Essen. Polizeipräsidium Essen hebt die Qualifikation der Extremismus-Beauftragten hervor. Ministerium habe positiv reagiert und Personalrat zugestimmt.

Die mögliche Verstrickung von Polizeibeamten im völkisch-nationalen AfD-Milieu oder gar in rechtsextremen Netzwerken hat den Landesinnenminister aufgeschreckt. Um eine Radikalisierung seiner Polizisten zu verhindern, hat Herbert Reul jetzt in allen Polizeibehörden die neue Position eines Extremismusbeauftragten geschaffen. In Essen bekleidet diesen Posten seit diesem Monat Silvia Richter. Dass sie denselben Familiennamen trägt wie der Polizeipräsident, kommt nicht von ungefähr: Frank Richter hat seine eigene Ehefrau mit dieser wichtigen Aufgabe betraut.

Auslöser der ministerialen Extremismus-Initiative ist ein Fall im Präsidium Hamm. Ein Mitarbeiter (50) des Verkehrsdienstes, der im Verdacht steht, Mitglied einer rechtsextremen Terror-Gruppierung zu sein, sei schon zuvor immer wieder aufgefallen. Obwohl die rechtsextreme Gesinnung Kollegen und Vorgesetzten bekannt gewesen sei, so ärgerte sich Reul, sei nicht konsequent eingeschritten worden.

Sprecher: Führungsebene hat qualifizierte Kandidaten vorgeschlagen

Nach dem Willen des Ministers sollen den neuen Extremismus-Beauftragten vergleichbare Verdachtsfälle sofort gemeldet werden. Mit "Denunziantentum" habe dies jedoch nichts zu tun, machte der Innenminister deutlich.

Nach Darstellung von Essens Polizeisprecher Christoph Wickhorst seien die Extremismus-Beauftragte Silvia Richter und ihr Stellvertreter intern ermittelt worden. Die Kolleginnen und Kollegen der Führungsebene hätten qualifizierte Personen vorgeschlagen, aus denen der Leiter des Leitungsstabes die beiden geeignetsten Kandidaten ausgewählt habe.

Die Ernennung der neuen Extremismus-Beauftragten sei schließlich durch den Behördenleiter erfolgt. "Außerdem mit Zustimmung des Personalrates und mit positiver Rückmeldung aus dem Innenministerium", wie der Polizeisprecher betont. Für Silvia Richter spreche die langjährige Tätigkeit in Polizeibehörden, insbesondere in der Abteilung Staatsschutz.

Ernennung zur Beauftragten erfolgte ohne Höhergruppierung

Bei der neuen Position handele es sich um eine Vollzeitstelle. Allerdings sei die Ernennung zur Extremismus-Beauftragten nicht mit einer Höhergruppierung verbunden gewesen, fügt der Sprecher hinzu.

Behördenintern scheint die Personalie Silvia Richter nicht auf ungeteilte Zustimmung zu stoßen. Gestandene Polizisten etwa bescheinigen der neuen Beauftragten "mangelnden Rückhalt" bei den Kollegen, andere mokieren sich über den hausinternen Spitznamen "Frau Präsidentin".

Den Einwand, dass die Extremismus-Beauftragte keine Polizistin im Vollzugsdienst, sondern Regierungsangestellte sei, weist der Polizeisprecher zurück. "Der Erlass des Ministers sieht nicht vor, dass die Stelle mit einer Person aus dem Vollzugsdienst besetzt werden muss." Das bestätigt auch der Sprecher des NRW-Innenministeriums.

Silvia Richter war in Mülheim kommissarische SPD-Chefin

Das Ehepaar Richter lebt in Mülheim, beide wechselten beruflich ungefähr zeitgleich nach Essen. Silvia Richter war gut zwei Jahrzehnte im Polizeipräsidium Recklinghausen tätig, ehe sie vor fünf Jahren in die Behörde nach Essen kam. In Recklinghausen war sie stark in der Gewerkschaft der Polizei (GdP) engagiert und zeitweise stellvertretende Personalratsvorsitzende.

In der krisengeschüttelten Mülheimer SPD bekleidete Silvia Richter vorübergehend das Amt der kommissarischen Unterbezirksvorsitzenden. Im Januar 2019 gab die Partei-Vize zermürbt auf und sprach von einem "Krieg in der SPD".

Frank Richter (61), der in Essen aufgewachsen ist, ist seit dem 1. April 2015 Polizeipräsident für 740.000 Bürger in Essen und Mülheim Zuvor war er Polizeipräsident in Hagen und davor langjähriger NRW-Chef der Gewerkschaft GdP.

Infobox

Das NRW-Innenministerium erklärt: "Die Einführung eines Extremismus-Beauftragten bei den Polizeibehörden ermöglicht den Polizeivollzugsbeamten, ohne Einhaltung des Dienstweges Hinweise auf Verhaltensweisen geben zu können, die eine extreme Einstellung oder Zugehörigkeit zu extremen Netzwerken als möglich erscheinen lassen."

Seit der zehnten Kalenderwoche 2020, so ein Sprecher, seien in allen Polizeibehörden des Landes Personen als Extremismus-Beauftragte bestellt worden.