Mülheim. SPD-Kandidatin Monika Griefahn hat die Mülheimer Stichwahl klar verloren. Parteichef Bakum dankt ihr – ohne sie hätte es schlimmer kommen können.
Es ist ein Wahlabend, an dem es um Monika Griefahn mit der Zeit immer einsamer wird. Die OB-Kandidatin der SPD bleibt standhaft mit Familie und Parteichef Rodion Bakum in erster Reihe vor der Leinwand im Biergarten des Alten Schilderhauses stehen und verfolgt die Auszählung der Stimmbezirke. Bis sie sich dann doch abwendet, um in der Stunde einer historisch bitteren Niederlage für Mülheims SPD ihre Worte an die rund 70 versammelten Genossen zu sprechen. In Depression will Griefahn dabei nicht verfallen, aller Enttäuschung zum Trotz.
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Bevor die Wahllokale am Sonntag schließen, hat manch einer in SPD-Reihen noch Optimismus ausgestrahlt. So Peter Bruckhaus, Ortsvereinsvorsitzender für Holthausen-Raadt. „53 zu 47, natürlich für Monika“, prognostiziert Bruckhaus da – und zündet sich eine seiner „Siegerzigarren“ an. Noch ist er bester Laune: „Wenn’s gutgeht, habe ich noch eine richtig gute Havanna im Auto. . .“ Bruckhaus gibt aber doch zu: „Ich hab richtig weiche Knie.“
Mülheimer Stichwahl: Mucksmäuschenstille bei der SPD
Und es geht nicht gut für Bruckhaus und seine Genossen, das ist schnell auf der Leinwand ablesbar. Insbesondere die Ergebnisse im einst tiefroten Norden der Stadt sorgen schnell für Ernüchterung. Styrum-Süd: an die CDU. Ebenso Dümpten-Nordwest. Fassungslosigkeit, Mucksmäuschenstille greift um sich, etwas Getuschel: „Das gibt’s doch gar nicht. Dass die Grünen aber auch. . .“
Oliver Willems, Ratsherr und Ortsvereinsvorsitzender in Dümpten, klagt über die „katastrophale Wahlbeteiligung“ auch in seinem Beritt. Ihm ist schnell klar, dass das Rennen gelaufen ist. Die Wahlbezirke im Norden sind nun mal schneller ausgezählt als die im CDU-dominierten Süden, wo traditionell die Wahlbeteiligung deutlich höher ist. Schon jetzt liegt die SPD hinten. Das Rennen: gelaufen. Die Hoffnung: dahin.
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Griefahn appelliert an Partei, Rodion Bakum Rückendeckung zu geben
Um kurz nach halb sieben nimmt Monika Griefahn ihre Tochter in den Arm, lächelt liebevoll, aber doch müde, enttäuscht. Von ihrem Mann Michael Braungart lässt sie sich ein Wasser bringen. Früh am Abend richtet sie ihre Worte an die versammelten Mitglieder: „Wir haben verloren, aber wir haben auch gewonnen, ganz klar – als Team“, bedankt sie sich für den engagierten Wahlkampf. Griefahn appelliert an die Partei, Bakum weiter Rückendeckung zu geben für dessen Erneuerungskurs für die Partei.
Sie führt die Niederlage auch auf die klare Positionierung der Grünen pro Buchholz zurück und das Signal für eine schwarz-grüne Mehrheit. Griefahn bedauert, dass sie mit manch einem Gestaltungsvorschlag bei den Grünen einfach nicht ins Gespräch gekommen sei. Den Grünen sei es wohl mehr um ihre „Machtposition“ gegangen. Die 65-Jährige will für Mülheim politisch aktiv bleiben. Sie ist ins Ruhrparlament gewählt, will sich dort für eine Regionalisierung des ÖPNV einsetzen.
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Parteichef Bakum appelliert im Anschluss an die Partei, den Neuaufbau für 2025 in Angriff zu nehmen. Dann wird es sentimental: „Du bist bei uns der Star gewesen“, bedankt er sich unter viel und anhaltendem Applaus bei Griefahn. „Du hast uns Hoffnung gegeben, die wir selbst vielleicht nicht mehr hatten.“ Nicht ganz Corona-konform: Doch Bakum will seine Kandidatin noch herzen – und nimmt sie fest in den Arm.
Bakum: Die SPD muss inhaltlich konkreter werden
„Wir hatten die beste Kandidatin zum schlechtesten Zeitpunkt“, sagt er später. Die SPD müsse ihre Performance aber deutlich verbessern. Einmal im Jahr werde sie nun einen kommunalpolitischen Parteitag abhalten, „um inhaltlich auf der Höhe zu bleiben“, blickt er nach vorne. Die SPD habe ein schlüssiges Programm, müsse inhaltlich aber wohl konkreter werden, sagt er mit Blick auf die Kritik der Anti-Gewerbeflächen-Initiativen.
Deutliche Worte findet am Sonntag der SPD-Bundestagsabgeordnete Arno Klare. Die SPD habe in den vergangenen sechs Jahren „miserable Politik gemacht, vor allem an der Spitze des Rathauses“. Dafür sei das Ergebnis noch „großartig“. Griefahn attestiert er einen tollen Wahlkampf. Erst sie habe die Chance auf den Sieg überhaupt möglich gemacht.
Fraktionschef Spliethoff kritisiert Wahlaussagen und Strategie
„Die Niederlage ist ebenso deutlich wie erwartbar. Sowohl die Wahlaussagen als auch die gewählte Strategie konnten nicht zu einem anderen Ergebnis führen“, zieht am Abend der scheidende SPD-Fraktionschef Dieter Spliethoff sein Fazit. Er gratuliert dem neuen OB Marc Buchholz, „dem ich den Fleiß und die Kommunikationsfähigkeit zutraue, die seit Jahren von mir in diesem Amt schmerzlich vermisst wurden“.
SPD-Ratsmitglied Daniel Mühlenfeld, kein Freund von Parteichef Bakum, mahnt derweil, „wieder ein klares inhaltliches Profil zu entwickeln und einen Beitrag zur gedeihlichen Entwicklung der Stadt zu leisten“. Dafür brauche es Geschlossenheit, „nicht ausgeräumte Konflikte innerhalb der SPD“ seien zu überwinden, deutet er an, dass es um den Parteifrieden immer noch nicht gut bestellt ist.