisiert haben, dass er beim Einstieg länger brauche. Die Ruhrbahn, in deren Auftrag die Linie fährt, bedauert zwar den Vorfall, bleibt in der Sache jedoch beharrlich: „Als Fahrgast ist man gemäß § 4 Abs. 3 S. 5 der Verordnung über die Allgemeine Beförderungsbedingungen für den Straßenbahn- und Obusverkehr verpflichtet, sich stets einen festen Halt zu verschaffen“, teilt ihre Sprecherin schriftlich auf Anfrage der Redaktion mit.

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„Der Fahrer hat sich nicht einmal entschuldigt.“

330 Euro fordert nun der Senior von der Ruhrbahn für die beim Sturz zerbrochene Brille und die Platzwunde am Hinterkopf, die im evangelischen Krankenhaus behandelt werden musste. Mehr aber noch verärgert den Rentner die Reaktion des Fahrers und anschließend der Ruhrbahn selbst. „Ich habe dem Fahrer vor dem Einstieg extra meine Krücken gezeigt, damit er weiß, dass ich länger brauche, um einzusteigen und mich festzuhalten“, erzählt der Senior.

Nimmt die Ruhrbahn ausreichend Rücksicht?

Nach mehrfachem Schriftwechsel bietet die Ruhrbahn dem Senior an, „ihm aus Kulanz und ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht einmalig 100 Euro zu zahlen“, teilt die Sprecherin der Ruhrbahn mit. Dieses jedoch lehnt der Senior ab.

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Offenbar aber habe dieser nicht einmal im Rückspiegel nachgesehen, ob er Halt gefunden habe, wirft der Gehbehinderte dem Fahrer vor. Als die Straßenbahn mit einem Ruck angefahren sei, habe es ihn umgerissen. „Fahrgäste halfen mir aufzustehen, der Fahrer reagierte erst gar nicht.“ Später sei dieser zu ihm nach hinten gekommen, habe ihn nur mit „abschätzigem Blick“ angesehen und sei dann wortlos zurück gegangen. „Er hat sich nicht einmal entschuldigt“, klagt der Senior. Die Folge: eine Platzwunde, Prellungen und eine zerbrochene Brille. Ein Rettungswagen holte ihn an der Haltestelle am Schloß Broich ab.

In der Linie 901, die mit DVG-Bahnen gefahren wird, ist ein Mülheimer gestürzt.
In der Linie 901, die mit DVG-Bahnen gefahren wird, ist ein Mülheimer gestürzt. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Der Betroffene schilderte den Fall der Ruhrbahn und erstattete auch Anzeige gegen den Fahrer wegen des angeblichen „Verstoßes gegen die Sorgfaltspflicht“. Das allerdings entschied die Staatsanwaltschaft nicht zu seinen Gunsten. Der Betroffene hätte sich festhalten müssen, antwortete auch sie. Dem Fahrer sei der Sturz nicht anzulasten.

Ruhrbahn: Fahrer sei „grundsätzlich nicht verpflichtet, mit der Abfahrt zu warten“

Auch die Ruhrbahn bestreitet einen Fahr- oder Bedienfehler: „Aus technischer Sicht ist es ausgeschlossen, dass eine Straßenbahn des eingesetzten Fahrzeugtyps so ruckartig anfahren kann, dass Fahrgäste, die sich einen festen Halt verschafft haben, allein dadurch zu Fall kommen.“ Als Fahrgast habe er die Pflicht, sich „stets einen festen Halt zu verschaffen“, behauptet die Ruhrbahn, und weist den Schadensersatzanspruch zurück.

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Doch genau das beklagt der Gefallene: Er habe gar nicht die Zeit bekommen, einen festen Halt zu finden. Auch hier entgegnet die Ruhrbahn, der Fahrer sei „grundsätzlich nicht verpflichtet, mit der Abfahrt zu warten, bis alle Fahrgäste einen festen Halt eingenommen haben. Das würde den Anforderungen an den Personennahverkehr überstrapazieren.“ Anschließend empfiehlt die Ruhrbahn, der Fahrgast möge doch beim nächsten Mal dem Fahrer signalisieren, dass er länger brauche.

Auf den Geschädigten wirkt das geradezu zynisch, denn gerade das – erwidert der Geschädigte – habe er doch getan. Und beharrt auf Schadenersatz.