Mülheim/Essen. Die Vorwürfe gegen Kollegen schocken die Extremismusbeauftragte der Polizei Mülheim. Dass sie die Frau des Präsidenten ist, tue nichts zur Sache.

Mindestens 29 Polizisten, größtenteils von der Mülheimer Wache, sollen seit Jahren in privaten Chatgruppen Bilder und Nachrichten mit Nazi-Hetze geteilt haben. Sie wurden vom Dienst suspendiert, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen einige von ihnen. Silvia Richter, Extremismusbeauftragte des Polizeipräsidiums Essen/Mülheim, ist „bestürzt“. Im April hatte die 50-Jährige ihren Job angetreten – und bisher keinerlei Auffälligkeiten wahrgenommen. Dass sie als Ehefrau von Polizeipräsident Frank Richter womöglich zu nah an der Behördenleitung ist und Kollegen Vorbehalte haben könnten, sich ihr anzuvertrauen, hält sie für ausgeschlossen.

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Im Gegenteil: Als ehemalige langjährige Staatsschutzmitarbeiterin habe sie zu etlichen der insgesamt 2300 Mitarbeiter umfassenden Behörde einen guten Kontakt, hieß es am Freitag von der Polizei-Pressestelle. Ein direktes Gespräch mit der Extremismusbeauftragten war dieser Zeitung übrigens nicht möglich; Pressesprecherin Sylvia Czapiewski übermittelte Richters Antworten.

Ansprechpartnerin für alle Kollegen – aber nicht für die Bürger

Bis 2019 kommissarisch die Mülheimer SPD geführt

Silvia und Frank Richter wohnen in Mülheim. Silvia Richter war lange Jahre im Polizeipräsidium Recklinghausen tätig, bevor sie vor rund fünf Jahren nach Essen wechselte. In Recklinghausen war sie in der Gewerkschaft der Polizei (GdP) engagiert und zeitweise stellvertretende Personalratsvorsitzende.

Silvia Richter hat bis Anfang 2019 gemeinsam mit Cem Aydemir kommissarisch die SPD Mülheim geführt. Bei ihrem Rücktritt sprach sie von einem „Krieg in der SPD“. Die parteiinternen Querelen seit Aufkommen der OB-Affäre im Mai 2018 hätten sie zum Rückzug bewogen. „Ich weiß nicht mehr, wem ich vertrauen kann“, sagte sie damals.

Czapiewski beschrieb unter anderem Richters Arbeitsalltag: Sie sei Ansprechpartnerin für alle Kollegen, nehme ihre Aufgabe im Nebenamt wahr und arbeite weiter als Sachbearbeiterin im Objektschutz. Die Tätigkeit der Extremismusbeauftragten habe keine Außenwirkung, betonte Czapiewski. „Hinweise und Beschwerden von Bürgern nimmt nicht sie entgegen, sondern die Abteilung Zentrale Aufgaben.“ Richter berät Kollegen, ist präventiv tätig, führt Schulungen und Fortbildungen durch.

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Da Corona direkten Kontakt über Monate nahezu ausgeschlossen hat, Fortbildungsveranstaltungen und Dienstunterricht untersagt waren, habe die 50-Jährige versucht, ihre Botschaft schriftlich an Mann und Frau zu bringen: per E-Mail und via Intranet. Themen waren unter anderem „neurechte Netzwerke, die Reichsbürger, Musik aus der rechten Ecke und verdächtige Symbole auf Kleidungsstücken“. Hinzu kamen Infos über besondere Extremismusphänomene wie die Corona-Verschwörungstheorien. „Die Kollegen sollten immer auf dem neuesten Stand sein“, so Czapiewski.

Nach Lockerung der Corona-Vorschriften wieder häufiger persönlich präsent

Mittlerweile, nach Lockerung der strengen Corona-Vorschriften, sei Silvia Richter wieder deutlich häufiger persönlich präsent, versuche bei Begegnungen zu sensibilisieren. „Kürzlich hat sie einen Besuch in der Synagoge organisiert, an dem coronabedingt 20 Beamte teilnehmen konnten, und für 40 Kollegen einen Vortrag des Verfassungsschutzes NRW zum Thema Rechtsextremismus initiiert.“ Ihre Angebote kämen an, das zeigten Gespräche. „Sie hat großes Interesse festgestellt, die Beamten als zugänglich erlebt. Ihr wurde gespiegelt, dass die Kollegen für die Ideen der Extremisten nicht empfänglich sind.“

Bisher hatte Richter keinerlei Anhaltspunkte für rechtes Gedankengut. Sollte dies doch einmal der Fall sein, sie Kenntnis erlangen von strafrechtlich oder disziplinarrechtlich-relevanten Vorgängen, sei es ihre Aufgabe, den Vorfall „nach erster eigener Einschätzung“ an den Behördenleiter weiterzuleiten. Ermittlungen seien mit ihrem Job nicht verbunden, betonte Czapiewski.

„Vertrauensverhältnis zwischen Beauftragtem und Leitung ausdrücklich erwünscht“

Direkt an ihren Ehemann, den Polizeipräsidenten Frank Richter, muss Silvia Richter berichten, falls sie als Extremismusbeauftragte Beobachtungen in der Behörde macht.
Direkt an ihren Ehemann, den Polizeipräsidenten Frank Richter, muss Silvia Richter berichten, falls sie als Extremismusbeauftragte Beobachtungen in der Behörde macht. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Dass dieser Behördenleiter der Ehemann ist, stelle kein Problem dar. Es sei im Erlass sogar „ausdrücklich ein Vertrauensverhältnis zwischen Beauftragtem und Leitung erwünscht“, erklärte die Pressesprecherin. Im Übrigen habe Silvia Richter die Position nur deswegen bekommen, „weil sie aus ihrer Zeit beim Staatsschutz und im Personalrat einer anderen Behörde die nötige Erfahrung und Kompetenz hat“. Herr und Frau Richter pflegten „einen professionellen Umgang“ miteinander.

Zu den aktuellen Vorwürfen dürfe die 50-Jährige – genau wie alle anderen Kollegen des Präsidiums – übrigens rein gar nichts sagen. „Da gibt es eine klare Order vom Innenministerium“, so Czapiewski.